Hausmesse Open World

Oracle legt alte Feindbilder ad acta – und schafft sich neue

Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.
Eigentlich würde Oracle seine Kunden gern komplett in die eigene Systemwelt ziehen. Doch selbst der so charismatische wie egomane Gründer und Hauptaktionär Larry Ellison macht inzwischen Kompromisse.
 
  • "SAP hat keine Cloud-Anwendungen, sondern Hosted Applications", ätzt Oracle-Gründer Ellison
  • Unter der Bezeichnung „Analytics for Fusion“ bietet Oracle vorkonfigurierte Analytics-Pakete an
  • Natürlichsprachige Kommunikation wird für Oracle ein Thema
Auch im gesetzten Alter lässt sich Oracle-Gründer Larry Ellison nicht von Sticheleien gegen die Konkurrenz abhalten.
Auch im gesetzten Alter lässt sich Oracle-Gründer Larry Ellison nicht von Sticheleien gegen die Konkurrenz abhalten.
Foto: Oracle

Die "Autonomous Database" ist nur der erste Schritt, so Oracles Big-Data-Stratege Paul Sonderegger. Die zweite Stufe hat das Softwareunternehmen nun auf der diesjährigen "Open World" gezündet: Es stellte ein mit Red-Hat-/IBM-Linux binärkompatibles, offenes Betriebssystem vor, genannt "Oracle Autonomous Linux". Es soll das manuelle Betriebssystem-Management überflüssig werden lassen und somit die Fehlerquelle Mensch ausschließen.

Das Oracle-Linux ist mit dem neuen Service "Oracle OS Management" gekoppelt und lässt sich Herstellerangaben ohne Einflussnahme von Admins patchen, updaten und tunen. Optimiert für Oracles-Cloud-Infrastruktur soll Autonomous Linux Fähigkeiten wie Autoscaling, Monitoring und Life-Cycle-Management über verschiedene Ressourcen-Pools bieten. Es wird im Rahmen des Premium-Supports mit den Compute-Services der Oracle Cloud Infrastructure mitgeliefert, das gilt ebenso für den OS Management Service.

Im Mittelpunkt der Präsentationen standen weiterhin die "intelligente", sprich: mit Machine-Learning-Funktionen ausgestatteten Anwendungen und die ebenfalls schon im vergangenen Jahr eingeführte zweite Cloud-Generation "Gen2Cloud". Sie soll die Notwendigkeit menschlichen Eingreifens beschränken und damit viele Sicherheitsrisiken ausräumen.

Eigenen Angaben zufolge hat Oracle in den vergangenen zwölf bis 14 Jahren die Anwendungs-Suite "Fusion" für die Cloud-Architektur komplett neu entwickelt. Ganz im Gegensatz zu SAP, wie Ellison nicht müde wurde zu betonen: "SAP hat keine Cloud-Anwendungen, sondern Hosted Applications."

SAP, lange Jahre vermutlich der erfolgreichste Vertriebspartner für die Oracle-Datenbank-Software, möchte seine Kunden auf die hauseigene InMemory-Datenbank HANA umstellen - jüngsten Ankündigungen zufolge definitiv bis 2025. Oracle glaubt an die eigene Software und macht sich Hoffnungen auf die Rückkehr des einen oder anderen Umsteigers. Auf der Open World kursierten unter anderen die Namen Siemens und Puma als potenzielle Umsteiger.

Bei Oracle wird alles Autonomous

In diesem Jahr gab es nicht die eine große Produktankündigung wie 2018 mit der Autonomous Database. Die Neuerungen bezogen sich eher auf grundsätzliche Absichtserklärungen zur Umstellung der Anwendungen auf Autonomous oder zur Implementierung von Machine-Learning-Funktionen in die Anwendungs-Suite.

Im vergangenen Jahr hatte Oracle seinen Topmanager und Cloud-Spezialisten Thomas Kurian an Google verloren, dafür aber Microsofts Analytics-Experten TK Anand eingestellt. Seitdem ist der Fokus auf das Thema Analytics deutlicher spürbar. Unter der Bezeichnung "Analytics for Fusion" bietet Oracle jetzt beispielsweise vorkonfigurierte "Analytics-Pakete" an, die es dem Anwender erlauben sollen, seine Daten auszuwerten, ohne sich um Datenbank-Design, ETL, Modellierung und andere Zeitfresser kümmern zu müssen.

