Systemhaus-Chef Sven Wulf im Interview

„Migration auf Office 365 kurbelt Folgeprojekte an“

Regina Böckle durchforstet den Markt nach Themen, die für Systemhäuser und Service Provider relevant sind - oder es werden könnten - und entwickelt dazu passende Event-Formate.
Anzeige  Schneider & Wulf hat sich 2020 auf wenige Hersteller fokussiert, aus Projekten heraus gezielt Folgegeschäft entwickelt, Kooperationsnetzwerke gefördert, vertriebsseitig den eigenen Firmenverbund enger verzahnt – und ist damit um 30 Prozent gewachsen. Firmen-Chef Sven Wulf erläutert im Interview, worauf es ankommt und was er weiter plant.

channelpartner.de: 2020 war pandemiebedingt ein sehr turbulentes Jahr. Wie hat sich das Ihrer Erfahrung nach ausgewirkt?

Sven Wulf: In Gesprächen mit anderen Partnern habe ich wahrgenommen, dass Corona zunächst große Befürchtungen auslöste, Kunden, Umsätze und Projekte könnten wegbrechen. Bei vielen war das Gegenteil der Fall, das Geschäft lief extrem gut, sie verloren kaum Kunden. Wer allerdings stärker in Branchen wie Einzelhandel oder Hotellerie verankert war, hatte verständlicherweise Probleme.
Ich habe Corona von Anfang an eher als Chance betrachtet und deshalb im Frühjahr 2020 außerordentlich viel ins Marketing investiert. Aus der Überlegung heraus: Wenn Unternehmen gegen Ende des Jahres 2020 die Lösungen brauchen und suchen, die wir anbieten, dann müssen sie uns finden. Dann reicht es aber nicht, erst Ende des Jahres stärker sichtbar zu werden. Natürlich war das auch ein Risiko.

channelpartner.de: Im Systemhausumfeld waren allerdings schon auffällig viele Fusionen und Übernahmen zu beobachten, insbesondere von mittelständischen IT-Dienstleistern…

Sven Wulf, Geschäftsführer von Schneider & Wulf
Sven Wulf, Geschäftsführer von Schneider & Wulf

Sven Wulf: Das fiel in der Tat auf. Was immer die Beweggründe waren: Ich bin gespannt, wie die Reise weitergeht, denn in der Gesamtwirtschaft lassen sich schon Auswirkungen in der Breite beobachten. Man muss jetzt bei seinen Bestandskunden sehr gut unterwegs sein - und gleichzeitig aber auch gut aufgestellt sein, um neue Kunden gewinnen zu können. Das ist wichtig! Denn mit Bestandskunden allein wird es generell schwierig werden zu wachsen.

channelpartner.de: Was haben Sie bei Schneider & Wulf im vergangenen Jahr verändert?

Sven Wulf: Wir haben uns Anfang letzten Jahres, noch vor der Pandemie, dazu entschieden, uns auf wenige Hersteller und hier auf ausgewählte Produktlinien zu fokussieren, insbesondere auf Microsoft, Watchguard, Lenovo und den neu ins Portfolio aufgenommenen Berliner Security-Hersteller Macmon. Das hatte zur Folge, dass wir auch einige Hersteller aus dem Portfolio genommen haben, unter anderem Tableau und Jobrouter. Denn unser Ziel, das wir besonders im vergangenen Jahr intensiv verfolgt haben, ist es, eine möglichst enge Zusammenarbeit mit unseren Herstellerpartnern zu gewährleisten - und das funktioniert nur, wenn wir uns auf eine überschaubare Anzahl konzentrieren.

channelpartner.de: Wie sieht diese enge Zusammenarbeit mit Ihren Lieferanten konkret aus?

