Womit werden Systemhäuser in Zukunft Geld verdienen?
Aufgrund der fast schon monopolartigen Dominanz von Microsoft im Office-Markt stellt sich hier die Frage, ob es denn wirklich keine Alternative gibt. Dazu meint Kai Kapitän: "Office 365 ist sehr breit aufgestellt, damit kann man dem Kunden schon viel bieten. Aber ich glaube dennoch, dass es bald Alternativen aus dem chinesischen Markt dazu geben könnte."
"Aber womit werden Systemhäuser dann in Zukunft ihr Geld verdienen?", fragt Carsten Grunert von Axians. "Durch Consulting-Leistungen, also Beratung", antwortet Kapitän. Er bietet seinen Kunden nicht nur das "nackte" Office 365 an, sondern pro Arbeitsplatz auch alle zusätzlichen Software-Komponenten und Services samt Beratung, etwa das One-Drive-Laufwerk zum Synchronisieren. "Der Kunde nimmt so etwas gerne in Anspruch", so Kapitän. "Und dann kann auch der Microsoft-Partner ansehnliche Margen realisieren."
Dem stimmt auch Rinkewitz zu: "Den Citrix-Workplace von früher bieten wir nun als Office 365-Paket an - für eine Fixpreis pro Arbeitsplatz, je nach dessen Ausstattung." Allerdings rechnet der Vintin-Manager Consulting-Leistungen nie extra ab. Das würden nur die wenigsten seiner Kunden goutieren. "Im Prinzip verkaufe ich weiterhin Lizenzen für die Einzelarbeitsplätze", meint Rinkewitz. Aber seine Kunden kaufen ihm noch zusätzliche Lösungen und Services rund um diese Workplaces ab. "Und das sind unsere eigenen Lösungen, zum Beispiel eine digitale Kfz-Akte oder eine Power-App. Die kann sich der Kunde nicht so einfach wo anders besorgen." Auf diese Weise stärkt Vintin die Kundenbindung, weil dessen Lösungen für die Fachabteilung unentbehrlich sind.
Vintin-Manager Christoph Waschkau: "Die Zeit der Einzelkämpfer in der IT sollte endlich vorbei sein"
"Aber dann muss ich mich mit den Geschäftsprozessen und den Branchenspezifika meiner Kunden genau befassen", wirft Grunert ein. Seiner Meinung nach benötigt das Systemhaus da einen tiefen Einblick: Wo drückt da der Schuh? Was braucht mein Kunde wirklich? Als Beispiel führt er Krankenhäuser an, in denen Rollstühle und Infusionspumpen ständig verlegt werden: "Da braucht es ein intelligentes Geräte-Management", postuliert der Axians-Manager. "Der Kunde braucht Lösungen für seine Probleme."
Grunert wird immer öfter mit der Tatsache konfrontiert, dass Fachabteilungen über IT-Budgets entscheiden. Der IT-Leiter ist dann nur noch Erfüllungsgehilfe für das angestoßene Projekt. "Deswegen ist die Ansprache des Fachabteilungsleiters so wichtig", meint der Axians-Manager. "Die Leute ticken je nach Branche unterschiedlich. Darauf muss ich als Systemhaus Rücksicht nehmen und die Menschen in Sozialberufen anders ansprechen als einen Techniker im Industriebetrieb", berichtet Rinkewitz aus seiner Erfahrung.
Kunzmann führt die Teilnehmer wieder auf den Boden der Tatsachen zurück: "Schuster, bleib bei deinen Leisten!" Er widerspricht der gängigen Mentalität vieler Systemhäuser, die mit einem Bauchladen unterwegs sind: "Man muss die Sorgen und Nöte der Kunden schon kennen", da ist sich der United Systems-Chef ganz sicher.
"Und deswegen wird der Techniker der Vertriebler von morgen sein", mit dieser provokanten These bringt Kai Kapitän neuen Schwung in die Diskussionsrunde. "Das wird nicht funktionieren", widerspricht ihm Kunzmann. "Der Techniker bringt das Rüstzeug zum Vertriebler einfach nicht mit, nicht dessen Mentalität, dessen Extrovertiertheit und Begeisterungsfähigkeit". Allerdings könne der Techniker sehr wohl dem Kunden ganz genau zuhören und seine Erkenntnisse dem Vertriebler mitteilen. "Er fungiert nur als Dolmetscher", glaubt der United Systems-Chef.
Und das Ganze funktioniere nur im Team: Der Vertriebler stellt dem Kunden eine Vielzahl von Lösungen vor und der Techniker bricht das anschließend auf das Realisierbare herunter. "Aber manchmal wächst auch ein Techniker über sich hinaus und begeistert den Kunden für eine neue Lösung", widerspricht Kai Kapitän und nennt ein paar konkrete Beispiele dafür aus seinem Kundenkreis.
"Vielleicht sollte man den Begriff Vertrieb etwas konkretisieren", meint Regina Böckle: "Scouten, aufnehmen, zuhören und analysieren trifft es wohl besser", so die ChannelPartner-Redakteurin messerscharf. Und damit ist auch Kunzmann einverstanden: "Ein Techniker kann den Kunden durchaus exzellent beraten, aber er wird nie ein exzellenter Verkäufer". Hier ist seiner Meinung nach die Führungskraft im Systemhaus gefragt. Der Chef muss schlussendlich entscheiden wer, wo, mit wem auf was angesetzt wird.
Und der United Systems-CEO relativiert auch seine ursprüngliche Aussage: "Ab und zu muss ich schon mal etwas Neues ausprobieren, sei es die Vier-Tage-Woche oder ein Rollenwechsel."
Was bedeutet das aber für den Kunden? Für ihn hat sich im Prinzip nichts geändert. Im Idealfall merkt er gar nicht, dass seine Lösung aus der Cloud kommt. Aber wer kümmert sich um den Endanwender? Wer kennt seine Sorgen und Nöten? "Das sollte schon ein Repräsentant des Systemhauses übernehmen", da ist sich Grunert ganz sicher. Aber ein Techniker betreut heute Faktor zehn mehr Anwender als noch zur Jahrhundert-Wende. Wie soll das also funktionieren?
"Es gibt viele Automatismen und fast alles geht heute remote. Hotlines sind da komplett nutzlos", berichtet Grunert und freut sich schon auf die intelligenten Chatbots.
Thomas Neumeier verweist hier auf die Tatsache, dass viele Systemhäuser Geschäft fast nur noch mit Bestandskunden betreiben: "Da braucht es keinen Vertrieb, sondern fachlich versierte Bestandskundenbetreuer." Und deswegen hält Neumeier am Fixgehalt fest. So bleibt die Kundenbindung hoch: "Je näher ich am Bestandskunden bin, umso eher erfahre ich, dass ein Wettbewerber ihn angesprochen hat", meint der Systemhauschef aus Regensburg.
"Und den Marketiers der Hersteller geht es ganz ähnlich", meint Rinkewitz. "Auch sie wollen an die Fachabteilungen". Deswegen besuchen Vertreter von Vintin viele Branchenmessen, etwa die ConSozial (Messe für Sozialwirtschaft, Anm. d. Red.). Dort begegnen ihnen keine IT-Fachkräfte sondern eher HR-Manager. "Und mit denen kommen wir ins Gespräch über den digitalen Arbeitsplatz", so Rinkewitz. Seiner Erfahrung nach kommen fast alle Leads aus den Fachabteilungen über den Content, den man in sozialen Netzwerken, im Web oder eben auf Fachkongressen gestreut hat.