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Hausmesse Open World

Oracle legt alte Feindbilder ad acta – und schafft sich neue

Datum:23.09.2019
Autor(en):Karin Quack
Eigentlich würde Oracle seine Kunden gern komplett in die eigene Systemwelt ziehen. Doch selbst der so charismatische wie egomane Gründer und Hauptaktionär Larry Ellison macht inzwischen Kompromisse.

Auch im gesetzten Alter lässt sich Oracle-Gründer Larry Ellison nicht von Sticheleien gegen die Konkurrenz abhalten.
Foto: Oracle

Die "Autonomous Database" ist nur der erste Schritt, so Oracles Big-Data-Stratege Paul Sonderegger. Die zweite Stufe hat das Softwareunternehmen nun auf der diesjährigen "Open World" gezündet: Es stellte ein mit Red-Hat-/IBM-Linux binärkompatibles, offenes Betriebssystem vor, genannt "Oracle Autonomous Linux". Es soll das manuelle Betriebssystem-Management überflüssig werden lassen und somit die Fehlerquelle Mensch ausschließen.

Das Oracle-Linux ist mit dem neuen Service "Oracle OS Management" gekoppelt und lässt sich Herstellerangaben ohne Einflussnahme von Admins patchen, updaten und tunen. Optimiert für Oracles-Cloud-Infrastruktur soll Autonomous Linux Fähigkeiten wie Autoscaling, Monitoring und Life-Cycle-Management über verschiedene Ressourcen-Pools bieten. Es wird im Rahmen des Premium-Supports mit den Compute-Services der Oracle Cloud Infrastructure mitgeliefert, das gilt ebenso für den OS Management Service.

Im Mittelpunkt der Präsentationen standen weiterhin die "intelligente", sprich: mit Machine-Learning-Funktionen ausgestatteten Anwendungen und die ebenfalls schon im vergangenen Jahr eingeführte zweite Cloud-Generation "Gen2Cloud". Sie soll die Notwendigkeit menschlichen Eingreifens beschränken und damit viele Sicherheitsrisiken ausräumen.

Eigenen Angaben zufolge hat Oracle in den vergangenen zwölf bis 14 Jahren die Anwendungs-Suite "Fusion" für die Cloud-Architektur komplett neu entwickelt. Ganz im Gegensatz zu SAP, wie Ellison nicht müde wurde zu betonen: "SAP hat keine Cloud-Anwendungen, sondern Hosted Applications."

SAP, lange Jahre vermutlich der erfolgreichste Vertriebspartner für die Oracle-Datenbank-Software, möchte seine Kunden auf die hauseigene InMemory-Datenbank HANA umstellen - jüngsten Ankündigungen zufolge definitiv bis 2025. Oracle glaubt an die eigene Software und macht sich Hoffnungen auf die Rückkehr des einen oder anderen Umsteigers. Auf der Open World kursierten unter anderen die Namen Siemens und Puma als potenzielle Umsteiger.

Bei Oracle wird alles Autonomous

In diesem Jahr gab es nicht die eine große Produktankündigung wie 2018 mit der Autonomous Database. Die Neuerungen bezogen sich eher auf grundsätzliche Absichtserklärungen zur Umstellung der Anwendungen auf Autonomous oder zur Implementierung von Machine-Learning-Funktionen in die Anwendungs-Suite.

Im vergangenen Jahr hatte Oracle seinen Topmanager und Cloud-Spezialisten Thomas Kurian an Google verloren, dafür aber Microsofts Analytics-Experten TK Anand eingestellt. Seitdem ist der Fokus auf das Thema Analytics deutlicher spürbar. Unter der Bezeichnung "Analytics for Fusion" bietet Oracle jetzt beispielsweise vorkonfigurierte "Analytics-Pakete" an, die es dem Anwender erlauben sollen, seine Daten auszuwerten, ohne sich um Datenbank-Design, ETL, Modellierung und andere Zeitfresser kümmern zu müssen.

