Bislang kannte das Thema Internet of Things scheinbar nur einen Trend, und der ging stets nach oben. Gleiches gilt für den Einsatz von IoT-Merkmalen im Rahmen der Industrie 4.0. Dass der Siegeszug moderner Vernetzungskonzepte allerdings kein Selbstläufer ist, zeigt eine repräsentative Untersuchung des Marktforschungsinstituts Pierre Audoin Consultants (PAC) unter rund 130 IT-Entscheidern und Produktionsleitern mittelständischer Fertigungsunternehmen in Deutschland. Demnach sank der Industrie-4.0-Index der mittelständischen Fertigungsindustrie auf einer Skala zwischen 0 und 10 von 6,6 im Vorjahr auf aktuell 6,5. Zwar handelt es sich dabei nur um einen minimalen Rückgang. Bedenkt man jedoch, dass die befragten Unternehmen aus den federführenden Branchen Maschinen- und Anlagenbau, Automotive sowie sonstige Fertigung stammen, wiegen die Zahlen schon schwerer.
Bei PAC erklärt man sich den Rückgang - neben Faktoren wie den allgemein noch vorherrschenden begrifflichen Unsicherheiten - vor allem mit den unterschiedlichen Sichtweisen des Managements, der IT und der Produktion auf das Thema Industrie 4.0. Hier seien die Umfrageergebnisse teilweise recht unterschiedlich ausgefallen, betont das Marktforschungsinstitut. "In unserer diesjährigen Umfragewelle zur IT-Durchdringung des industriellen Mittelstands werden heterogene Sichtweisen in Bezug auf den Industrie-4.0-Megatrend evident", formuliert Stefanie Naujoks, Analystin bei PAC und Autorin der Studie, die im Auftrag der Freudenberg IT erstellt wurde, das Phänomen.
"Entscheidend ist, dass alle Abteilungen hinter dem Änderungsprozess stehen"
Während etwa die Produktionsleiter angaben, dass sie im Vergleich zum Vorjahr insgesamt mehr intelligente Produktionsanlagen und moderne Automatisierungslösungen einsetzen beziehungsweise ihren Einsatz planen, nähert sich offenbar ausgerechnet das Management dem Thema Industrie 4.0 nur vorsichtig an. "Das ist nicht genug", mahnt Horst Reichardt, CEO der Freudenberg IT. Denn bei Industrie 4.0 gehe es eben nicht nur um die Digitalisierung der Produktionstechnik, sondern um eine grundlegende Transformation der industriellen Wertschöpfung. "Wir brauchen dringend neue Managementansätze, Geschäftsmodelle und Regeln für ein verändertes Zusammenspiel zwischen Herstellern, Zulieferern und Kunden."
- Sechs Baustellen beim Internet of Things
Das Internet der Dinge beflügelt die Phantasien von Anwendern, Unternehmen und Technikanbietern. Bevor die schöne neue Welt des Internet of Things (IoT) Wirklichkeit wird, müssen zunächst einige Baustellen abgearbeitet werden. - Technik
Die meisten für das Internet der Dinge notwendigen Techniken gibt es bereits. Allerdings sind gerade im Umfeld von Analytics und Datenvisualisierungssoftware noch weitere Entwicklungen notwendig. Auch hinsichtlich der Energieversorgung beispielsweise von Sensoren in Containern, die über lange Perioden hinweg ohne ständige Wartungszyklen funktionieren sollten, gibt es noch einige Probleme zu lösen. - Interoperabilität
In vielen Fällen basiert der Mehrwert von IoT darauf, dass verschiedene Systeme zusammenarbeiten und Daten austauschen. Daher sind Standards und die darauf basierende Interoperabilität eine Grundvoraussetzung für das IoT. - Sicherheit
Im IoT geht es primär um Daten – oft um sensible Daten, die aus dem Privatbereich kommen oder geschäftskritisch für Unternehmen sind. Privacy und Security müssen daher gewährleistet sein. Darüber hinaus müssen die IoT-Systeme selbst abgesichert werden, gerade wenn es sich um kritische Infrastrukturen wie beispielsweise die Energieversorgung oder Verkehrsleitsysteme handelt. - Mitarbeiter müssen fit gemacht werden für das IoT.
Das reicht vom Verkaufspersonal, das mit smarten CRM-Systemen umgehen muss, über die Mitarbeiter im Büro bis hin zu den IT-Abteilungen. Mit dem IoT infiltriert IT ein deutlich breiteres Spektrum an Geräten. - Regeln und Gesetze
Für den IoT-Einsatz braucht es in einigen Bereichen neue Regeln. Das betrifft beispielsweise den Gesundheitsbereich, aber auch den Verkehr. Hier muss der Gesetzgeber aktiv werden und den Märkten einen neuen Rahmen geben. Gleichzeitig kann die öffentliche Hand dem IoT auch selbst zusätzliche Impulse geben, beispielsweise durch die Adaption der neuen Techniken.
