Serguei Beloussov ist nicht nur Gründer mehrerer IT-Firmen, sondern hat mit Abschlüssen in Physik, Elektrotechnik und Informatik auch die erforderlichen Grundlagen, um zu verstehen, was die von ihm gegründeten Firmen und die dort beschäftigten Mitarbeiter tun. Dass er auch ein charismatischer Redner ist, trägt dazu bei, dass er bei Veranstaltungen immer wieder mit viel diskutierten Beiträgen zur Zukunft von Technologie und IT-Branche auf sich aufmerksam macht.
Allerdings gingen den Reden auch Taten voraus: In den in Russland recht wilden 1990-er Jahren machte Beloussov erst das Unternehmen Sunrise zum größten PC-Händler des Landes, gründete dann mit Rolsen Electronics einen in Russland sehr erfolgreichen Anbieter von Elektrogeräten für Haushalt und Unterhaltung und mit Solomon Software einen ERP-Anbieter. Der wurde im Mai 2000 durch den US-Mitbewerber Great Plains übernommen - der kurz darauf selbst von Microsoft aufgekauft wurde und den Kern der heute als Microsoft Dynamics bekannten Sparte mit Business-Software bildete.
Beloussov hatte damit Zeit und Geld, um sich anderen Aufgaben zu widmen. So entstand 2001 Acronis als Storage-Management-Sparte von SWsoft. Allerdings wendete sich Beloussov in der Folge vor allem dem zweiten Bereich von SWsoft zu. Er war bei Parallels als CEO tätig. Bei Acronis blieb er im Vorstand. Tröstlich für Normalsterbliche ist, dass auch Beloussov zwar vieles kann, aber nicht alles gleichzeitig gleich gut: Nach einigen Jahren erfolgreichen Wachstums geriet Acronis ins falsche Fahrwasser. In der Folge verärgerte es mit unsauberen Produkten und verbesserungswürdigem Support viele Anwender und Partner.
Acht Jahre gründlicher Umbau bei Acronis
Es lohnt sich jedoch, das Projekt im Auge zu behalten, dem Beloussov gerade die höchste Priorität einräumt. Das war in den vergangenen Jahren Acronis. Die Ergebnisse sind jetzt sichtbar. Der Umbau hat insgesamt acht Jahre gedauert, dafür war er aber auch gründlich und soll vor allem nachhaltig sein. Diese Botschaft betonten alle Vertreter des Unternehmens im Laufe der letzten Partnerkonferenz Ende November in Schaffhausen.
Und die Botschaft kam bei den Partnern an: Ein Schweizer Partner etwa, der sich vor einigen Jahren enttäuscht abgewandt hatte, findet das erweiterte Portfolio interessant und denkt ernsthaft darüber nach, von seinem aktuellen Anbieter auf das neugestaltete Acronis zu wechseln. Das jetzt neu vorgestellte, überarbeitete Partnerprogramm soll dafür sorgen, dass sich diese Botschaft im Markt auch breit bemerkbar macht und in einem deutlichen Umsatzplus niederschlägt.
Ausgangspunkt ist die Positionierung als komplette Cyber-Protection-Lösung - Backup ist dabei nur noch ein Baustein. Sie kombiniert diverse Security-Produkte (von Malware-Schutz bis E-Mail-Security) für Firmen und private Nutzer und lässt sich auch von MSPs verwenden. Die erhalten dazu noch Unterstützung bei der kontinuierlichen Datensicherung, dem Patch-Management, dem Server-Backup und der Schwachstellenbewertung. Mit "Acronis MSP Protection" bekommen Anwender zudem ein Produkt an die Hand, das ihnen helfen soll, sich selbst zu schützen. Angesichts der Vorfälle bei Solarwinds, Kaseya und Connectwise sowie deren Partnern und dem steigenden Interesse, dass Cyberkriminelle MSPs entgegenbringen, ist das ein wichtiger Aspekt.
Der Weg von Acronis zum Security-Anbieter
Die Bemühungen von Acronis im Security-Bereich haben vor allem mit der Verpflichtung von Oleg Ishanov als Leiter dieses Bereichs 2017 Fahrt aufgenommen. Ishanov ist in der Branche kein Unbekannter: Er war zuvor über acht Jahre bei Kaspersky, erst als Malware-Analyst, später als Direktor der Antimalware-Forschung des Unternehmens und zuletzt als VP Threat Research. Er kann also auf langjährige Erfahrung im Antimalware-Geschäft zurückblicken.
Neue Produkte fallen jedoch auch bei Acronis nicht vom Himmel, sondern benötigen gründliche Vorbereitung. Wie Beloussov in Schaffhausen erklärte, wurden in den vergangenen fünf Jahren drei Viertel der Acronis-Produkte komplett erneuert. Das sei stets eine Gratwanderung zwischen den drei Leitprinzipien Pragmatismus, Perfektion und Ambition gewesen. Inzwischen sieht er den Status Quo aber in vielen Bereichen da, wo er sich mit den Ambitionen deckt.
