Wie Macht funktioniert
Und was nun, wenn man von unten nach oben blickt? Was kann ein Mitarbeiter seinem Chef sagen und in welcher Form? Robert Greene (1999) hat in seinem Buch Die 48 Gesetze der Macht vollkommen nüchtern dargestellt, wie Macht funktioniert. Sein erstes Gesetz lautet:
"Stelle nie den Meister in den Schatten!"
Stellen wir uns folgendes Szenario vor! Ein Mitarbeiter zu seinem Chef: »Bitte kommen Sie heute um 15 Uhr zu mir. Ich möchte Ihnen dann ein paar Punkte rückmelden, die mir in letzter Zeit aufgefallen sind. Ich werde natürlich alles mit Ihnen diskutieren, solange Sie konstruktiv bleiben.« Das kann der Chef zum Mitarbeiter sagen, aber umgekehrt? Die Sozialpsychologie nennt das den Reversibilitätstest.
Während wir dies schreiben, sehen wir gerade einen Bericht über den Berliner Flughafen. Der Kommentator erklärt, dass Hartmut Mehdorn gar nicht mehr wissen wolle, was alles schiefläuft, und nur noch äußerst gereizt reagiere, wenn jemand versucht, neue schlechte Nachrichten zu melden. »Nur ein technischer Leiter, der diesem Chef Paroli bieten kann, könnte die Lage retten!«, heißt es im Fernsehbericht. Den aber gibt es nicht. Und so entscheidet der fragliche Herr schlicht, Feedback via Macht auszublenden.
- Die Merkmale der Alpha-Menschen
In Meetings und Verhandlungen sowie in der Zusammenarbeit von Teams registriert man oft: Gewisse Frauen oder Männer haben in ihnen das Sagen. Das sind nicht immer die ranghöchsten Personen. Die Merkmale dieser "Alpha-Menschen" zählen wir im Folgenden auf. - Alpha-Menschen sind selbstbewusst und strahlen dies aus.
Für fast alle offiziellen und informellen Leader gilt: Sie wissen, was sie können, und zu welchen Leistungen sie bereit und fähig sind; des Weiteren, was sie in der Vergangenheit bereits geleistet haben. Und hierauf sind sie stolz. - Alpha-Menschen sprechen eine klare und kraftvolle Sprache.
Alpha-Menschen sind extrem leistungs- und ergebnisorientiert. Sie reden deshalb nicht in langen Schachtelsätzen, um den heißen Brei herum. Sie bevorzugen kurze, knackige Sätze mit einer klaren Botschaft. - Alpha-Menschen können sich selbst motivieren.
Alpha-Menschen können und wollen etwas bewegen. Und sie haben Ziele. Entsprechend viel Energie haben sie und strahlen sie aus. - Alpha-Menschen beziehen Position und verstecken sich nicht.
Alpha-Menschen gehen nie auf Tauchstation. Sie analysieren vielmehr für sich die Situation, um zum passenden Zeitpunkt Position zu beziehen. Denn sie wissen: Gerade wenn die meisten Menschen dazu neigen, den Kopf einzuziehen, ist Führung gefragt. - Alpha-Menschen übernehmen Verantwortung.
Alpha-Menschen sind Tat-Menschen. Sie scheuen sich nicht, Verantwortung auch dann zu übernehmen, wenn eine Entscheidung oder Aufgabe risikobehaftet ist. - Alpha-Menschen sind fokussiert (und gut präpariert).
Alpha-Menschen sind keine Hasardeure. Im Gegenteil! Bevor sie das Wort ergreifen, analysieren sie die Situation und wägen zum Beispiel die Pros und Contras ab. Erst dann beziehen sie Position. - Alpha-Menschen können und wollen andere Personen (ver-)führen.
Echte Leader haben stets das übergeordnete Ziel vor Augen. Und weil sie gut vorbereitet sind, können sie ihre Aufmerksamkeit darauf konzentrieren: Was sagt mein Gegenüber? Welche Bedürfnisse artikuliert er? Welche Signale sendet er aus? - Alpha-Menschen nutzen (Körper-)Sprache als Instrument.
Alpha-Menschen wissen: Es hängt oft davon ab, wie man etwas sagt, ob man sein Ziel erreicht. Entsprechend gezielt wählen sie ihre Worte abhängig vom Gegenüber oder der Gesprächssituation. - Alpha-Menschen bringen die Dinge auf den Punkt.
Alpha-Menschen wollen etwas bewegen. Deshalb werden sie innerlich unruhig, wenn sie das Gefühl haben: Hier werden die Dinge zerredet. - Alpha-Menschen markieren ihr Revier.
Alpha-Menschen wissen, was sie wollen – und was sie nicht wollen. Entsprechend klar bringen sie es auch zum Ausdruck, wenn (potenzielle) Entscheidungen, ihnen "gegen den Strich gehen".
Ist Macht böse?
Nein! Sie ist ein natürliches Organisationsprinzip sozialen Lebens. Gestrandet auf einer einsamen Insel würde sich eine Gruppe von Menschen schnell einig darüber, wer wo das Sagen hat oder haben sollte. Wer kennt sich mit Bauen, Jagen, Fischen, Feuermachen und dem Zusammenführen von Menschen und so fort am besten aus?
Ist Macht gut?
Luhmann (2003) beschreibt Macht als Mittel, die Entscheidungskriterien einer Gesellschaft zu ordnen und Entscheidbarkeit zu gewährleisten. Dort, wo Macht als akzeptiertes Ordnungsprinzip agiert, wirkt Macht konstruktiv. Wenn ein quälender Prozess durch ein Machtwort geklärt wird, zum Beispiel. Dort, wo ein Vorgesetzter für eine wohltuende Ordnung und für Gerechtigkeit sorgt. In der Demokratie zum Beispiel.
Das Dilemma bleibt
Wer steuern will, der braucht Einflussmöglichkeiten (= Macht) und er braucht Feedback. Ohne Rückmeldung sind Systeme nicht zu lenken. Ein Auto ohne Fenster lässt sich nicht fahren, zumindest nicht besonders weit. Macht aber erschwert Feedback. Das gilt sogar für vermeintlich objektive Messgrößen (betriebswirtschaftliche Daten), weil die Deutungshoheit mit der hierarchischen Position einhergeht. Nur wer gelernt hat, trotz seiner Position auf Signale zu achten und diese ernst zu nehmen, der hat eine Chance, Rückmeldung zu bekommen. Ansonsten gilt: Der Machtinhaber steckt in der Machtfalle. Informationen, die er dringend benötigt, bekommt er nicht wirklich.