Mit "SAP C/4HANA" hat der größte deutsche Softwarehersteller eine neue Lösung für das Kundenmanagement vorgestellt. Die Ziele, die das SAP-Management damit verfolgt, sind ehrgeizig, wie SAP-Chef Bill McDermott auf der Kundenkonferenz Sapphire, die Anfang Juni in Florida stattfand, durchblicken ließ. Man wolle den Markt für das Customer Relationship Management (CRM) neu definieren, verkündete McDermott vollmundig. "SAP hat den Status quo bei CRM nie akzeptiert und ändert ihn jetzt vor allen anderen."
Erreichen will der Softwarekonzern dies mit SAP C/4HANA. Die Suite sei ein durchgängiges Angebot, das nicht wie ältere Lösungen nur auf die Erfordernisse des Vertriebs ausgerichtet sei, hieß es seitens SAP. "CRM-Altsysteme decken nur den Vertrieb ab", erläuterte McDermott. Bei SAP C/4HANA gehe es dagegen um den Verbraucher. Jeder Teil eines Unternehmens brauche eine einheitliche Sicht auf den Endkunden. "Wenn wir alle SAP-Anwendungen in einer intelligenten Cloud-Suite miteinander verknüpfen, hat die Nachfrage unmittelbare Auswirkungen auf die Lieferkette."
Ordnung schaffen im CRM-Bauchladen
SAP verbindet in C/4HANA verschieden Lösungen miteinander. Ziel sei es, alle Bereiche im Front Office zu unterstützen darunter den Schutz von Verbraucherdaten, Marketing, Handel, Vertrieb und Kundenservice. Offensichtlich bemüht sich der Hersteller, so Ordnung in seinem CRM-Portfolio zu schaffen.
SAP verweist darauf, dass die Übernahmen von Hybris, Gigya und CallidusCloud abgeschlossen und die entsprechenden CRM-Werkzeuge nun offenbar auch in C/4HANA integriert seien. Gerade diese Übernahmen hatten in den vergangenen Jahren immer wieder für Unsicherheit auf Anwenderseite gesorgt. Vielen war nicht klar, welchen Schwerpunkt SAP im Zuge eigener CRM-Entwicklungen und der verschiedenen Zukäufe setzen will.
Das soll sich ändern. So sortiert SAP seine CRM-Lösungen: Das Portfolio von SAP C/4HANA umfasst die "SAP Marketing Cloud", die "SAP Commerce Cloud", die "SAP Service Cloud", die "SAP Customer Data Cloud", einschließlich der von Gigya erworbenen Lösungen, und die "SAP Sales Cloud" inklusive der von CallidusCloud erworbenen Lösungen.
Außerdem vereint der Konzern in der SAP Sales Cloud die Lösungen "SAP Hybris Revenue Cloud" und "SAP Hybris Cloud for Customer", die wiederum aus den Lösungen "SAP Hybris Sales Cloud" und "SAP Hybris Service Cloud" besteht. Diese Cloud-Lösungen, die bisher unter dem Markennamen SAP Hybris angeboten wurden, und die SAP-Organisation für Kundeninteraktion und Handel sind SAP-Angaben zufolge nun im Geschäftsbereich SAP Customer Experience zusammengefasst, "um ein einheitliches Markenerlebnis zu unterstützen", wie es hieß.
Aus Expertensicht gibt dieser Schritt Sinn. Gartner-Analyst Ed Thompson begrüßte die Bündelung von SAPs CRM-Angebot. "SAP bekommt erstmals seine zehn verschiedenen Marken und unterschiedlichen Produkte in den Griff und führt sie zusammen, statt verschiedene Entwicklungszentren und Software-Rümpfe zu haben", sagte der Analyst der Nachrichtenagentur Reuters.
