Stand-by, Line-Interactive und Online - das waren bislang die Zauberworte, die einer unterbrechungsfreien Stromversorgung (USV) ihre primären Eigenschaften beimaßen. Mit fortschreitender technischer Entwicklung erwies sich diese Klassifizierung jedoch als nicht mehr differenziert und präzise genug.
Die Hersteller versuchten daher in den letzten Jahren, mit der Erfindung neuer Begriffe und Klassifizierungen gegenzusteuern. Was dabei herauskam, war allerdings lediglich ein schier unüberblickbares Chaos.
Das International Engineering Consortium (IEC) schob dem Wildwuchs der Begriffe letztes Jahr mit der Norm IEC 62040-3 einen Riegel vor und schuf ein Klassifizierungsschema, in dem auch künftige USV-Technologien ihren eindeutigen Platz finden. Mittlerweile beginnen die Hersteller auch, die neuen Auszeichnungen bei ihren Produktangeboten anzuwenden.
Grobraster
Noch sind die USV-Klassifikationen nach IEC 62040-3 den Interessenten von USV-Systemen nicht wirklich geläufig. Immerhin, die Hersteller haben inzwischen angefangen, sie und die damit verbundene IEC-USV-Norm auf breiter Basis einzuführen.
Die meisten tun dies allerdings bislang in der Light-Version, die nur die erste von insgesamt drei Stufen der Norm berücksichtigt. Sie behandelt die Abhängigkeit des USV-Ausgangs vom Eingang, also dem Netzstrom. In dieser Stufe gibt es drei Kategorien, die weitgeh- end der alten Klassifizierung mit Stand-by, Line-Interactive und Online/Double-Conversion entsprechen.
Die zweite und dritte Stufe der IEC-Norm definieren zum einen die Spannungskurvenform, zum anderen die dynamischen Toleranzkurven des USV-Ausgangs. Die ebenfalls jeweils drei Werte dieser Stufen dienen zur genaueren Klassifizierung der USV, wofür sich die Hersteller in der Vergangenheit eben oft eigene und willkürliche Beschreibungen haben einfallen lassen. Aus ehemals drei Argumenten zur Beschreibung der Eigenschaften einer USV sind also jetzt insgesamt neun geworden, verteilt auf drei Stufen.
Einstufungskriterien
Grundsätzlich beurteilt die IEC-Norm ausschließlich, was in Abhängigkeit des Eingangs am Ausgang herauskommt. Relevant ist also lediglich, welche Spannungsqualität sich unter bestimmten Betriebsbedingungen an der Versorgungsdose ergibt. Welche Technologien dabei letztlich zum Einsatz kommen, lässt die Norm außen vor.
Da sich an den zehn Netzstörungen, die auf den Eingang einwirken können, auch in Zukunft nichts ändern wird, ist die Norm nicht dem Wechsel technologischer Errungenschaften ausgesetzt. Noch wichtiger: Alle zehn Netzstörungen lassen sich eindeutig den Eigenschaften der USV-Klassen zuordnen.
Anhand der neuen USV-Norm kann der Anwender also genau bestimmen, wogegen ihn seine neue Stromversorgungsanlage schützen soll. Im IT-Sektor geht es dabei um den Schutz vor Datenverlusten und Systemschäden durch:
- Stromausfälle,
- Spannungseinbrüche (Schwankungen),
- Spannungsstöße,
- Unterspannung,
- Überspannung,
- Blitzeinwirkungen,
- Schaltspitzen,
- Störspannungen,
- Frequenzänderungen und
- harmonische Oberschwingungen.
Blitzeinwirkungen und Schaltspitzen sind sich sehr ähnlich. In Auflistungen von möglichen Netzstörungen werden sie daher oft zusammengefasst.
