Microsoft hat seinem relativ jungen Kind Sharepoint viel zu verdanken, denn der Portal-, Dokumenten- und Collabration-Server mauserte sich in vielen Unternehmen zum Rückgrat für Information-Worker-Arbeitsplätze und Geschäftsprozesse. Passend dazu eröffnete Topmanager Jared Spataro die Sharepoint Conference 2014 in Las Vegas vor 8000 Teilnehmern mit ein paar würdigenden Superlativen: Das "am schnellsten wachsende Microsoft-Produkt aller Zeiten" steuert inzwischen 1,5 Milliarden Dollar Jahresumsatz bei und kommt in 60 Prozent der Fortune-500-Unternehmen zum Einsatz. Doch allzu lange wollte er sich mit nicht aufhalten, denn Microsoft hat größeres vor - und dabei scheint man den Nukleus Sharepoint zunehmend als Hemmschuh zu empfinden.
Auffallend schnell jedenfalls wechselte die Präsentation auf den neuen Star im Redmonder Stall, auf Office 365. Die Cloud-Plattform, die durch gehostete Sharepoint-Server vor drei Jahren erst möglich wurde, nimmt immer mehr Fahrt auf. Während die zugrundeliegenden Server Sharepoint, Exchange und Lync für Kunden nur alle drei Jahre in neuer Version erscheinen, steigert Microsoft bei Office 365 noch einmal die Entwicklungsintervalle und stellt alle paar Wochen Verbesserungen bereit. Mit einer Reihe von Ankündigungen will der Konzern nun das Wachstum weiter anfeuern.
Office Graph und Oslo: Nächste Portal-Generation
Am meisten Aufsehen erregte die angekündigte Einführung des Office Graph und der ersten Referenzanwendung mit dem Codenamen Oslo auf Office 365-Basis. Jeff Teper, der inzwischen Herr nicht nur über Sharepoint, sondern auch über Office 365 und Exchange ist, nannte es das "Next Generation Portal" und beschrieb die Neuerung so: "Oslo reichert Office Inhalte mit Social-Informationen an und stellt den Anwendern über Echtzeit-Suche die relevantesten Dokumente inklusiver aller Interaktionsinformationen zur Verfügung." Wie der Name schon andeutet, steckt dahinter die norwegische Entwicklertruppe des 2002 der übernommenen Suchmaschine Fast, die hier unter anderem Echtzeit-Suchfunktionen beigesteuert hat. Kombiniert wird das Ganze mit dem von Yammer entwickelten Enterprise-Graph, der Signale aus E-Mail, sozialen Konversationen, Dokumenten, Sites, Instant Messages und Meetings Signals analysiert. Das darauf basierende Oslo ist ein Such-Portal im Stil von Google+, das dem Benutzer eine Social-basierende Suche innerhalb von Office- und Firmenumgebungen bereitstellt.
Collaboration-Experte Siegfried Lautenbacher, Geschäftsführer von Beck et al., hält die Einführung des Office Graph für einen richtigen und mutigen Schritt, vermisst aber noch eine klar erkennbare Funktionalität: "Als Hintergrund-App des Cockpit-artigen Oslo bietet der Graph Benutzern erleichterten Zugang zu allen Streams, Ereignissen und Aktualisierungen. Inwieweit dadurch die Workplace- und Workflow-Integration verbessert werden, bleibt abzuwarten, da derzeit Funktionalität und Interaktionsmöglichkeiten noch nicht klar zu erkennen sind. Nach dem jetzigen Stand handelt es sich um eine optische Stream-Zusammenfassung und Filtermöglichkeit, ähnlich wie es IBM's Mail Next andeutet."
Wo die Graph-Daten herkommen
Für Unternehmen stellen sich im Zusammenhang mit dem Office Graph einige Fragen. Wie beispielsweise erhält der Graph ausreichend viele Informationen, wenn ein Unternehmen klein und die Anzahl der Dokumente gering ist? Im Interview erklärte Teper, wie Office 365 dieses Thema löst: "Selbst kleine Kunden müssen lediglich ihre Dokumente und E-Mails migrieren. Das reicht für die Engine aus, um genügend Social-Signale zu generieren. Darüber hinaus setzten wir auf Partnerfirmen im Sharepoint-Umfeld, die neue Daten- und Interaktions-Quellen aus verschiedensten Unternehmens-Repositories zum Befüllen des Graph erschließen werden."
Ein weiteres Thema, auf das Microsoft bei der Weiterentwicklung von Office 365 viel Wert gelegt hat, ist das Reizthema Privatsphäre. Beim Office Graph heißt das zum Beispiel, dass er Rechtevergaben in Unternehmenssystemen berücksichtigt und auf Wunsch auch komplett für das gesamte Unternehmen deaktiviert werden kann. Auch zur globaleren Frage des Datenschutzes in der Microsoft-Cloud bezog Teper Stellung: "Wir haben einige Zehnmillionen Dollar für Auditing und Zertifizierungen ausgegeben. Zudem haben wir Sharepoint und Exchange Online dahingehend modifiziert, dass die Kundendaten komplett isoliert sind und kein Mitarbeiter in den Rechenzentren darauf Zugriff hat."