Sven Wulf: Mit den Ansprechpartnern dieser Hersteller haben wir jeweils wöchentlich ein festes Meeting. Gerade in den zwei Bereichen Cloud und Infrastruktur wollen wir diese fokussierte Zusammenarbeit weiter ausbauen. Mit Lenovo machen wir sehr viel Hybrid-Geschäft, Cloud-Themen realisieren wir mit Azure, Security-Themen mit Watchguard, Macmon und Microsoft.

channelpartner.de: Was war der Anlass für diese starke Fokussierung?

Sven Wulf: Eine Initialzündung dafür war für mich der Besuch bei der Microsoft-Konferenz in den USA vor zwei Jahren. Danach war für mich klar, dass wir uns auf ausgewählte Segmente aus dem Microsoft-Portfolio konzentrieren werden, insbesondere auf Software- und Security-Themen, um sie bei unseren Kunden, aber auch bei uns selbst zu integrieren.
Parallel dazu haben wir unsere Managed Services weiterentwickelt. Das bedeutet konkret: Für alles, was wir anbieten, haben wir auch Managed Services Konzepte. Diese Strategie treiben wir vehement voran.

channelpartner.de: Was bestimmt aktuell das Tagesgeschäft bei Schneider & Wulf?

Sven Wulf: Wir migrieren derzeit vor allem Kunden jeder Größe, von 30 bis zu 1.500 PC-Arbeitsplätzen auf Microsoft Office 365, lassen es aber nicht beim reinen Rollout bewenden. Ergänzend bilden wir die Teams beim Kunden aus, machen Trainings, befassen uns mit Security-Themen, setzen ergänzende Power-Apps, beispielsweise Power Automate, ein - eben den gesamten Strauß an Produkten, den Microsoft rund um Office 365 anbietet.
Sich bewusst auf Microsoft als Kernpartner einzulassen, bedeutet in der Konsequenz eine dauerhafte Reise, denn das Portfolio wächst beständig. Das gilt sowohl für uns als auch für unsere Kunden. Rückblickend war dies vor allem für unsere Techniker eine überraschende, aber auch sehr erleichternde Erkenntnis.

channelpartner.de: Weshalb?

Sven Wulf: Viele Techniker befürchteten vor einigen Jahren, arbeitslos zu werden, wenn wir unser Geschäft auf Office 365 ausrichten. Denn damit entfallen alle klassischen Wartungsarbeiten, beispielsweise für Exchange Server, Updates, etc. Es hat sich aber gezeigt: Wenn wir einen Kunden von einer lokalen Exchange-Infrastruktur auf Office 365 migrieren und alle ergänzenden Aufgaben beim Kunden umsetzen, erhöhen sich unsere Aufgaben um das Acht- bis Zehnfache.
Das ist ein riesiger Effekt - immer vorausgesetzt, dass wir uns selbst und auch der Kunde sich wirklich auf diesen Microsoft-Blumenstrauß einlassen und wir es richtig machen. Oft erweisen sich dann auch die Kunden selbst als Treiber, indem sie darauf drängen, weitere Prozesse zu digitalisieren! Deshalb wächst durch den Fokus auf wenigere Hersteller unser Service- und Consulting-Anteil.

channelpartner.de: Security-Themen haben Sie ja vor einigen Jahren in einen eigenen Bereich gefasst …

Sven Wulf: Der Schwerpunkt liegt hier auf den Services wie Schwachstellenanalysen und Penetrationstests. Im Laufe dieses Jahres werden wir das Security-Geschäft in eine komplett eigene Business Unit mit eigenem Markenauftritt auslagern, um hier noch stärker wachsen zu können.

channelpartner.de: Die dritte Säule neben Cloud und Infrastruktur bei Schneider & Wulf ist der Digitalisierungs-Bereich. Was planen Sie hier?

Sven Wulf: Wir wollen in diesem Segment sowohl mit den CRM-Lösungen von SuperOffice, aber auch mit Microsofts Software-Portfolio weiter wachsen. Wir entwickeln aktuell auch zwei eigene Software-Lösungen auf Azure-Basis.

channelpartner.de: Welche Kundenanforderungen adressieren Sie mit diesen zwei selbst entwickelten Software-Produkten?

