"Kollege Meyer ist schon wieder krank. Keiner sieht, wie ich mich hier abschufte und seinen Auftrag erledige und zuhause geht es genauso weiter - ich habe Angst davor, auszubrennen". Fast jeder kennt ähnliches aus seinem Arbeitsleben. Chronischer Druck macht krank. Das belegen auch neuere Daten:
Nach Angaben von Statista sind psychische Erkrankungen mittlerweile die zweithäufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit. Rund ein Drittel davon entfallen auf Depressionen. Eng mit dieser Diagnose verbunden ist das früher als Modeerkrankung abgestempelte Burn-out. Symptome sind eine totale körperliche und geistige Erschöpfung. Laut DAK hat sich die Krankheitslast aufgrund von Burn-out-Diagnosen seit 2006 verzwanzigfacht und Forscher bringen Burn-out immer wieder mit hoher Arbeitsbelastung in Verbindung.
Recht auf Anerkennung?
Was ist zu tun? Lege die (unbewusste) Erwartung ab, dass Kollegen den Fleiß sehen oder Chefs Zusatzaufträge wertschätzen. Dafür sind sie nicht da. Niemand hat ein Recht auf Anerkennung. Nicht einmal humanitäre Einrichtungen wie Kirchen oder NGOs sind "Wertschätzungsautomaten". Wer das erwartet, macht sich unglücklich und wird demotiviert. Äußere Wertschätzung kann niemals eine fehlende innere Wertschätzung ersetzen, weil man selbst nicht daran glaubt, was Chefs oder Kollegen zu einem sagen. Stattdessen ist es besser zu akzeptieren, dass mit der Bezahlung die Wertschätzung abgegolten ist.
Die nächste Falle ist zu erwarten, dass der Arbeitsplatz sicher ist. Selbst in Zeiten, in denen Fachkräfte fehlen, gibt es keine Arbeitsplatzgarantie. Der Koch eines Restaurants kann noch so ein netter Kerl sein. Wenn er schlecht kocht und die Gäste ausbleiben, wird ihm sein Chef kündigen. Anders ist es in Familien. Der Mensch ist hier wichtiger als die Funktion. Niemand käme auf die Idee, Mama auszutauschen, nur weil sie das Auto nicht reparieren kann.
Chronisch unzufrieden und damit Burn-out-Gefährdete wünschen sich oft, dass es gerecht zugeht. Dabei ist Gerechtigkeit eine Frage des Betrachters. Der persönliche Standort entscheidet, ob wir etwas als gerecht oder ungerecht empfinden. Menschen beschweren sich gerne über ihren niedrigen Arbeitslohn. Können aber ohne große innere Hemmungen beim Textildiscounter Shirts für drei Euro kaufen, deren Preis nur durch unmenschliche Arbeitsverhältnisse in Asien und Afrika möglich ist.
Sinn und Gerechtigkeit im Job?
Wer Gerechtigkeit am Arbeitsplatz erwartet, erntet Anlässe, um sich aufzuregen. Das wiederum behindert einen in der Leistung oder man fühlt sich vernachlässigt. Ähnlich sieht es mit Sinn am Arbeitsplatz aus. Auch wenn es modern erscheint, kein Arbeitgeber, nicht einmal die caritativen sind für die Sinnerfüllung des Einzelnen verantwortlich. Wer das erwartet, schlüpft in die Opfer-Rolle und gibt Verantwortung an Gesellschaft oder den Arbeitgeber ab.
Wer etwa bei einer sozialen Einrichtung arbeitet, mag das nicht glauben. Weil ja gerade diese damit werben, Sinn zu stiften. Doch zeigt sich im Alltag, dass nie alles sinnvoll sein kann, was Unternehmen wünschen. Jedoch ist der eigene Tag voll von Gelegenheiten, um Sinn zu stiften oder gerecht zu sein. Die besten Gelegenheiten bieten sich im vollen Kontakt mit Kollegen und Kunden. Das geht ganz einfach: Höre zu und gib den Menschen das Mitgefühl, das sie benötigen. Alle genannten seelischen Bedürfnisse wie Sinn, Sicherheit und Wertschätzung, die wir ins Außen verlagern, lassen uns von äußeren Faktoren abhängig werden, aber diese sind unkontrollierbar.
Prophylaxe gegen Burnout
Um vital, motiviert und gesund zu bleiben, sollten wir unser Wohlbefinden nicht an Illusionen und Hoffnungen im Außen knüpfen. Das ist die wirksamste Burn-out-Prophylaxe.
So geht´s: Seelische Selbstregulation stärken:
Wenn etwas schiefgeht, kann ich das Scheitern bedauern, traurig sein. Ohne mich scharf zu verurteilen und mir heftige Vorwürfe zu machen.
Ich kann mir verzeihen, weil ich nicht perfekt sein muss. Mein Selbstwert speist sich von innen heraus und nicht durch das Lob im Außen.
Passiert ein Fehler, bin ich neugierig herauszufinden, wieso er geschehen ist. Ich gehe dem nach, ganz ohne Stress.
Ich kann klare Grenzen setzen. Ich weiß, wann ich Nein sagen will. Ich muss mich nicht immer wieder abgrenzen.
Abschalten gelingt nach der Arbeit problemlos, wenn andere Impulse wahrnehmbar werden. Das sorgt für den inneren Ausgleich.
Mein Selbstwert hängt nicht primär am Erreichen (beruflicher) Ziele.
Innere Freiheit lässt mich Alternativen finden und ich habe Freude daran, mich zu entwickeln. Ich möchte meine Talente leben.
Macht, Geld oder Bewunderung sind Ersatzbedürfnisse, die ich für mich als solche enttarnt habe.