IEC 62040-3, Stufe 1
Erstes und wichtigstes Kriterium dafür, welche der vorstehend genannten Störungen durch die USV aufgefangen werden können, ist die Stufe 1 der IEC-Norm. Sie unterscheidet die drei Klassen:
1 - VFI (Voltage and Frequency Independent from mains supply; unabhängig von Frequenz und Spannung)
2 - VI (Voltage Independent from mains supply; nur von der Spannung unabhängig) und
3 - VFD (Voltage and Frequency Dependent from mains supply; sowohl von der Spannung als auch der Frequenz abhängig)
Klasse 1 nach IEC 62040-3 entspricht etwa den bisher gängigen Bezeichnungen Online, Double-Conversion, Dauerbetrieb oder Dauerwandler und schützt gegen alle zehn genannten Spannungsprobleme.
VFI gilt damit als umfassender Schutz für unternehmenskritische Bereiche wie große Netzwerke, Rechenzentren, Server, Großrechner, große Telefonanlagen, Rauchgasentsorgung, Sicherheitselektrik oder Ähnliches.
Klasse 2 und 3
Die Klasse 2 der Stufe 1 nach IEC-Norm hieß früher Single-Conversion, Delta-Conversion, Line-Interactive oder aktiver Mitlaufbetrieb. Sie schützt gegen die ersten fünf der genannten Spannungsprobleme (Stromausfall, Spannungseinbrüche, Spannungsstöße, Unter- und Überspannung). Für kleine Netzwerksysteme in Büroumgebungen, einzelne Server und Workstations, kleine bis mittlere Telefonanlagen, Laborsysteme etc. ist die Klasse VI oft die passende Wahl. Entsprechende Geräte sind in der Regel deutlich preisgünstiger als VFI-Geräte. Noch günstiger sind USVs der Klasse 3 nach 62040-3-Norm. VFD kennen Anwender noch unter den Bezeichnungen Offline, Stand-by, Bereitschaftsbetrieb oder passiver Mitlaufbetrieb. Allerdings schützen solche Geräte nur gegen Stromausfall, Spannungseinbrüche und Spannungsstösse. Typische Einsatzbereiche sind Einzelarbeitsplätze in einer Büroumgebung, kleine Telefonanlagen, Heimarbeitsplätze und Ähnliches.
IEC 62040-3, Stufe 2
Ein für den Verbraucher wichtiges Kriterium, das in der Stufe 1 der IEC-Norm (und damit auch durch die klassische USV-Typisierung) noch nicht eindeutig definiert ist, betrifft die Form der Spannungskurven. Genau darum kümmert sich die Stufe 2 der neuen Klassifizierung - in Form einer groben Einteilung in die drei Wertebereiche.
Der Code für diese Einstufung besteht aus zwei Großbuchstaben. Der erste Buchstabe betrifft das Verhalten bei Normalbetrieb, der zweite das bei Batteriebetrieb. Das angestrebte Ideal für den Ausgang ist eine reine Sinuskurve. Erfüllt eine USV hier die Klasse 1 ("S"), muss sie den Verzerrfaktor bei allen linearen und nicht linearen Referenzlasten kleiner als 0,08 halten.
"X" bedeutet, dass der Grenzwert von 0,08 nur bei linearer Referenzlast eingehalten werden kann. Steht hier ein "Y", gibt die USV keinerlei Garantien für die Form der Ausgangskurven. Diese können somit auch trapez- oder rechteckförmig sein.
Die ideale USV trägt also die Stufe-2-Kennung "SS". Allerdings ist der Aufbau einer Leistungsausgangsstufe für ein Sinussignal deutlich kostspieliger als beispielsweise für eine Trapezausgangsform. Daher erreichen die preiswerteren VI- und vor allem VFD-Modelle bauartbedingt nur ein "SX" oder "SY".
IEC 62040-3, Stufe 3
Ein noch genaueres Bild der Ausgangskurven einer USV liefert der dreistellige Code der Stufe 3 der IEC-Norm, welche die dynamischen Toleranzkurven des Ausgangs definiert. Der Wert wird als "nnn" dargestellt, wobei n jeweils einen Wert zwischen 1 (strengste Toleranzvorgabe, keine Unterbrechung) und 3 (schwächste Toleranzvorgabe, Unterbrechung bis zu 10 ms) annehmen kann.
