iSCM-Analyse - die Perspektive für die Distributon 2023

Die Zukunft der zweistufigen Distribution



Dr. Rudolf Aunkofer ist Direktor am Institut für Information & Supply Chain Management (iSCM) der Hochschulie für angewandtes Management in Ismaning bei München.
Der Channel ist im disruptiven Wandel und erfindet sich neu: Systemhäuser werden sich aufgrund von Technologie- und Nachfragewandel in allen Kundensegmenten zu Managed Service Providern transfomieren müssen. Das wird auch für die Distribution Folgen haben.
Rudolf Aunkofer, iSCM Instiitue, analysiert für ChannelPartner alljährlich die Distributionslandschaft. so auch 2022.
Rudolf Aunkofer, iSCM Instiitue, analysiert für ChannelPartner alljährlich die Distributionslandschaft. so auch 2022.
Foto: Tschepe/ChannelPartner

Das zweistufige Distributionsmodell ist in Deutschland wie auch in den meisten europäischen Ländern seit drei Jahrzehnten etabliert wie erfolgreich. Seit Beginn der Digitalisierung in den 1980er Jahren hat sich der Direktanteil, also der Anteil des Umsatzes den Hersteller direkt mit dem Channel realisieren, in nahezu allen Produktkategorien signifikant reduziert. Der Umsatzanteil der Distribution am Gesamtmarkt ist in Konsequenz deutlich auf heute bis zu 80 Prozent gestiegen.

Die Distribution profitierte somit über drei Jahrzehnte von diesem "Verlagerungs-Effekt". Das Wachstumspotential der Distribution addierte sich immer aus zwei Komponenten - dem allgemeinen Marktwachstum und dem Wachstum, das aus der Verlagerung des "Sell-In in den Channel" vom Hersteller hin zur Distribution resultierte. Ursächlich für beide Wachstumskomponenten waren vier Haupt-Faktoren, die Informationstechnologie bis heute prägen und in Zukunft weiter prägen werden:

  • Miniaturisierung und Erschließung weiterer, neuer Anwendungsbereiche

  • Kosten- und damit verbundene Preisreduktion von Produkten & Services

  • Ease-of-Use | Plug-und-Play bzw. das Reduzieren/Entfallen von Installationsaufwand sowie

  • die damit verbundene, Moore's Law folgende, exponentielle Entwicklung von Rechenleistung

Hauptsächlich für börsennotierte Hersteller war die wenig Margen bringende Logistik und die Betreuung einer Vielzahl von dezentral zu adressierenden Endkunden bilanztechnisch wenig attraktiv. Tarifvertragliche bedingte, vergleichsweise hohe Gehälter und begrenzte organisatorische Flexibilität machten die Adressierung des Channels über Distribution so auch für Hersteller zu einem lukrativen Geschäft.

Zudem hatte dieses kooperative Geschäftsmodell "Hersteller-Distribution" aus Sicht der Kunden/des Channels, eine Reihe von Vorteilen wie u.a. einfaches vergleichen von Preisen, günstige Einkaufspreise durch anbieterseitigen Preisdruck, einfache Bestellabwicklung oder Verlagerung der Lagerhaltung in die Distribution.

Dies erklärt die Herausforderung vor der Distribution heute steht - die Wachstumskomponente aus der Verlagerung des "Sell-In in den Channel" ist nur noch bedingt existent. Im Gegenteil, einzelne Hersteller versuchen diese Entwicklung teilweise zu revidieren bzw. bei Cloud-Services aktuell nicht eintreten zu lassen.

Game-Changer Cloud

Pandemie & Lockdown haben in Deutschland einen Paradigmenwechsel hervorgerufen und Mittelstand wie Großkunden einen ungeahnten wie epochemachenden Innovationsimpuls gegeben. Worüber Berater & Consultants noch kurz zuvor unter dem Stichwort "Disruption" i.d.R. theoretische Empfehlungen und viele gute gemeinten Ratschläge abgegeben haben, wurde nun in einem weitaus größeren Maße Realität, als dies von dem eben genannten Augurenkreis selbst in kühnen Statements prognostiziert wurde. Die Bereitschaft die aufgebaute und vorhandene Netzwerkinfrastruktur in allen betrieblichen Bereichen zu nutzen, wurde zum GameChanger in den letzten beiden Jahren.

Großunternehmen, die bereits seit Jahren gewohnt waren, Private wie Public Cloud zu nutzen, bauten diese Nutzung weiter aus. Über 80 Prozent der Großunternehmen nutzen Public Cloud mittlerweile auch für unternehmenskritische Anwendungen. Die den Channel massiv verändernde Gegebenheit ist allerdings der Trend aus dem Mittelstand. Hier nutzen mittlerweile knapp 50 Prozent der Mittelständler ausschließlich Public Cloud für unternehmenskritische Anwendungen.

Der Mittelstand, das Hauptklientel Tausender von Systemhäusern, hat Lockdown-bedingt und in Ermangelung an Alternativen binnen sehr kurzer Zeit eine 180-Grand-Trendwende vollzogen. Die Prämisse "on-premises" wurde aufgegeben. Dem folgend wurde der Channel und die Distribution mit einer gestiegenen Nachfrage an Hardware konfrontiert, um mobiles, Cloud zentriertes Arbeiten zu ermöglichen. Parallel wurden bestehende Prozesse in die Cloud verlagert und neue begonnen, mit der Prämisse "Cloud First" aufzubauen. Dem folgend zeigt sich die heutige Nachfragesituation im Channel.

