Die jungen, innovativen Unternehmen hat Amazon Web Services (AWS) längst als Kunden gewonnen. Nun geht es dem Cloud-Primus darum, noch stärker in die Domäne der klassischen IT-Konzerne vom Schlage IBM oder Oracle einzubrechen. Dazu soll die Public-Cloud-Plattform noch leistungsfähiger und durch zusätzliche Services aufgewertet werden. Jassy kündigte dazu drei neue Dienste an, mit denen Unternehmen Künstliche Intelligenz (AI, Artificial Intelligence) für ihre Cloud-Anwendungen nutzen können.
Der Service "Amazon Rekognition" etwa dient zur Bilderkennung, "Amazon Polly" soll Nutzern Text-to-Speech-Funktionen liefern. Mit "Amazon Lex" bietet Amazon ferner die Technik seines Sprachassistenten "Alexa" auch seinen Cloud-Kunden an. Alle drei KI-Services sind laut AWS noch in diesem Jahr verfügbar, weitere sollen 2017 folgen.
Dienste aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz gewinnen für die großen Cloud-Provider an Bedeutung. Immer mehr Unternehmen fragen solche Features nach, um neue digitale Services für ihre Kunden entwickeln zu können. Im Gegensatz zum klassischen Geschäft mit Infrastrukturdiensten gehört AWS in diesem Segment nicht zu den Marktführern. Microsoft, IBM und Google haben schon seit längerem einschlägige Services in ihren Cloud-Portfolios. Erst kürzlich hatte Google eine Reihe neuer KI- und Machine-Learning-Features für seine Cloud-Plattform präsentiert (siehe auch: Google attackiert Amazon und Microsoft).
Die AWS-Cloud wird schneller und flexibler
Dessen ungeachtet investiert AWS weiter in seine IaaS-Dienste, um diese auch für große Unternehmen noch attraktiver zu machen. Dazu gehört beispielsweise der Einsatz von Grafikprozessoren für besonders leistungshungrige Cloud-Applikationen. In diesem Kontext stellte CEO Jassy unter anderem den neuen Service EC2 Elastic GPU vor (GPU = Graphics Processing Unit). Entwickler sollen damit ihre bestehenden EC2-Recheninstanzen flexibel um GPU-Ressourcen erweitern und auch wieder reduzieren können. Google verspricht für seine IaaS-Dienste allerdings Ähnliches.
Noch mehr Rechenleistung für komplexe Anwendungen sollen FPGA-Chips (Field-Programmable Gate Arrays) bringen. Dazu führt Amazon die sogenannten "F1" Instanzen ein. Unternehmen könnten damit Hardware programmieren, um spezielle Workloads schneller abzuarbeiten als dies mit herkömmlichen CPUs möglich wäre. Auch andere Cloud-Provider wie etwa Microsoft setzen spezialisierte Hardware wie FPGAs ein, um ihre Infrastrukturdienste zu beschleunigen.
Die F1-Instanzen eigneten sich etwa für Gaming- und andere Testing-Anwendungen, kommentierte IDC-Analyst Al Hilwa die Ankündigung. Vor allem aber könnten sie die Verarbeitung von Audio- und Video-Streaming-Daten beschleunigen, die in Machine-Learning-Szenarien eine wachsende Rolle spiele.
AWS Snowmobile bringt Daten in die Public Cloud
Beschleunigen will AWS schließlich auch den Datentransfer in die Cloud. Weil es dabei nicht selten um Datenmengen geht, die klassische Datenleitungen an die Leistungsgrenzen bringen, stellte der Branchenprimus ein Datentransfer-Produkt der besonderen Art vor: Das "Snowmobile" ist ein echter Truck, den Kunden mit bis zu 100 Petabyte Daten "beladen" können. Der LKW transportiert die Daten anschließend zu einem Amazon-Standort und lädt sie in die Public Cloud.
Neue Partnerprogramme und Services für Enterprise-Kunden
Schon im Vorfeld der Kundenkonferenz hatte AWS Erweiterungen seines Partnerprogramms angekündigt, um Unternehmen den Weg in die Cloud zu erleichtern. Der neue "Service Partner Solution Finder" etwa soll es Kunden erleichtern, anhand von Keywords und gewünschten Cloud-Services adäquate Partner für ihre Projekte zu finden.
Auch die kürzlich angekündigte Kooperation mit VMware findet ihren Niederschlag in der Partnerstrategie. Kunden können ihren kompletten VMware-Software-Stack künftig in der Amazon-Cloud betreiben, versprachen Jassy und VMware-Chef Pat Gelsinger bereits im Oktober. Das neue "VMware Cloud on AWS Partner Program" soll Service-Providern und anderen AWS Channel-Partnern dabei helfen, entsprechende Kundenprojekte zu realisieren.
Im Rahmen des "AWS Service Delivery Program" können sich Unternehmen mit besonders tiefem Know-how ferner zu bestimmten AWS-Services einbringen. Amazon denkt dabei weniger an klassische Infrastruktur sondern an spezielle Angebote wie die Datenbank-Services Aurora und DynamoDB oder den Serverless Computing Dienst Lambda.
AWS re:Invent 2016 lockt 32.000 Besucher
Amazons erste Cloud-Computing-Konferenz im Jahr 2011 war noch eine eher exotische Veranstaltung. Ein Großteil der 6000 Teilnehmer arbeitete für Startups, die sich dazu entschieden hatten, Rechenleistung und Speicherplatz als Service einzukaufen statt eigene Data Center zu betreiben. Seitdem hat sich der Markt grundlegend verändert. Auch große Konzerne denken mittlerweile ernsthaft darüber nach, neben IT-Infrastruktur auch geschäftskritische Anwendungen in die Cloud zu verlagern oder haben dies längst getan. Zur diesjährigen AWS re:Invent in Las Vegas pilgerten mehr als 32.000 Besucher.
Die Geschäfte laufen glänzend für den Cloud-Pionier. Für das dritte Geschäftsquartal meldete AWS eine Umsatzsteigerung um 55 Prozent auf 3,2 Milliarden Dollar. Zu diesem Wachstum trugen auch große Unternehmenskunden bei, darunter Unilever, Coca Cola oder Capital One Financial. Ein prominenter europäischer Großkunde ist beispielsweise der italienische Energiekonzern Enel, der rund 9500 Server und 1700 Applikationen in die AWS-Cloud migriert. Als neuen Kunden präsentierte AWS unter anderem das amerikanische Transportunternehmen Matson, das seine vier Rechenzentren geschlossen und Kernbestandteile seiner IT auf die AWS-Platform transferiert hat. Die IT-Betriebskosten sollen sich mit den Maßnahmen halbieren, hofft Matson-CIO Peter Weis.