Die erste Ziffer beschreibt das Verhalten bei Änderungen der Betriebsart (zum Beispiel den Wechsel zwischen Netzbetrieb - Batteriebetrieb - Bypass-Betrieb), die zweite das bei Lastsprüngen mit linearer Last sowohl im Netz- als auch im Batteriebetrieb und die dritte Ziffer das bei Lastsprüngen mit nichtlinearer Last, ebenfalls im Netz- und im Batteriebetrieb. Der bestmögliche Wert ist hier demnach "111".
Abhängigkeiten
Die drei Stufen der IEC-Norm sind nicht völlig losgelöst voneinander zu betrachten. So wird eine USV, die in Stufe 1 als VFD zu bewerten ist, bei Stufe 3 prinzipbedingt niemals "111" erreichen, da zumindest das Umschalten von Netz- auf Batteriebetrieb eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt.
Da VFD-Geräte meist auch relativ preiswert konstruiert sind, erreichen sie in Stufe 3 in der Regel sogar nur eine "333". Auch etwas aufwändigere USVs vom VI-Typ erreichen in der Praxis nie die Bestnote in Stufe 3. Typisch sind diese Modelle als "122" spezifiziert. Nur der VFI-Klasse bleibt somit die Einhaltung der strengen Toleranzen in Stufe drei mit "111" vorbehalten.
Aber VFI bedeutet deswegen noch lange nicht, dass die Geräte auch die Spitzennote in Stufe 3 erreichen. Deswegen gilt es besonders hier, also bei den klassischen Online-USVs, auf die Werte der Stufe 3 zu achten.
Weitere Quellen
In seiner vollständigen Form mit allen drei Stufen wirkt die IEC-Norm auf den ersten Blick komplex und schwer durchschaubar. Speziell zu Stufe 3 sind nähere Informationen auf dem deutschen Markt bisher spärlich gesät.
Eine gute Quelle, die auch genaueren Aufschluss über die dynamischen Toleranzkurven (Stufe 3) gibt, findet sich bei www.iec-normen.de (http://www.iec-normen. de) und auf der Website von Invensys Powerware (http://www.powerware.de) (Bereich Produkte).
Eine Hilfe beim Umgang mit der Norm ist die eingangs skizzierte Zuordnung der Stufe-1-Werte (und damit den prinzipbedingt möglichen Bestwerten der Stufen 2 und 3) zu den in der Praxis vorkommenden Spannungsstörungen.
Zusammenfassung
Wohl um den Anwender nicht gleich zu überfordern, konzentrieren sich derzeit viele USV-Hersteller auf die Stufe eins der Norm. Sukzessive ist jedoch in diesem Jahr zu erwarten, dass die Auszeichnung von USVs gemäß IEC-Norm vervollständigt wird. Mieke de Geyter, Produktmarketing Manager Power Europe bei Belkin (http://www.belkin.de), bringt es auf den Punkt: "Wir sehen in der Einführung der neuen USV-Klassifizierung eine enorme Erleichterung für die Endkunden, da es viel einfacher wird, das richtige Produkt für die Bedürfnisse eines jedes Einzelnen zu finden." Auch er erwartet jedoch, dass die alten Klassifizierungen noch eine Zeit lang parallel genutzt werden.
VFD: Funktionsprinzip
VFD-USVs (früher: Stand-by, Offline) versorgen die angeschlossenen Geräte über einen Spannungsspitzen-Unterdrücker sowie einen Störfilter durch die Eingangswechselspannung (AC). Parallel dazu laden sie einen Akkusatz, an den ein Wechselrichter angeschlossen ist.
Fällt die Spannung ab beziehungsweise aus, springt mittels eines elektromechanischen Relais der batteriebetriebene Inverter ein und übernimmt die Versorgung der angeschlossenen Last. Da diese Geräte vor allem im unteren Preissegment anzutreffen sind, ist die Ausgangsspannung typischerweise rechteckig oder trapezförmig (Stufe-2-Klassifizierung SY) und aufgrund des hohen USV-Innenwiderstands lastabhängig (Stufe-3-Klassifizierung 333). Von daher dürfen mit solchen USVs nur Verbraucher gesichert werden, die diese Spannungsform vertragen. Allerdings arbeiten die meisten EDV-Geräte mit einem Schaltnetzteil und erzeugen aus der Eingangsspannung zunächst eine gesiebte Gleichspannung. Daher arbeiten sie sehr tolerant und akzeptieren auch stark "verseuchte" Eingangsspannungen mit erheblichen Spannungs- und Frequenzabweichungen.