Einerseits Backlog in punkto IT-Hardware, um unternehmensweites und auf Dauer angelegtes mobiles Arbeiten zu ermöglichen, andererseits verstärktes Investment in Could Services und hierfür erforderliche (hybride) Infrastruktur. Hierdurch entsteht neue Nachfrage nach Beratung, Services, Projekt- oder Transformations-Management. Der Channel wandelt sich nachfragebedingt, das Systemhaus wird Schritt für Schritt zum Managed Service Provider.

Transformation der Systemhäsuer zu Managed Service Providern (MSP)

Dieser Wandel wird - wenngleich zeitlich versetzt - die gesamte Distribution in Deutschland erfassen. Klassische Hardware wird auf absehbare Zeit weiter eine zentrale Komponente im Distributionsgeschäft bleiben. Unter dem Aspekt "Effizienz" und der damit verbundenen Reduzierung der Einkaufsquellen, wird Sortimentsbreite an Bedeutung gewinnen. Dies wird zu weiterer Konzentration, d.h. Unternehmenszusammenschlüssen und -übernahmen in der Distribution führen. Der Faktor "Sortimentsbreite" ist klassischer Wettbewerbsvorteil von Broadline- wie Vollsortiment-Distribution. Ein Faktor also, an dem die Spezial- & Value-Add Distribution arbeiten kann und sollte, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.

Es zeigen sich erste, aber deutliche Anzeichen des Wandels am Horizont. Bei dem Ranking des Produkt- & Service-Angebots der Distribution nach Wichtigkeit zeigt sich dies deutlich in der Abbildung:

BU: Die Anforderunge des Channels an die Distribution ändern sich derzeit besonders stark.
BU: Die Anforderunge des Channels an die Distribution ändern sich derzeit besonders stark.
Foto: iSCM Institut

(1) Technische Beratung

(2) Software | Lizenzen

(3) Technischer Support

(4) Cloud Services und

(5) Managed-Services

Alles Eigenschaften, mit denen sich vor allem Spezial- & Value-Add Distribution gegenüber dem Channel positionieren, belegen die ersten fünf Plätze des Rankings. Ein Vorteil, den es zu nutzen und auszubauen gilt, um der stattfindenden Reduzierung der Anzahl der Distributoren, von denen der Channel regelmäßig Produkte und Services bezieht, entgegenzuwirken. Broadline- und Vollsortiment-Distribution werden ihre Internationalität und Größenvorteile nutzen, um das Thema "Cloud" für ihr breites Hersteller-Portfolio dem Channel gegenüber gebündelt anzubieten und dadurch deutlich mehr Value-Add anbieten, als dies heute der Fall ist. Der Transformationsprozess in Richtung "Managed Service Provider" ist weder aufzuhalten noch umzukehren. Die aktuellen TOP5-Kriterien zeigen die epochale Änderung, die aus dem Channel auf die Distribution zukommen.

Distribution befindet sich im epochalen Wandel

Die Art des Verkaufens wird sich für die Distribution weiter entwickeln: Service-Driven-Selling, (Basic) Consultancy, Pay-as-you-Use-Konzepte, Hybrid-Infrastructure im Kontext von New Work sind nur einige Schlagworte, die die kommenden Jahre prägen werden. Auch klassische Hardware wird branchenübergeifend mehr und mehr in diesem Kontext bzw. vereinfacht im Kontext "Cloud & Vernetzung" nachgefragt werden. Hardware wird noch mehr als in der Vergangenheit "Mittel zum Zweck", ihre Anschaffung erfolgt weitaus stärker im Kontext ihrer konkreten Nutzung. Je weiter eine Branche in punkto Digitalisierung/Vernetzung fortgeschritten ist, desto zeitnaher wird der Channel und die ihn beliefernden Distributoren mit der Situation konfrontiert werden. Distribution wird mit dem Channel eine neue Symbiose eingehen müssen - und selbstredend, vice versa!

Das Anforderungsprofil an die Distribution wird sich drastisch wandeln, weg von Marketing und (teilweise auch) Vertrieb, hin zu technischem Support und Know-how sowie Managed Services & Cloud. Der Channel wird in weiten Bereichen nur in der Lage sein 1st Level Support und begrenzt, 2nd Level Support zu leisten. Distribution wird sich daher - in Ergänzung zu ihrem bestehenden Geschäft - verstärkt auf 2nd Level Support fokussieren müssen, um ihre Relevanz zu behalten. Entsprechendes Know-how ist bei Mitarbeitern aufzubauen, technische Systeme sind anzupassen.

All dies kommt vor dem Hintergrund gegenwärtiger Strukturen einem epochalen Wandel in der Distribution gleich, den es zu gestalten gilt. Für das zweistufige Distributionsmodell startet ein neuer Produkt- wie Marktzyklus "Cloud & Vernetzung" der den Zyklus der vergangenen Jahrzehnte "Digitalisierung & Ausstattung" ablöst. Ob Ende oder ob Anfang ist eine Frage der Perspektive, Die Branche sollte auf die neuen Möglichkeiten des "Anfangs" fokussieren und diese nutzen. Es stehen weitere drei Jahrzehnte voller Innovation und neuen Geschäftsmöglichkeiten vor uns. Das zweistufige Distributionsmodell ist auch hierfür bestens geeignet.

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