Die staatlich verordneten Ladenschließungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie haben bei vielen Elektronikhändlern deutliche Spuren hinterlassen: Media-Saturn musste im ersten Quartal 2020 einen Umsatzrückgang von knapp acht Prozent hinnehmen, bei den vornehmlich stationär verkaufenden Verbundgruppen EP und Expert fielen die Einbußen noch stärker aus. Doch wie ging es in der Corona-Krise Conrad Electronic, das schon zuvor rund zwei Drittel seiner Umsätze im Online-Handel erzielte?
"Mit den Ladenschließungen wegen Corona hat sich unser Umsatz noch weiter in Richtung Online verschoben", berichtet Ralf Bühler, Chief Sales Officer B2B bei Conrad. Die Umsatzzuwächse im Online-Handel hätten sich im zweistelligen Prozentbereich bewegt. "Das macht uns gegenüber der aktuellen Entwicklung nicht resistent, wir befinden uns aber dennoch auf einem sehr guten Weg, unsere Planzahlen für das laufende Jahr weiter zu erfüllen - das können zur Zeit nicht so viele Unternehmen von sich sagen", erklärt Bühler.
Nicht nur der starke Fokus auf dem Online-Geschäft, auch eine vorausschauende Beschaffungspolitik komme Conrad in der Krisensituation zugute. "Wir haben beim Materialfluss vorgesorgt und können, was bestellt wird, auch liefern", berichtet der CSO des traditionsreichen Elektronikhändlers. Dass die Lieferdienste zunehmend mit ihren Kapazitätsgrenzen zu kämpfen hätten, könne Conrad allerdings nicht beeinflussen. "Speziell bei Lieferungen ins europäische Ausland spüren wir das inzwischen", so Bühler.
Keine Probleme gebe es bei den größtenteils in Asien gefertigten Eigenmarkenprodukten von Conrad: "Wir haben frühzeitig mit unseren Lieferanten in Asien Kontakt gehalten und wussten zu jeder Zeit, wie es um den Warenfluss bestellt war." Inzwischen sei die Produktion in Asien bereits wieder angelaufen, unklar sei jedoch wie schnell die Lieferwege wieder in Gang kommen könnten. "Im Sommer könnten deshalb nicht nur wir, sondern die gesamte Branche vor Nachschubproblemen stehen", erklärt Bühler.
Die Corona-Krise veränderte die Kundennachfrage
Trotz zunehmender Fokussierung des stationären Geschäfts auf B2B-Kunden musste auch Conrad mit Beginn des Lockdown seine Filialen schließen. "Wir konnten lediglich mit kleinen Teams den Versand von dafür in Frage kommenden Online-Bestellungen aus den Filialen heraus aufrechterhalten. Zudem haben unsere Businesskundenbetreuer ihre lokalen Kunden über den Versandweg weiter bedient."
Dabei habe man die schlagartige Umstellung vieler Firmen auf ein Home-Office-Modell deutlich gespürt: "Vor allem die ersten Wochen des Lockdown waren durch eine stark ICT-lastige Nachfrage geprägt. Zudem hat sich das Kaufverhalten vieler unserer Businesskunden durch die Krise verändert." So seien Verbrauchsmaterialien immer häufiger an die Privatadressen von Mitarbeitern geliefert worden statt wie bisher an die Firmenanschrift. Mit Andauern des Lockdown habe sich die Nachfrage dann stärker diversifiziert und seien auch Bereiche wie Fitness-Geräte oder Maschinen für Heimwerker wichtiger geworden.
Wie die anderen Marktteilnehmer öffnet auch Conrad seit der Lockerung der Corona-Beschränkungen Teilflächen seiner Geschäfte wieder für die Kunden. Unter Beachtung der behördlichen Vorgaben hofft der Elektronikhändler so, bald wieder die stationären Umsätze anzukurbeln. "Der Druck auf die Fläche ist durch die Corona-Krise noch einmal größer geworden", räumt Bühler ein. In den vergangenen Jahren war bei Conrad durch die Umsatzverschiebung in Richtung online und die gleichzeitigen Kosten für die Modernisierung der Geschäfte die Rentabilität stark rückläufig, 2018 kam die Elektronikkette deshalb sogar erstmals in die roten Zahlen.
"Handelsdigitalisierung wird künftig noch wichtiger"
Bühler ist dennoch zuversichtlich, dass Conrad gestärkt aus der Krise hervorgehen wird. "Gerade in so einer Situation macht es sich bezahlt, dass wir in der Digitalisierung bereits sehr weit sind." Der Chief Sales Officer des Unternehmens meint damit nicht nur das starke Standbein von Conrad im digitalen Handel, sondern auch die unternehmensinterne Umstellung auf digitale Prozesse. "Trotz Lockdown war es uns deshalb möglich, mit unseren Tools den Customer Care und unsere Callcenter regulär weiterlaufen zu lassen", berichtet Bühler. "Das schätzen die Kunden in einer Situation, wo vieles nicht mehr so läuft wie gewohnt."
Auch wenn die gegenwärtigen Lockerungen weitergehen und das stationäre Geschäft wieder ohne Beschränkungen möglich wird, erwartet Bühler durch die Corona-Krise Veränderungen für die Branche. "Ich denke, dass der Remote-Bereich auch dann stark bleiben wird, wenn die Zeit des strikten Home Office vorbei ist." Für den Elektronikhändler Conrad mit seiner speziellen Sortimentsausrichtung biete dieser Trend gute Chancen. Daneben erwartet Bühler, dass die Krise kunden- und händlerseitig die Entwicklung hin zum Online-Handel noch einmal beschleunigen wird:
"Alle werden sich über ihre Flächen künftig noch stärker Gedanken machen müssen. Der Druck durch die Digitalisierung ist jetzt noch größer geworden, da man sehen konnte, was passiert, wenn Händler in den digitalen Kanälen nicht stark genug sind." Den steigenden Online-Wettbewerb fürchtet Bühler nicht: "Wenn nach der Krise alle Marktteilnehmer ihr Geschäft noch stärker digitalisieren, wird das vor allem denen zugute kommen, die jetzt schon im Online-Handel reif sind. Mit der Verlagerung von stationärem Geschäft hin zu Online, aber auch mit unserer B2B-Plattform sind wir bereits durch die Türen gegangen, die andere jetzt erst öffnen."
Ebenfalls lesenswert: Conrad richtet IoT-Plattform auf B2B-Kunden aus