VI: Funktionsprinzip
Bei der VI-USV (früher: Line-Interactive) ist der DC/AC-Wechselrichter permanent mit dem Ausgang der USV-Anlage verbunden. Bei Normalbetrieb fließt der Ladestrom für die Batterie über den Wechselrichter. Fällt die Netzspannung aus, übernimmt die Batterie die Versorgung der angeschlossenen Verbraucher.
Durch die ständige Verbindung des Wechselrichters mit dem Ausgang ist die der VI-Klasse zugrunde liegende Line-Interactive-Technologie in der Lage, Netzstörungen auszufiltern.
Eine Verbesserung dieser Technik lässt sich erzielen, indem man zwischen Netz und Last einen zusätzlichen Transformator betreibt, dessen Windungsverhältnis zwischen Primär- und Sekundärseite in Abhängigkeit der Spannungs- und Lastschwankungen verändert wird. Dies geschieht elektromechanisch und schrittweise. Große Spannungsschwankungen am Eingang werden so weitgehend ausgeglichen.
Das Fenster für die zulässige Eingangsspannung fällt vergleichsweise groß aus und die Wellenform kommt einer sauberen Sinusspannung meist deutlich näher, als bei VFD-USVs.
VFI: Funktionsprinzip
Das der VFI-Klasse (früher: Online) zu Grunde liegende Dauerwandlerverfahren richtet die Netzspannung permanent gleich und invertiert sie wieder in eine Wechselspannung. Die Netzversorgung springt nur dann ein, wenn Batterie und Wechselrichter ausfallen sollten.
Diese Dauerwandlung sorgt für eine extrem hohe Filterwirkung. Die Ausgangsspannung erfährt beim schaltungsfreien Transfer von Netz- auf Batteriebetrieb und zurück keinen Abbruch, Einbruch und keine Schwankung.
Die Ausgangsspannung ist bei den meisten Geräten der VFI-Klasse sinusförmig und sehr stabil geregelt. Dafür sind allerdings aufwändige Wandler nötig, die den Gerätepreis deutlich in die Höhe treiben. Als weiteres Feature können diese USVs Überlastungen durch einen elektronischen Bypass abfangen. Dazu schalten sie die Eingangsspannung für die Dauer der Überlast direkt an den Verbraucher durch. Als Nebenwirkungen des Dauerwandlerbetriebs haben die VFI-Geräte eine permanente hohe Verlustleistung und eine dementsprechende Wärmeabgabe. Da die Leistungselektronik zudem ständig unter Last läuft, sind hierfür hochwertige Komponenten nötig. Spart der Hersteller hier am falschen Ende, leidet die Zuverlässigkeit überproportional stark.
Glossar
VI
Voltage Independent from Mains Supply. USV-Typisierung gemäß IEC 62040-3, Stufe 1. Bei solchen USV hängt nur die Frequenz am Ausgang vom entsprechenden Wert am Eingang ab, die Ausgangsspannung ist dagegen konstant. Geläufige Bezeichnungen für diese USV-Bauart sind auch Line-Interactive, Single-Conversion oder Aktiver Mitlaufbetrieb.
VFI
Voltage and Frequency Independent from Mains Supply. USV-Typisierung gemäß IEC 62040-3, Stufe 1. Bei solchen USV bleiben unabhängig von Spannung und Frequenz am Eingang die entsprechenden Werte am Ausgang konstant. Geläufige Bezeichnungen für diese USV-Bauart sind auch Online, Double-Conversion oder Dauerwandler.
VFD
Voltage and Frequency Dependent from Mains Supply. USV-Typisierung gemäß IEC 62040-3, Stufe 1. Bei solchen USV hängen Spannung und Frequenz am Ausgang von den entsprechenden Werten am Eingang ab. Geläufige Bezeichnungen für diese USV-Bauart sind auch Offline, Standby oder Passiver Mitlaufbetrieb.
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