Dass sich etwas bewegt, sieht man auch daran, dass weiteres Personal mit langjähriger Erfahrung in Top-Positionen zu Acronis stößt. Ein Beispiel ist Candid Wüest, der über 16 Jahre bei Symantec war, und dort zuletzt als Senior Principal Threat Research die Forschung des Unternehmens in den jeweils neu entstehenden Security-Bereichen leitete. Er rückte einerseits die Möglichkeiten der Eigensicherung von MSPs in den Vordergrund, andererseits aber auch die angesichts weiter zunehmender Ransomware-Attacken dringend benötigte Kombination aus, IT-Security, Backup und Desaster Recovery.
Ein zweites Beispiel ist Patrick Pulvermüller, der seit Sommer 2021 als CEO Bord ist. Er kam vom Hoster GoDaddy und war zuvor bei Plusserver und Host Europe. Mit diesem Hintergrund bringt er viel Erfahrung im Bereich wiederkehrender Umsätze, Automatisierung und service-orientierter, kleinteiliger und damit automatisierungsbedürftiger Geschäftsmodelle mit. Die kann Acronis bei der Neupositionierung als Technologieplattform für MSPs gut gebrauchen.
Markt und Analysten nehmen Acronis neu wahr
Fortschritte auf diesem Weg werden inzwischen auch von unabhängigen Beobachtern wahrgenommen. Canalys platziere Acronis im Sommer in seiner "Global Cybersecurity Leadership Matrix 2021" im Bereich "Growers", G2 Grid attestierte Acronis gar mehrfach eine führende Position als Anbieter von Cloud Data Security Software und die von CONTEXT für die von ChannelPartner vergebenen Channel Excellence Awards befragten Partner in Deutschland haben Acronis 2021 und 2022 zweimal in Folge zum "Preferred Vendor" im Bereich Software gekürt
Das Unternehmen ist bei seinem neuen Kurs also offensichtlich auf dem richtigen Weg. Mit der Aktualisierung des #CyberFit genannten Partnerprogramms soll der jetzt weiter beschritten werden. Die Ressourcen dafür sind dank einer 2021 erfolgten neuerlichen Beteiligung von Investoren in Höhe von 250 Millionen Dollar vorhanden. Um die Partnerbasis auszubauen, bietet Acronis zudem ein Migrationsprogramm an, das neue Partnern beim Umstieg mit finanzieller Unterstützung und Services unter die Arme greift.
Pläne von Acronis für 2022
2022 will der Anbieter den Schwerpunkt auf Service Provider und Cloud-Distributionspartner legen, die alle von einem ihnen zugeordneten Partner Account Manager bereut werden. Das Partner-Portal bietet zahlreiche Möglichkeiten zur gemeinsamen Business-Planung sowie gemeinsame Vertriebs- und Marketingmaßnahmen. Ein #TeamUp genanntes Programm umfasst Partnerschaften mit derzeit über 50 Sportteams, vor allem im Bereich Fußball, Motorsport und Eishockey. Darunter finden sich so bekannt Namen wie Manchester City, FC Liverpool, FC Arsenal, Ajax Amsterdam, Atlético Madrid, Inter Mailand, AS Rom sowie Williams Racing oder das kleinere, aber sehr techniklastige Roborace, ein Rennen autonomer Fahrzeuge.
Insgesamt ist das Programm aber ohne wichtige deutsche Teams und angesichts der anhaltenden Pandemie zumindest für deutsche Partner aktuell noch zweitrangig. Hilfreicher sind die anderen Tools zur Vertriebs- und Marketingautomatisierung sowie vorgefertigte Inhalte für E-Mail- und Social-Media-Kampagnen, die über das Partner-Programm automatisiert werden können. Ebenfalls interessant ist ein demnächst verfügbares On-Demand-Demo-Labor für Partner, in dem die vorinstallierte Acronis Cyber Cloud-Komponenten für Schulungs- und Demozwecke nutzen können.
Aber ach das neue Partnerprogramm soll keine starren Vorgaben machen. Acronis will an seinem Credo "global lokal" festhalten, dass es sich als Unternehmen mit zwei Firmensitzen in Singapur und Schaffhausen in der Schweiz auf die Fahnen geschrieben hat. Ausdruck dieses Ansatzes sind zum Beispiel Integrationen mit nur regional bedeutenden Anbietern von RMM- und PSA-Lösungen - neben solchen, mit weltweit vertretenen - im vergangenen Jahr etwa Jamf -, wodurch Acronis auch Unternehmen mit Apple-Usern besser bedienen kann.
Auch bei der Absicherung von Salesforce-Kunden, soll sich bei Acronis 2022 einiges tun. Der Bereich wurde nicht nur von Acronis wegen des hohen Bedafs bei Unternehmen, die Microsoft 365 nutzen, in den vergangenen Jahren etwas vernachlässigt. Die Problematik ist dabei jedoch ähnlich, wie beim Cloud-Angebot von Microsoft. Daneben sind weitere Integrationen mit RMM- und PSA-Anbietern geplant. Nicht zuletzt glaubt CEO Pulvermüller, dass Firmen den Cloud-to-Cloud-Aspekt bei der Absicherung bislang weitgehend unterschätzen. Die Cloud-Anbieter selber propagieren diesen Ansatz natürlich nicht. Acronis will dies aber künftig stärker tun, denn der Aspekt sei "total wichtig".