Um die Mensch-Software-Schnittstelle zu glätten, hat Oracle zudem eine "digitalen Assistenten" entwickelt, mit dem der Anwender in natürlicher Sprache kommunizieren kann. Vor allem im Supply Chain Management gebe es dafür Bedarf, so der Hersteller. Neu ist auch ein Cloud-Marktplatz für Software von Partnerunternehmen, wobei Oracle die Bezahlfunktion via "Universal Cloud Credits" selbst in die Hand nimmt. Nicht zu vergessen sei auch eine noch einmal um den Faktor 2,5 beschleunigte "Exadata"-Hardware mit der Bezeichnung X8M.

Dedizierte Hardware als Beschleuniger

Tatsächlich ist Exadata ein Pfund, mit dem Oracle im Datenbank- und Cloud-Sektor wuchern kann: Die im vergangenen Jahr vorgestellte "autonome" Datenbank wurde für die extrem schnelle Hardware maßgeschneidert und ist im Prinzip auch nur dort lauffähig. Ebenso ist Exadata die Basis der "Oracle Cloud Infrastructure", kurz: OCI, die im Performance-Vergleich mit der Public-Cloud-Konkurrenz meist gut aussieht.

In fremden Cloud-Architekturen muss sich der Anwender mit der alten, also "nicht autonomen" Oracle-Software begnügen. Dass die Cloud-Marktführer Amazon Web Services (AWS) und Microsoft mit Azure immer noch starken Zulauf haben, wurmt das Oracle-Management, allen voran Ellison, gewaltig.

AWS immer noch der Lieblingsfeind

Steve Daheb, Senior Vice President Oracle Cloud, hält die Datenbankprodukte von AWS für weniger offenals die von Oracle.
Foto: Oracle

Insbesondere AWS bekam auf der Open World wieder mal sein Fett weg: zu langsam, zu komplex und zu wenig offen befindet Ellison vor allem das Daten-Management-Angebot von Amazon. Mit Redshift und Aurora hat der Cloud-Gigant eigene Daten-Management-Systeme, die auf unterschiedliche Aufgaben - Analytics und Transaktionen - spezialisiert sind. Da müssten alle Funktionen von der Scalability bis zur Sicherheit mehrfach entwickelt werden, unkt Ellison, während eine konvergente Datenbanksoftware wie Autonomous, die es genau genommen ebenfalls in zwei Ausführungen gebe, eine einzige Softwarebasis nutze und damit die Komplexität gering halte.

In dieselbe Kerbe hieb Steve Daheb, Senior Vice President Oracle Cloud: "Im Grunde ist AWS viel weniger offen als Oracle, denn Redshift und Aurora laufen nur in der Amazon-Cloud, während unsere Datenbanken auch dort einsetzbar sind, aber auch auf Azure und in der Oracle Cloud." Dass es sich dabei um die alte DB-Software handelt, vergaß er zu erwähnen.

Friedenspfeife mit Microsoft

Andererseits hat Ellison kürzlich offenbar eine Menge Kreide gefuttert. Das gilt vor allem für seine Beziehung zu Microsoft. Er überwand sich sogar, die Microsoft-Produkte zu loben. Und Senior Vice President Northern Europe, Jürgen Kunz, sprach von den "hohen Installationszahlen", die Microsoft vor allem im Open-Source- und Native-Cloud-Umfeld habe - "wenn auch ohne die großen Workloads".

Schon vor einigen Monaten haben Oracle und Microsoft angekündigt, dass sie ihre Cloud-Architekturen füreinander öffnen wollen. Das bekräftigten sie auf der Open World noch einmal. Wie der Gartner-Analyst Ted Friedman erläutert, handelt es sich dabei allerdings um eine "Basic"-Variante von Partnerschaft: "Sie können halt aus einer Computer-Workload in Azure auf Daten aus der Gen2Cloud zugreifen."

Außerdem ist das Abkommen bislang geografisch begrenzt - hauptsächlich auf den nordamerikanischen und britischen Raum. "Die Connections herzustellen ist nicht ganz trivial" sagt Kunz, "deshalb sollten die jeweiligen Datenzentren nicht zu weit auseinander liegen." Frankfurt und Zürich stünden aber ganz oben auf der Liste. Trotz dieser Beschränkungen sieht Friedman das Abkommen positiv: "Oracle hat offenbar erkannt, dass die Welt nicht an der Unternehmensgrenze endet."