Das Ende von Sharepoint, wie ihn die User kennen
Mit großer Spannung erwarteten viele Konferenzteilnehmer auch Aussagen zur Zukunft des Sharepoint-Servers (On-Premises). Zunächst einmal stellte Teper gleich in der Eröffnungsrede klar, dass im nächsten Jahr neue Versionen von Sharepoint und Exchange erscheinen werden. Damit ist der Verbleib der Produkte vorerst bis 2018 sichergestellt. Allerdings gab man in diesem Zusammenhang bekannt, dass der Newsfeed von Sharepoint nicht mehr weiterentwickelt wird. Stattdessen legt man Kunden den Umstieg auf die Cloud-Plattform Yammer für Social-Collaboration nahe.
Teper nannte hinterher weitere Details zu dieser Entscheidung: "Angesichts der vielen Kunden und Partner war es uns wichtig, die Entwicklung einer weiteren Version von Sharepoint und Exchange klarzustellen. Es wäre unverantwortlich von uns, den Kunden über Nacht zu sagen, dass wir keinen weiteren Server mehr bringen werden." Allerdings unterstrich er noch einmal, dass aus Microsoft-Sicht Office 365 der einzige Weg für eine zukünftige Produktivitätsplattform ist, da sie einen Funktionsumfang biete, der mit lokal installierten Systemen nicht wirtschaftlich zu realisieren sei.
Gartner-Analyst Jeffrey Mann, der bereits im vergangenen Jahr das Ende des Sharepoint-Servers prognostizierte, sieht sich nach den aktuellen Stellungsnahmen bestätigt und geht von Version 2015 als der letzten aus: "Es wird keine neuen Versionen mehr geben, sondern nur noch eine weitere, bevor der Vorhang auf Sharepoint, wie ihn die meisten User kennen, fallen wird."
Neues zur SAP-Integration
Zu den weiteren unternehmensrelevanten Themen auf der Konferenz gehörten auch ein paar Neuigkeiten im SAP-Kontext. Wenn es um die Integration von SAP-Daten in Sharepoint geht, galt bisher Duet Enterprise als Empfehlung. Gerüchtehalber wird jedoch die Zusammenarbeit der Walldorfer mit den Redmondern auf diesem Gebiet nicht aktiv vorangetrieben. Als Alternative kommt deshalb der jetzt offiziell vorgestellte SAP Netweaver Gateway Productivity Accelaerator für Microsoft (GWPAM) ins Spiel. "Damit lassen sich Daten direkt aus SAP über ein Plugin in Office-Anwendungen integrieren, ohne dass sie den Weg über Sharepoint nehmen müssen", erklärte auf der Konferenz der1stQuad-Berater Joachim von Seydewitz. Daneben sei auch eine individuelle Entwicklung mit Hilfe von Visual Studio möglich.
Ein weiteres Highlight war schließlich noch Onedrive for Business. Dieser Markt für Cloud-Speicherdienste ist von Newcomern wie Dropbox und im Unternehmensbereich Box besetzt und wird bereits als potenzielle Gefahr für klassische ECM-Anbieter eingestuft. Microsoft nimmt nun den Fehdehandschuh auf und bringt das bisher in Office 365 und Sharepoint integrierte Onedrive (ehemals Skydrive Pro) als eigenständigen Dienst ab 1,50 Dollar pro Monat mit 25 GB Kapazität heraus. Teper hat dafür auch gleich das ambitionierte Ziel ausgegeben: "Wir wollen Marktführer bei Cloud-Speicherdiensten werden."
Sharepoint Conference 2014 - alle Neuerungen
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Office Graph: Office 365 erhält eine neue Social-Infrastruktur auf Yammer-Basis, die es ermöglicht, aus klassischen Office- und Collaboration-Umgebungen eine Interaktive Arbeitsumgebung mit Social-Networking-Funktionen zu bauen
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Oslo: Such-Portal mit Social-Funktionen für Office-Dokumente als erster Referenzentwurf auf Basis des Office Graph
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Office Video: Einsatzfertiges Videoportal auf Basis von Sharepoint Online und Azure Media Services
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Open Source SDK für Android: Entwicklungs-Tools zum Erstellen von Android-Apps für Office 365 und Sharepoint Services
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Acccess Services: Bietet Möglichkeiten zur App-Entwicklung ohne Code für App Catalog oder App Store. Auch als Alternative für die abgekündigte Infopath-Formularplattform
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Onedrive: Onedrive for Business als eigenständiger Cloud-Speicher ab 1,50 Dollar pro Monat mit 25 GB
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SAP-Integration: SAP Netweaver Gateway Productivity Accelerator (GWPAM) als Alternative zu Duet Enterprise für die Integration von SAP-Daten in Office-Anwendungen