Sycor wirft der Ende 2018 in Göttingen gegründeten Arineo GmbH vor, sich bei der Abwerbung von Mitarbeitern und Kunden unlauterer Mittel bedient zu haben. Aus diesem Grund hat der ebenfalls in Göttingen beheimatete IT-Dienstleister im September 2019 eine Klage gegen Arineo eingereicht. In dem Verfahren geht es um eine Schadenersatzforderung in Höhe von 8,7 Millionen Euro. Der für den 30. Oktober 2019 anberaumte Gütetermin brachte keine Einigung. Arineo weist die Klage als haltlos zurück und räumt ihr keinerlei Erfolgsaussichten ein.
Arineo hat nach Auskunft von Martin Renker, Mitglied der Geschäftsführung bei dem Unternehmen, aktuell rund 210 Mitarbeiter. Rund 200 davon haben früher tatsächlich bei Sycor gearbeitet. Sie hätten jedoch "lediglich von ihrem Recht aus Artikel 12 des Grundgesetzes Gebrauch gemacht: Sie haben sich gegen den einen und für einen anderen Arbeitgeber entschieden."
Sycor-Mitarbeiter mit Verkaufsplänen nicht einverstanden
Hintergrund der massiven Abwanderung von Sycor zu Arineo waren die Verhandlungen im Vorfeld des Verkaufs von Sycor in den Jahren 2017 und 2018. Seit Februar 2017 waren die Otto Bock Holding GmbH & Co. KG und deren Eigentümer Hans Georg Näder auf der Suche nach einem neuen Inhaber für das Tochterunternehmen Sycor GmbH. In der Sycor-Belegschaft entstand damals die Idee, dass die Belegschaft das Unternehmen erwerben könnte. Daraufhin wurde gemeinsam mit Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern ein sogenanntes EOC-Modell (Employee owned Company) entwickelt.
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"Im März 2018 hatten fast alle der etwa 100 Führungskräfte der Sycor und im April 2018 knapp 400 der seinerzeit etwa 700 Mitarbeiter das EOC-Modell als das richtige für Sycor angesehen und somit die Initiative ermutigt, an Herrn Näder heranzutreten, um über einen möglichen Übergang zu sprechen", erklärt Arineo-Geschäftsführer Martin Renker. Als Reaktion sei jedoch nur der damalige Geschäftsführer von seinen Aufgaben entbunden worden. Im November 2018 unterzeichnete die Otto Bock Holding einen "Letter of Intent" über einen Zusammenschluss der Allgeier Enterprise Services AG mit der Sycor GmbH unter einer neuen Holdinggesellschaft. Diesen Schritt wollten viele Mitarbeiter nicht mitgehen.
Arineo in fünf Jahren eine "Employee owned Company"
Sie konnten damals noch nicht wissen, dass er aufgrund unterschiedlicher Auffassungen der Beteiligten im Februar 2019 scheiterte. Doch da hatten sie mit der Arineo GmbH schon ihr eigenes Unternehmen gegründet. Das soll in fünf Jahren mehrheitlich den Mitarbeitern gehören. Damit wäre dann ein Verkauf der Arineo GmbH ohne Zustimmung der Mitarbeiter künftig unmöglich.
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Außerdem erhoffen sich die Beteiligten durch das neue und in der IT-Branche bisher unübliche Modell der Mitarbeitergesellschaft, bei der erwirtschaftete Überschüsse nicht ausgeschüttet werden, sondern im Unternehmen verbleiben und dort unter anderem in die Entwicklung der Mitarbeiter investiert werden, eine neue Firmenkultur, ein besonders Arbeitsklima und eine langfristige Mitarbeiterbindung. Letzteres ist auch deshalb wichtig, weil in der IT-Branche Kunden besonders oft mit den Mitarbeitern mitgehen - ihnen ist letztlich egal, welches Unternehmen sie betreut, aber wichtig, welcher Ansprechpartner dafür zuständig ist. Das dürfte in den vergangenen Monaten auch Sycor zu spüren bekommen haben, was auch die Höhe der Schadenersatzforderung erklärt.