Jürgen Kunz, Oracles Senior Vice President Northern Europe, fand freundliche Worte für die Zusammenarbeit mit Microsoft.
Foto: Oracle

Die Cloud: Lösung für den Lizenzstreit

Ähnlich ist wohl auch die Partnerschaft mit VMware zu bewerten. Sie zielt darauf, den Kunden einen möglichst problemlosen Umzug ihrer Virtual Machines auf die OCI zu ermöglichen. Die organisatorische Arbeit, die sie on premise auf und mit VMware geleistet hätten, bräuchten die Unternehmen dann nicht noch einmal zu leisten.

Ein günstiger Nebeneffekt: Der schwelende Streit um die vor allem von deutschen Nutzern als ungerecht empfundenen VMware-Lizenzen ließe sich im Cloud-Betrieb relativ leicht bereinigen. Gemäß dem Versprechen von Larry Ellison: "Sie zahlen nur, was sie nutzen", müsste in der Cloud die Nutzung der Oracle-Software wohl eindeutig nachvollziehbar sein.

Klar auf die eigene Architektur fokussiert

Wer nun aber denkt, dass Oracle sich mit der Rolle als ein Anbieter unter vielen abfinden würde, hat die Beweggründe für die Öffnung sicher falsch verstanden. So sieht auch Friedman Oracles Cloud-Strategie ganz klar auf die eigene Architektur fokussiert: "Es ist ihre Priorität Nummer eins, die Kunden auf Gen2Cloud zu ziehen. Beispielsweise ist es für die Kunden preislich überhaupt nicht attraktiv, Oracle-Software in einer anderen Cloud-Infrastruktur zu fahren."

Oracle ist ja nicht gerade bekannt dafür, seine Kunden mit Samthandschuhen anzufassen. Diesmal aber sieht es so aus, als wolle der Softwareriese den Cloud-Interessenten auf alle möglichen Arten entgegenkommen. Laut Daheb sollen sie die freie Wahl haben, wo sie welche Teile ihrer IT-Umgebung betreiben lassen: in einer Cloud-Infrastruktur, die sie sich mit anderen Tenants teilen, oder in einer "Dedicated"-Umgebung, wo die Daten keine Berührung mit denen anderer Unternehmen haben.

Zweistufen-Strategie für den Cloud-Einstieg

Diese Umgebung darf gern auch hinter der Unternehmens-Firewall angesiedelt sein. Unter der Bezeichnung "Cloud@Customer" bietet Oracle seit etwa drei Jahren den Betrieb einer Private-Cloud an. Wie Daheb einräumt, adressiert Oracle mit diesem Angebot nicht nur Kunden, die aus rechtlichen Gründen ihre Daten nicht in eine Public Cloud auslagern dürfen, also beispielweise das Gesundheits- oder Finanzwesen, sondern auch diejenigen, die sich einen leichten Einstieg wünschen.

Das findet auch Friedman plausibel: "Es ist sozusagen eine Zweistufen-Strategie: Erst macht man die Kunden on premise mit der Cloud-Architektur vertraut, damit man sie später dann leichter in die Public Cloud ziehen kann." Damit gewinne man mehr Marktanteile.

Für immer umsonst?

Ein anderer Weg, die Kunden von den Vorzügen der Oracle-Cloud zu überzeugen, ist der, ihnen die Nutzung zu Testzwecken kostenfrei zu stellen. Oracle stellte auf der Open World sein Angebot "Oracle Cloud Free Tier" vor.

Cloud-Interessenten - vor allem, aber nicht nur, Ausbildungsstätten - können die Autonomous Database und die Cloud-Infrastruktur in einer Minimalausstattung ohne Gebühr nutzen und damit arbeiten. Mit der Begrenzung auf zwei Datenbanken von jeweils 20 Gigabyte Speicher sowie zwei virtuellen Maschinen dürfte sich die Installation allerdings kaum für den Dauergebrauch eignen.


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