Was Macht mit uns macht

Feedback richtig einsetzen



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
Stichwort Kommunikation und Meetings in Unternehmen: Wer darf was zu wem sagen? Warum darf der eine, der andere aber nicht? Man müsse genau unterscheiden, um welche Art von Rückmeldungen es sich handelt, sagt Chris Wolf.

Geht es um Feedback eines hierarchisch (oder gruppendynamisch) Höheren an einen, der im Gefüge niedriger angesiedelt ist, oder umgekehrt? Redet der Chef mit seinem Mitarbeiter? Spricht ein Älterer mit einem Jüngeren? Ein Erfahrener mit einem Neuling? Der CEO mit dem Pförtner? Was ist, wenn der Mächtigere der Feedback-Nehmer ist? Was ist, wenn der Mächtigere der Feedback-Geber ist?

Kommunikation ist keine Einbahnstraße – vor allem am Arbeitsplatz ist ein regelmäßiger Austausch im Gespräch wichtig.
Kommunikation ist keine Einbahnstraße – vor allem am Arbeitsplatz ist ein regelmäßiger Austausch im Gespräch wichtig.
Foto: contrastwerkstatt - Fotolia.com

Der Feedback-Geber will – gerade, wenn er Vorgesetzter ist – etwas bewirken. Nun aber vermengen sich zwei Phänomene: zum einen der Inhalt des Feedbacks selbst und zum anderen die Tatsache der Machtdifferenz. Das Feedback ist gewissermaßen machtkontaminiert. Und dieser Effekt kann nicht subtrahiert werden.

Beispiel: Chef bleibt Chef!

Der Vorgesetzte, der mit seinen Mitarbeitern an einem Workshop teilnimmt und verkündet: "Ich bin zwar Ihr Chef, aber vergessen Sie das mal, lassen Sie uns ganz ungehindert auf Augenhöhe miteinander reden!", entlarvt seinen Machtanspruch schon durch den Imperativ seines Statements.

Das hat gar nichts damit zu tun, ob er nett, verständnisvoll, akzeptiert, respektiert, gefürchtet ist oder gar gehasst wird. Die Rolle kann nicht an der Garderobe abgegeben werden. Man hat sie immer dabei. Als Inhaber einer Machtposition kann man nicht nicht führen. Wenn der angesprochene Mitarbeiter die Regeln des Spiels kennt, so wird er nicht mir nichts dir nichts kritischen Rückmeldungen seines Vorgesetzten munter widersprechen, so wie er das bei Kollegen oder im Freundeskreis vielleicht machen würde, sondern er wird das Feedback annehmen - "Ja, aha, wenn Sie meinen, das sollte ich mir wirklich mal überlegen, so hab' ich das noch nicht gesehen, …" - und möglicherweise ein paar Begründungen zur eigenen Entlastung liefern: "Ja, wir hatten aber auch wenig Ressourcen, es war in dieser Zeit nicht ganz zu schaffen, wir haben ja versucht, vieles gleichzeitig hinzubekommen, leider waren wir ja abhängig von den Ergebnissen von XY …". Aber dieser Form des Annehmens ist nicht direkt anzusehen, wo es auf der Skala zu verorten ist, die sich zwischen Akzeptieren, Hinnehmen und Runterschlucken aufspannt.

Verhaltensebene

All dies sieht auf der Verhaltensebene recht ähnlich aus. Es ist für Vorgesetzte schwer zu unterscheiden, ob ihre Macht wirkt oder der Inhalt dessen, was sie sagen. Oft wiegen sie sich daher in der Illusion ihrer argumentativen Überzeugungskraft und haben doch nur ein Machtspiel gewonnen. Wer ›ja‹ sagt, muss nicht ›ja‹ meinen. Wer nickt, stimmt nicht unbedingt zu. Wenn der CEO bei der Betriebsversammlung einen Witz macht und alle lachen, dann heißt das nicht, dass der Witz gut war. Das Ergebnis eines Feedbacks aber hängt nicht von dem nach außen sichtbaren Gestus ab, sondern von der nicht direkt offenkundigen Akzeptanz. Der Hierarch als Feedbackgeber müsste also genau hinhören oder gar nachfragen, wenn er ermessen will, wie seine Vorstellungen ankommen. Und selbst dann wäre es fraglich, in welchem Grad er die Wahrheit erfahren würde. Denn Kommunikation gegen das Gefälle der Macht wird zensiert. »Das können wir unserem Chef nicht sagen, niemals.« Wer also weiter oben ist, bekommt gefilterte Botschaften. Von Honecker wird gesagt, er meinte selbst, dass er im besten aller Staaten lebte. Diese Form der Illusion nennt die Psychologie mittlerweile sogar Honecker-Effekt.

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