Einen Umsatz von 834 Millionen Schweizer Franken (ungefähr 730 Mio. Euro) erzielte Digitec Galaxus im vergangenen Jahr. Auf den ersten Blick scheint der Online-Händler damit mit deutschen Pendants wie Notebooksbilliger.de und Cyberport auf Augenhöhe zu liegen. Doch muss man sich die Größenverhältnisse verdeutlichen: In Relation zu den 5,5 Milliarden Franken, die von den Top 100 Onlineshops der Schweiz 2017 erwirtschaftet wurden, ist Digitec Galaxus ein Umsatzriese, der in dieser Hinsicht in Deutschland mit Otto zu vergleichen wäre (3 Milliarden Euro Umsatz bei einem Gesamtumsatz der EHI-Top 100 von 30,5 Milliarden Euro). Vor einem Jahr hat Digitec Galaxus angekündigt, nach Deutschland expandieren zu wollen. Nun steht das Unternehmen unmittelbar vor dem Start: Die Zentrale im Hamburg ist bezogen, das Lager in Krefeld wird aufgestockt und noch im vierten Quartal soll der Onlineshop Galaxus.de eröffnen.
Um die Chancen von Digitex Galaxus in Deutschland besser einstufen zu können, lohnt es sich, einen Blick auf die Geschichte des größten Schweizer Online-Händlers zu werfen: Das 2001 gegründete Unternehmen betreibt die Onlineshops Digitec (Elektronik) und Galaxus (Vollsortimenter). 2012 stieg der führende Schweizer Einzelhandelskonzern Migros bei Digitec Galaxus ein und übernahm den Online-Händler 2015 komplett. Das Unternehmen behielt allerdings in dem Handelskonzern weiterhin recht weiten Spielraum und konnte in den folgenden Jahren mit Initiativen wie einer Öffnung zum Marktplatz, einem Weiterverkaufsprogramm und stationären Geschäften sein Wachstum weiter anheizen. Auch die Expansion nach Deutschland ging das Unternehmen zügig an. Seit September hat Galaxus Deutschland mit Frank Hasselmann nun einen eigenen Managing Director. Der gebürtige Bremer kommt vom internationalen Industriekonzern Linde, wo er zuletzt als Head of Retail der Region Zentraleuropa für den Aufbau des Handelsgeschäfts zuständig war.
Mit Bescheidenheit und Kundenorientierung
Den Deutschlandstart will Hasselmann behutsam angehen. "Wir gehen ganz bewusst mit einem überschaubaren Elektronik-Sortiment live", berichtet der Manager. "Erst nach und nach werden wir unser Online-Warenhaus für weitere Produktsegmente öffnen. Obwohl wir ambitionierte Pläne für den deutschen Markt haben, starten wir klein und wollen in einem ersten Schritt verstehen, was die deutschen Kunden über unser Angebot denken." Ein genaues Startdatum habe man noch nicht festgelegt, doch lange werde es nicht mehr dauern: "Der Webshop ist weitestgehend fertig, nun arbeiten wir am Feinschliff der Lieferkette." Preislich werde sich Galaxus gleichauf mit den relevanten Mitbewerbern positionieren. Zum Start werde das Unternehmen nicht als Marktplatz auftreten, sondern nur mit dem eigenen Sortiment. "In Zukunft werden wir uns aber wie in der Schweiz auch externen Anbietern öffnen", so Hasselmann.
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Ein Rezept, um sich von den etablierten deutschen Wettbewerbern zu unterscheiden, ist für den Manager eine noch konsequentere Kundenorientierung: "Unsere Kunden kaufen bei uns nie alleine ein. Wir helfen ihnen dabei, das für sie richtige Produkt zu finden. Das klingt selbstverständlich, ist es aber im deutschen Onlinemarkt nicht." Während die Konsumenten bei vielen Shops in der Produktflut untergingen, sei Galaxus mehr als eine Produktsuchmaschine mit cleveren Filtern und Vergleichstools: "Unsere Experten stellen die Artikel in den Vordergrund, die zu unseren Kunden passen - zum Beispiel mit personalisierten Empfehlungen oder knackigen Tagesaktionen. Zusätzlich schafft unsere Redaktion mit unabhängigen Testberichten, Ratgebern und Reportagen von Fachmessen eine informative und inspirierende Einkaufsumgebung." Deshalb habe Digitec Galaxus auch die aktivste Shopping-Community der Schweiz: 70 Prozent aller Fachfragen in den Onlineshops würden innerhalb von drei Stunden von der Community beantwortet. Pro Monat kämen so alleine in dem überschaubaren Schweizer Markt über 10.000 Fragen und Antworten zusammen.
Herausforderung für die deutschen Onliner
Ein weiteres Erfolgskonzept von Digitec Galaxus ist das im vergangenen Jahr gestartete Weiterverkaufsprogramm. Kunden soll so ermöglicht werden, gebrauchte Geräte möglichst einfach zu Geld zu machen. "Wir haben viele Daten, zum Beispiel wann Kunden einen Artikel gekauft haben, und die Produktspezifikationen. Das macht es sehr einfach, unseren Kunden die Wiederverkaufsmöglichkeit anzubieten", erklärt Michael Rudin, Product Owner bei Digitec Galaxus. Die Gebrauchtgeräte würden einfach an die bestehenden Shop-Artikel angehängt. Zudem können Kunden mit dem Feature sogar die Produktgarantie an den Käufer weitergeben. "Die Erfahrungswerte sind sehr gut - unsere Erwartungen wurden übertroffen", berichtet Rudin. "Wir sehen, dass die Kunden mit der Gutschrift vom Verkauf direkt ein neues Gerät kaufen." Das Weiterverkaufsprogramm sieht Rudin als klaren Teil der Kundenbindungsstrategie von Digitec Galaxus: "Unser Ziel ist es, den Kunden Mehrwerte zu bieten, die über den reinen Kauf hinausgehen."
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Von Service und Kundenorientierung spricht heute jeder große Onlineshop, das gilt auch für die größten deutschen Elektronikversender Notebooksbilliger.de und Cyberport, genauso wie für Media-Saturn. Ein sofortiger Durchmarsch ist vom Deutschlandstart von Digitec Galaxus daher nicht zu erwarten. Doch in ihrer Heimat haben die Schweizer ihre Hausaufgaben gut gemacht, ihre Services gut erprobt und es geschafft, ein überdurchschnittlich kaufkräftiges Kundenreservoir langfristig an sich zu binden. Wo andere nur von Service sprechen, leben das Digitec Galaxus bereits sehr mehreren Jahren. Es ist dem Schweizer Online-Händler deshalb durchaus zuzutrauen, dass er auch in Deutschland mit der Zeit immer mehr Kunden anspricht. Und für die etablierten deutschen Onliner dürfte der Markteintritt der Schweizer so etwas wie die Probe aufs Exempel werden, wie gut sie wirklich sind.