Für deutsche Elektronikversender ist Weiße Ware so etwas wie die Königsklasse, denn großgeworden sind Cyberport, Notebooksbilliger und Co. mit dem Verkauf von trendigen IT- und CE-Artikeln zu günstigen Internetpreisen. Erst in den letzten Jahren haben sich die Online-Händler verstärkt dem Haushaltsbereich zugewandt - locken hier doch deutlich fettere Margen, mit welchen sich nach der Wachstumsphase auf vortreffliche Weise das Thema Profitabilität angehen ließe.
Dass man das Feld auch von einer anderen Seite aufrollen kann, beweist dagegen der britische Elektronikversender AO.com. Seit der Gründung als "Appliances Online" im Jahr 2001 setzt das Unternehmen konsequent auf den Haushaltsbereich und verkauft bis heute schwerpunktmäßig Wasch- und Spülmaschinen, Kühlschränke, Haushaltsgeräte, Staubsauger, aber auch TV-Geräte und Consumer Electronics. Dabei konnte AO.com zeigen, dass Weiße Ware auch "sexy" sein kann: der Online-Händler garantiert seinen Kunden den niedrigsten Preis, liefert standardmäßig gratis in 24 Stunden, bietet günstige Installationsservices, Altgeräteentsorgung und ein 14-tägiges kostenfreies Rückgaberecht. Mit einem großzügigen Logistikzentrum, eigenen Service-Mitarbeitern und selbstproduzierten Video-Reviews liefert der Elektronikhändler auch darüber hinaus einen überdurchschnittlichen Service.
In Großbritannien wurde AO.com mit diesem Ansatz zu einer Erfolgsgeschichte. 2013 stieg der Umsatz um 40 Prozent auf 384,9 Millionen Pfund (494 Mio. Euro) und kam dabei ein EBITDA-Ergebnis von 11,2 Millionen Pfund (14 Mio. Euro) zustande. Insgesamt gelang es dem Elektronikversender in dem Jahr, mehr als eine Million Geräte zu verkaufen. Mit diesen Eckwerten debütierte AO.com im März 2014 erfolgreich an der Londoner Börse und konnte dabei eine Marktkapitalisierung von 1,6 Milliarden Pfund (2 Mrd. Euro) erzielen. Das bei dem Börsengang eingesammelte Geld soll nicht zuletzt der internationalen Expansion des Unternehmens dienen, mit dem deutschen Markt als erstem Angriffsziel.
Deutschland-Expansion mit großen Ambitionen
"Deutschland ist das Sprungbrett für die Verwirklichung unserer Vision, der führende Online-Retailer in unserem Bereich zu werden", erklärte nun CEO John Roberts zum Deutschlandstart des Unternehmens. Seit 1. Oktober können deutsche Kunden im Onlineshop unter AO.de einkaufen und erhalten dabei ähnliche Vorteile wie britische Konsumenten: zwar erfolgt die Lieferung standardmäßig in 2-3 Tagen zum Preis von 29,99 Euro, doch bietet der Online-Händler die kostenlose Altgeräteentsorgung, eine Tiefpreisgarantie sowie ein kostenloses Rückgaberecht von 30 Tagen.
Ein Blick hinter die Kulissen zeigt dabei, dass es AO.com mit dem Sprung nach Deutschland durchaus ernst ist: das Unternehmen baut im nahe Köln gelegenen Bergheim ein eigenes Zentrallager sowie eine Europa-Zentrale auf und will bald auch mit Verteilzentren in Hamburg, Berlin und München vor Ort sein. Bis zu 2.500 Stellen könne AO.com mittelfristig hierzulande schaffen, stellte Deutschland-Chefin Janina Rustige gegenüber der Rheinischen Presse in Aussicht. Aktuell sucht AO.de 260 Mitarbeiter im kaufmännischen Bereich sowie in den Bereichen Logistik und Versand.
Herausforderung für Online-Händler - und Stationäre
Gegenüber der Zeitung ließ Janina Rustige auch durchblicken, welches Potenzial AO.de in Deutschland sieht: während in Großbritannien bereits 41 Prozent der Haushaltsgeräte online gekauft würden, liege dieser Wert hierzulande noch bei 14 Prozent. Mit einem Umsatzvolumen von 8,2 Milliarden Euro stelle Deutschland aber den größten Markt für Weiße Ware in Europa dar. Geht das Kalkül von AO auf, könnte sich der Online-Händler von der Insel als gefährlicher Wettbewerber für so manchen deutschen Anbieter erweisen: als direkter Konkurrent für das Haushaltsgeräteangebot von Elektronikversendern wie Notebooksbilliger und Cyberport, als Gegengewicht zur Multichannel-Strategie von Media-Saturn, aber auch als Alternative zu den inzwischen vermehrt auf das Internet setzenden Elektronik-Verbundgruppen. (mh)