Ein Gutteil der Belege, die derzeit in der Buchhaltung des in Hamburg beheimateten Systemhauses Comline AG anfallen, dürften dem Posten Reisekosten zuzuschlagen sein. Denn im Hause Comline ist man derzeit viel unterwegs. Das hat einen Grund: Mitte August vorigen Jahres feierten die damalige Karlsruher Comics Holding GmbH, ein im Microsoft- und Intel-basierenden Cient-/Server-Geschäft groß gewordenes Haus, und die Hamburger Comline Computer + Softwarelösungen AG - traditionell im Highend-Unix-Umfeld tätig - Hochzeit.
Schmerzlich: neue Strukturen eingezogen
Der Zusammenschluss katapultierte das neue Unternehmen in die Top Ten der Systemhauslandschaft (siehe auch Sonderheft ComputerPartner Compact 2002 oder unter www.computerpartner. de/extras). Von da an galt es zusammenzubringen, was zusammengehören soll. Absicht ist es, die beiden Kernkompetenzen zu bündeln, um so der Kundschaft ein erweitertes Leistungsangebot feilbieten zu können. Und das heißt eben auch: viel unterwegs sein. Denn die beiden "Lager" müssen sich beschnuppern, sich gegenseitig kennen lernen und viel miteinander reden, um herauszufinden, was gemeinsam künftig möglich und machbar ist.
In den ersten Monaten nach der Vermählung galt es, die beiden Unternehmen an ihren zehn Standorten in Deutschland miteinander datentechnisch zu verzahnen und die Organisation dem neuen Marktauftritt anzupassen. Rund 100 Mitarbeiter mussten in dieser Phase ihren Hut nehmen, vor allem die Führungsriegen und die Verwaltung wurden kräftig ausgedünnt. Jetzt stehen noch rund 360 Mitarbeiter auf der Gehaltsliste von Comline.
Auch der Vorstand präsentiert sich seit Ende Januar 2003 in verminderter Personenzahl. Drei statt bisher fünf Mitglieder umfasst die "oberste Heeresleitung" nunmehr. Comics-Mitgründer Ralf-Ulrich Kaste ist für das Marketing und den Vertrieb zuständig, Kay Hradilak verantwortet die Finanzen, und sein Kollege Ralf Schäfer kümmert sich um den Geschäftsbereich Service. "Natürlich gab es in der Zeit der Restrukturierung und Integration der Comics viele Widerstände und Grabenkämpfe. Aber das war nicht anders zu erwarten. Wir mussten bei den vielen doppelt besetzten Führungsposten eben eine Entscheidung treffen. Der jeweils Bessere sollte dabei gewinnen", blickt Kaste im Gespräch mit ComputerPartner zurück.
Als angespannt, aber konzentriert umschreibt Comline-Manager Kaste die derzeitige Stimmungslage im Unternehmen. "Ich bin sicher, dass sich vieles noch bessern wird, denn wir haben in letzter Zeit einige sehr gute Projekte gewonnen, und wir nehmen uns viel Zeit, um möglichst oft an den einzelnen Standorten selbst präsent zu sein, um Rede und Antwort zu stehen", ergänzt sein Vorstandskollege Hradilak.
Vertriebsmannschaft muss umlernen
Stolz sind die Unternehmenslenker darauf, dass sie es trotz einiger Unkenrufe aus den eigenen Reihen zeitgerecht geschafft haben, das gemeinsame SAP-System so zu verdrahten, dass die hausinterne ERP-Anwendung nach eigenen Angaben an allen Standorten rund läuft, Aufträge können erfasst und Rechnungen ausgedruckt werden können. "Jetzt ist es an der Zeit, unsere Vertriebsmannschaft noch mehr als bisher auf den lösungsorientierten Verkaufsansatz zu trimmen", beschreibt der Wahlberliner Hradilak die nächsten Schritte. "Gerade in der jetzigen Wirtschaftslage ist es immens wichtig, den Kunden mit Kosten- und Kompetenzansätzen zur Seite zu stehen. Über den reinen Produktverkauf ist derzeit kaum was zu machen."
Grob gesagt bedeutet das, dass für einen früheren Comics-Vertriebler Unix nicht länger ein Fremdwort sein darf und umgekehrt der Comline-Verkäufer beispielsweise beim Thema NT-Rollout nicht mit der Schulter zucken sollte. Angereichert werden soll diese Kompetenz noch mit einer guten Portion Analyse- und Beratungsfähigkeit. "Wir müssen den Kunden aktiv helfen, Einsparungs- und Optimierungsmöglichkeiten innerhalb ihrer Geschäftsprozesse ausfindig zu machen. Nur wenn wir das den IT-Verantwortlichen deutlich machen können, sind sie auch bereit, dafür Gelder locker zu machen", will Hradilak wissen.