Um die Mensch-Software-Schnittstelle zu glätten, hat Oracle zudem eine "digitalen Assistenten" entwickelt, mit dem der Anwender in natürlicher Sprache kommunizieren kann. Vor allem im Supply Chain Management gebe es dafür Bedarf, so der Hersteller. Neu ist auch ein Cloud-Marktplatz für Software von Partnerunternehmen, wobei Oracle die Bezahlfunktion via "Universal Cloud Credits" selbst in die Hand nimmt. Nicht zu vergessen sei auch eine noch einmal um den Faktor 2,5 beschleunigte "Exadata"-Hardware mit der Bezeichnung X8M.

Dedizierte Hardware als Beschleuniger

Tatsächlich ist Exadata ein Pfund, mit dem Oracle im Datenbank- und Cloud-Sektor wuchern kann: Die im vergangenen Jahr vorgestellte "autonome" Datenbank wurde für die extrem schnelle Hardware maßgeschneidert und ist im Prinzip auch nur dort lauffähig. Ebenso ist Exadata die Basis der "Oracle Cloud Infrastructure", kurz: OCI, die im Performance-Vergleich mit der Public-Cloud-Konkurrenz meist gut aussieht.

In fremden Cloud-Architekturen muss sich der Anwender mit der alten, also "nicht autonomen" Oracle-Software begnügen. Dass die Cloud-Marktführer Amazon Web Services (AWS) und Microsoft mit Azure immer noch starken Zulauf haben, wurmt das Oracle-Management, allen voran Ellison, gewaltig.

AWS immer noch der Lieblingsfeind

Steve Daheb, Senior Vice President Oracle Cloud, hält die Datenbankprodukte von AWS für weniger offenals die von Oracle.
Steve Daheb, Senior Vice President Oracle Cloud, hält die Datenbankprodukte von AWS für weniger offenals die von Oracle.
Foto: Oracle

Insbesondere AWS bekam auf der Open World wieder mal sein Fett weg: zu langsam, zu komplex und zu wenig offen befindet Ellison vor allem das Daten-Management-Angebot von Amazon. Mit Redshift und Aurora hat der Cloud-Gigant eigene Daten-Management-Systeme, die auf unterschiedliche Aufgaben - Analytics und Transaktionen - spezialisiert sind. Da müssten alle Funktionen von der Scalability bis zur Sicherheit mehrfach entwickelt werden, unkt Ellison, während eine konvergente Datenbanksoftware wie Autonomous, die es genau genommen ebenfalls in zwei Ausführungen gebe, eine einzige Softwarebasis nutze und damit die Komplexität gering halte.

In dieselbe Kerbe hieb Steve Daheb, Senior Vice President Oracle Cloud: "Im Grunde ist AWS viel weniger offen als Oracle, denn Redshift und Aurora laufen nur in der Amazon-Cloud, während unsere Datenbanken auch dort einsetzbar sind, aber auch auf Azure und in der Oracle Cloud." Dass es sich dabei um die alte DB-Software handelt, vergaß er zu erwähnen.

Friedenspfeife mit Microsoft

Andererseits hat Ellison kürzlich offenbar eine Menge Kreide gefuttert. Das gilt vor allem für seine Beziehung zu Microsoft. Er überwand sich sogar, die Microsoft-Produkte zu loben. Und Senior Vice President Northern Europe, Jürgen Kunz, sprach von den "hohen Installationszahlen", die Microsoft vor allem im Open-Source- und Native-Cloud-Umfeld habe - "wenn auch ohne die großen Workloads".

Schon vor einigen Monaten haben Oracle und Microsoft angekündigt, dass sie ihre Cloud-Architekturen füreinander öffnen wollen. Das bekräftigten sie auf der Open World noch einmal. Wie der Gartner-Analyst Ted Friedman erläutert, handelt es sich dabei allerdings um eine "Basic"-Variante von Partnerschaft: "Sie können halt aus einer Computer-Workload in Azure auf Daten aus der Gen2Cloud zugreifen."

Außerdem ist das Abkommen bislang geografisch begrenzt - hauptsächlich auf den nordamerikanischen und britischen Raum. "Die Connections herzustellen ist nicht ganz trivial" sagt Kunz, "deshalb sollten die jeweiligen Datenzentren nicht zu weit auseinander liegen." Frankfurt und Zürich stünden aber ganz oben auf der Liste. Trotz dieser Beschränkungen sieht Friedman das Abkommen positiv: "Oracle hat offenbar erkannt, dass die Welt nicht an der Unternehmensgrenze endet."

Jürgen Kunz, Oracles Senior Vice President Northern Europe, fand freundliche Worte für die Zusammenarbeit mit Microsoft.
Jürgen Kunz, Oracles Senior Vice President Northern Europe, fand freundliche Worte für die Zusammenarbeit mit Microsoft.
Foto: Oracle
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