SAP kauft mit Coresystems Field Service Management zu
Außerdem kommt mit der Coresystems AG ein weiterer CRM-Service hinzu. SAP verkündete auf der Sapphire, den Schweizer Spezialisten für das Field Service Management übernommen zu haben. Der Plattformservice von Coresystems ermögliche die Einsatzplanung von Außendienstmitarbeitern in Echtzeit bei Kundenserviceanfragen und nutzt SAP zufolge Crowd-Service-Technologie auf Basis künstlicher Intelligenz.
Anwenderunternehmen seien damit in der Lage, auch größere Pools von Servicetechnikern aus eigenen und freien Mitarbeitern, aber auch Partnern zu steuern und zu verwalten. Unter Berücksichtigung von Faktoren wie Know-how, Standort und Verfügbarkeit des einzelnen Serviceexperten lasse sich so für jeden Einsatz der am besten qualifizierte Techniker finden, versprechen die SAP-Verantwortlichen.
Der Konzern kündigte ferner an, C/4HANA vollständig in das SAP-Portfolio von Geschäftsanwendungen mit SAP S/4HANA im Zentrum integrieren zu wollen. Anwenderunternehmen sollen so auch flankierende Lösungen in ihrem CRM nutzen können beispielsweise Funktionen für maschinelles Lernen von SAP Leonardo sowie die ebenfalls neu auf der Sapphire angekündigte "SAP HANA Data Management Suite". Damit sollen Unternehmen einen Überblick und die Kontrolle über ihre Daten erhalten.
Die Herausforderung liege vor allem darin, weit verteilte Daten zu erfassen, die nicht nur in den operativen Systemen liegen, sondern über Produkte, Maschinen und Personen verteilt sind. Diese Daten gelte es zu erfassen und aufzubereiten, damit Unternehmen einen konkreten Nutzen aus ihnen ziehen könnten, erläutern die SAP-Verantwortlichen und versprechen: "Die SAP HANA Data Management Suite erlaubt es Unternehmen, aus riesigen strukturierten und unstrukturierten Datenmengen wertvolle, verwertbare Erkenntnisse zu gewinnen, ganz gleich, wo diese Daten liegen."
Auch mit der HANA Data Management Suite bündelt SAP verschiedene Lösungen: Das Paket basiert auf den neuesten Versionen der Datenplattform "SAP HANA", der im vergangenen Herbst vorgestellten Lösung "SAP Data Hub", der "SAP Cloud Platform Big Data Services" sowie der Webanwendung "SAP Enterprise Architecture Designer". Dabei handelt es sich SAP zufolge um eine "offene, hybride und Multi-Cloud-fähige Lösungssuite, die alle benötigten Daten in einer zuverlässigen, einheitlichen Landschaft integriert und somit sichere, verwaltete Unternehmensanwendungen und analysen bietet". Anwender könnten damit flexible, datengesteuerte Anwendungen erstellen.
Bündeln und paketieren - die Integration muss funktionieren
Mit SAP C/4HANA und der SAP HANA Data Management Suite setzt der Softwarekonzern seine mit SAP S/4HANA und SAP Leonardo eingeschlagene Produktstrategie weiter fort. Bei diesen Lösungen handelt es sich im Grunde um Neupaketierungen beziehungsweise Bündelungen von Softwarefunktionen und Services. Neben einzelnen Neuentwicklungen wie beispielsweise dem Data Hub bestehen die Suiten größtenteils aus bereits bestehenden Lösungen - selbst entwickelt oder zugekauft -, die hier neu zusammengefasst werden.
Der Knackpunkt dieser Suiten liegt darin, wie gut die einzelnen Komponenten und Funktionen miteinander integriert sind. Nur wenn das Weiterreichen von Daten oder Zusatzfunktionen wie Künstliche Intelligenz oder Machine Learning nahtlos in bestehende Prozessketten eingeklinkt werden können, werden die Anwender bereit sein, dafür Geld auszugeben. Doch gerade an dieser Stelle gab es durchaus Defizite. So hat die Deutschsprachige SAP Anwendergruppe (DSAG) in der Vergangenheit wiederholt eine bessere Integration innerhalb des Produktportfolios ihres Softwarelieferanten angemahnt.