Sven Wulf: Eine dieser Cloud-basierten Lösungen wird dem Mittelstand helfen, Prozesse zu optimieren, die andere Lösung erleichtert Kunden die Prozessdokumentation für die Kernanwendungen, so dass jeder im Unternehmen schnell weiß, wie er mit dem System arbeiten muss. Beide Lösungen schließen eine Lücke im 365-Portfolio und lassen sich deshalb selbstverständlich in die Microsoft-365-Welt integrieren. Mehr dazu werden wir erst zu einem späteren Zeitpunkt bekannt machen.

channelpartner.de: Der Arbeitsaufwand für Services und Consulting-Dienste für Ihre Kunden steigt - da brauchen Sie auch kompetente Mitarbeiter. Wie finden Sie die?

Sven Wulf: Wir haben vergangenes Jahr mehr als 10 zusätzliche Mitarbeiter gewonnen - trotz Corona und trotz des Fachkräftemangels. Es hat sich gelohnt, dass wir viel in Recruiting, Ausbildung und andere Maßnahmen investiert haben, die uns als Arbeitgeber sehr attraktiv machen - für und mit unseren Mitarbeitern. Das werden wir 2021 im Zuge eines Relaunch intensiv weiterentwickeln.
Viele Initiativen stoßen Mitarbeiter auch selbst ganz eigenständig an, eine Eigendynamik hat sich entwickelt. Einige wollen z.B. einen Halbmarathon machen und anderes. Früher gingen wir immer davon aus, wir müssten alles für unsere Mitarbeiter organisieren. Inzwischen habe ich verstanden: Vieles machen Mitarbeiter aus eigener Motivation heraus selbst. Und das muss man dann fördern!

channelpartner.de: Wie sieht Ihre Wachstumsstrategie für 2021 aus?

Sven Wulf: 2020 konnten wir unseren Umsatz um 30 Prozent steigern auf 6,5 Millionen Euro, und es gibt einen Wachstumsplan bis 2025: Wir beschäftigen heute 55 Mitarbeiter. Unser Ziel für 2025 ist es, auf etwa 100 Mitarbeiter zu wachsen - mit Managed Services und Projekten für unsere Kunden und über verstärkte Kampagnen mit unseren Herstellern.

channelpartner.de: Planen Sie organisches Wachstum oder erwägen Sie auch Zukäufe?

Sven Wulf: Rein organisches Wachstum ist uns immer am liebsten. Wenn etwas für einen Zukauf wirklich passen würde, wäre auch diese Option nicht ganz ausgeschlossen. Bisher war das einfach noch nie der Fall. Aber auch dann ist es ein zwiespältiges Unterfangen. Denn ein Unternehmen zu integrieren ist immer ein Kraftakt, weil auch die Grundchemie verbunden werden muss. Natürlich wachsen damit Umsatz, Kunden und Personalstamm. Aber es gibt darunter immer auch einiges, das überhaupt nicht in unsere DNA passt. Ich bin bei dieser Frage hin- und hergerissen. Wenn überhaupt, könnte ich mir noch am ehesten eine Beteiligung vorstellen.

Aber egal welche Form: alles kostet Zeit - und das ist der entscheidende Punkt. Denn mit den Dingen, die wir aufgebaut haben und die wir ausbauen wollen, haben wir aktuell genug zu tun.

In unseren Partnernetzwerken iTeam, kiwiko und IT-League erkenne ich viel mehr Vorteile und Handlungsfreiheit als in einem Zukauf. Als Mitglied dieser Netzwerke beschäftigen wir schon heute nicht nur unsere eigenen 55, sondern - indirekt - etwa 70 Mitarbeiter. Auf diese Weise können wir für unsere Kunden auch Themen umsetzen, die wir selbst gar nicht abdecken. Manche Partner arbeiten mit uns schon fast im Dauerbetrieb zusammen! Damit fühlen wir uns sehr gut aufgestellt und unsere Mitarbeiter fühlen sich damit ebenfalls sehr wohl.

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