Das sieht auch Matthias Edelmann vom Beratungsunternehmen Cocus so. "Industrie 4.0 und das Internet of Things müssen nicht nur strategisch angegangen werden und das gesamte Unternehmen umfassen, sondern das Management muss sich auch ganz klar positionieren und hinter den Änderungen stehen", erklärt Edelmann. Die Produktionsleitung oder die IT-Abteilung allein könnten keinen Umdenkprozess oder gar eine Umstrukturierung durchsetzen. "Hinzu kommt, dass in den einzelnen Unternehmen mitunter Welten aufeinander prallen. Das Management hat einen ganz anderen Blickwinkel und auch Verständnis vom Internet of Things als die IT-Abteilung", gibt Edelmann zu bedenken. Deshalb habe man sich bei Cocus so aufgestellt, dass die Berater mit ihrem Know-how vom Management bis zur IT alle Abteilungen abdecken. "Entscheidend ist letztlich, dass sämtliche Abteilungen hinter dem Änderungsprozess stehen und mit ihren jeweils eigenen Mitteln ein und dasselbe Ziel verfolgen", sagt Edelmann.
McKinsey sieht wirtschaftlichen Mehrwert von bis zu 11 Billionen Dollar im Jahr 2025
Glaubt man dem McKinsey Global Institute (MGI), steht dem Internet of Things eine goldene Zukunft bevor. Für seine Analyse "The Internet of Things: Mapping the value beyond the hype" untersuchte das Forschungsinstitut der Unternehmensberatung McKinsey & Company über 100 Anwendungsfelder in neun Bereichen. Das Fazit liest sich letztlich so, als sei das Internet of Things eine Goldgrube, die man nicht verfehlen kann. Demnach könne das Internet of Things einen weltweiten wirtschaftlichen Mehrwert von bis zu 11 Billionen Dollar im Jahr 2025 schaffen. Dies entspräche circa elf Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. Den potenziell größten Einfluss habe das Internet of Things in Fabriken (bis zu 3,7 Billionen Dollar wirtschaftlicher Mehrwert), Städten (1,7 Billionen Dollar) und im Gesundheitswesen (1,6 Billionen Dollar), verkündet McKinsey.
Diese Summen klingen umso schöner, wenn man die weiteren Studienergebnisse betrachtet. So sollen stolze 90 Prozent des gesamten Mehrwerts den Anwendern, sprich: den Unternehmen, die IoT-Anwendungen nutzen, sowie Verbrauchern zu Gute kommen. Als Beispiele werden günstigere Preise oder Zeitersparnis angeführt. "Derzeit stehen beim Internet der Dinge noch überwiegend konsumentennahe Produkte wie Smartwatches oder selbstfahrende Autos im Vordergrund", sagt Harald Bauer, Direktor im Frankfurter Büro der Unternehmensberatung McKinsey. "Langfristig bieten jedoch Business-to-Business-Anwendungen wie beispielsweise in der 'Industrie 4.0' oder in der digitalisierten Logistik noch größeres Potenzial", so Bauer weiter.
Auch ein dickes Minus ist möglich
Dass selbst das Internet of Things und Industrie 4.0 keine kompletten Selbstläufer sind und zwangsläufig zu Milliarden-Gewinnen führen, gesteht letztlich aber auch McKinsey ein. Und so lautet deren Tipp, dass Hardwarehersteller, Anwender sowie Politik und Gesellschaft - um den vollen wirtschaftlichen Mehrwert durch IoT-Anwendungen auszuschöpfen - Handlungsfelder wie Technologie, Datensicherheit, Organisation sowie Regulierung bearbeiten sollten. Im Bereich Technologie müssten beispielsweise die Hardwarekosten für RFID-Chips und für Datenspeicher weiter sinken und gleichzeitig die verschiedenen IoT-Systeme durch gemeinsame Standards besser zu verknüpfen sein. Sonst könnten 40 Prozent des potenziellen Mehrwerts verloren gehen.
Dass Unternehmen mit den falschen Entscheidungen auch komplett danebenliegen können und am Ende kein Mehrwert steht, sondern eventuell gar ein dickes Minus, wird nicht erwähnt. Präziser wäre es wohl, zu sagen, dass man als Unternehmen mit dem Internet of Things und Industrie 4.0 viel Geld einsparen beziehungsweise machen kann, aber auch vieles falsch, wenn man die Themen nicht richtig oder zu spät angeht. Eine Goldgrube, die man nicht verfehlen kann, sind sie sicherlich nicht. (bw)