Organisches Wachstum angestrebt
Schließlich und endlich spiegelt dieser Ansatz konsequenterweise den Sinn und Zweck der Fusion wider, dem Kunden nunmehr das gesammelte Know-how aller vereinten Geschäftsfelder anbieten zu können. "Deshalb darf unser Vertrieb nicht länger an der Leine der Hersteller hängen und nur gerade das verkaufen, was diese für wichtig halten", schiebt Kaste nach. Dennoch möchte man sich gegenüber den Lieferanten als verlässlicher und loyaler Partner verstanden wissen. Die Zusammenarbeit mit den wichtigsten Herstellern soll sogar noch stärker ausgebaut werden. "Unsere Partner sollen wissen: Wir werden nicht wildern gehen", hebt Kaste hervor.
Läuft alles nach Plan, erwartet die Systemhausgruppe für 2003 einen Umsatz, der sich in etwa auf Vorjahresniveau bewegen wird. 2002 lag dieser bei etwa 155 Millionen Euro. Ein Wachstum - sollte es eines geben - wird dann nur organischer Natur sein. Denn nach Auskunft der beiden Comline-Obersten sind derzeit keine Firmenzukäufe geplant. Gegenüber ComputerPartner bringen die Vorstände aber auch klar zum Ausdruck, dass sie keinerlei Handlungsbedarf sehen, einen Standort zu schließen. "Jetzt sind wir in den wichtigsten Wirtschaftsregionen Deutschlands vertreten. Und jede Niederlassung bietet ausreichend Potenzial für weiteres Wachstum", lautet die Antwort unisono.
www.comlineag.de
ComputerPartner-Meinung
"Um Ihnen auch in Zukunft als zuverlässiger Partner mit innovativen Produkten und Dienstleistungen zur Verfügung stehen zu können, ist eine klare Unternehmensstruktur und Positionierung im Markt mehr denn je von großer Bedeutung. Durch unser ganzheitliches Konzept ist die neue Comline hierbei auf dem besten Weg. (...) Dabei wurden aus beiden Firmen die besten Lösungen und Leistungen zusammengeführt." So lautet auszugsweise das Vorwort der Vorstände in der ersten Ausgabe der Kundenzeitschrift. Herausgestellt werden soll somit der viel beschworene Synergieeffekt, den sich die mit großer Euphorie fusionierten Systemhäuser versprechen. Das könnte sich im Falle von Comline tatsächlich bewahrheiten. Überschneidungen beim Produktportfolio gab es kaum, im Gegenteil. Die Ergänzung macht Sinn, das dürfte Mitarbeitern wie Kunden klar zu vermitteln sein. Die Unternehmensführung gibt sich Mühe, die künftige Marschrichtung klar zu umreißen und die Ziele vorzugeben. Die Chancen, sich in der Systemhauslandschaft als feste Größe zu etablieren, stehen nicht schlecht. (cm)
Facts & Figures
Ralf-Ulrich Kaste und sein Kompagnon Christian Müller legten 1988 den Grundstein der Comics Holding GmbH in Karlsruhe. Das Systemhaus hat sich vor allem auf das Client-/Server-Geschäft auf Wintel-Plattformen fokussiert. Zudem rief Comics später die beiden Tochterunternehmen Systeam Software Schulungs GmbH und die auf SAP- sowie Navision-Lösungen spezialisierte B.i. Team Gesellschaft für Softwareberatung GmbH ins Leben.
Rund zwei Jahre jünger ist die Firmengeschichte der in Hamburg beheimateten Comline Computer + Softwarelösungen AG. Die Hanseaten verstehen sich vorwiegend auf das Highend-Unix-Business.
Im August 2002 kommt es zur Fusion der beiden Systemhäuser, der Name Comline wird übernommen. Das Unternehmen betreibt mit seinen rund 360 Mitarbeitern in Deutschland zehn Filialen in Hamburg (Hauptsitz), Hannover, Berlin, Ratingen, Wiesbaden, Frankfurt, Karlsruhe, Stuttgart, Neu-Ulm und München. In der Schweiz ist die Systemhausgruppe am Standort Zürich vertreten. Den Umsatz 2002 beziffert das Unternehmen auf 155 Millionen Euro.
Den Vorstand stellt das Triumvirat Ralf-Ulrich Kaste (Marketing und Vertrieb), Kay Hradilak (Finanzen) und Ralf Schäfer (Service). Die Mehrheit an der Comline AG hält mit nach eigenen Angaben rund 70 Prozent die Dr. Schmidt AG & Co. mit Sitz in Berlin. Der mittelständische Investor ist traditionell im Marktsegment Bau und Baustoffe tätig. (cm)
www.comlineag.de; www.drschmidt-ag.de