Von Dr. Ronald Wiltscheck
Marktforschungsinstitute halten Linux-Anteile am Desktop zwischen 0,5 und 3 Prozent für möglich. Genauere Zahlen sind schwer zu erhalten, da eben für das quelloffene Betriebssystem keinerlei Lizenzgebühren zu entrichten sind und deswegen Erhebungen darüber, wer dieses Betriebssystem tatsächlich nutzt, nicht so ohne weiteres zu nachprüfbaren Ergebnissen führen. Denn jeder kann sich theoretisch Linux auf seinen PC oder Notebook draufspielen.
Verkauft wurden im Vorjahr laut IDC mehr als fünf Millionen Linux-Clients, doch die Dunkelziffer dürfte viel höher liegen. An die Marktanteile im Serverbereich reicht der Linux-Client sicherlich noch lange nicht heran, doch dafür wurde dieses System auch gar nicht geschaffen. Es war zuallererst eine Serverplattform, die bis heute etwa als Grundlage von Webdiensten sehr gute Arbeit verrichtet.
Eine stärkere Präsenz von Linux auf dem Client scheiterte schon an der profanen Tatsache, dass es von Anfang an zwei unterschiedliche Ansätze für eine Desktop-Oberfläche gab: Gnome und KDE. Daran hat sich bis heute nichts geändert.
Während KDE von europäischen Entwicklern gepusht wurde und in den Anfangszeiten die bevorzugte Desktop-Plattform in den ersten Suse-Linux-Distributionen war, entstammt Gnome dem amerikanischen Raum, genauer gesagt Mexiko. Dort rief Miguel de Icaza zusammen mit Federico Mena das Gnome-Projekt aus. Die ersten Linux-Distributionen von Red Hat wurden ausschließlich mit Gnome als Benutzeroberfläche ausgeliefert. Mittlerweile bieten sowohl die zu Novell gehörende Suse Linux AG als auch Red Hat beide Desktops zur Auswahl. Doch genau diese Mannigfaltigkeit von Linux verhindert dessen Verbreitung.
Die Industrie versucht hier zwar, De-facto-Standards zu schaffen, doch dies braucht eben seine Zeit. So rief beispielsweise Intel ein spezielles Linux-Desktop-Programm für Partner ins Leben. Ziel der weltweiten Linux-Initiative "Quick Start Kit for Linux" ist es, all die 160.000 weltweiten Intel-Partner zu ermuntern, Linux-Desktops anzubieten. So erhalten Partner nun von Intel Motherboard-Treiber, Skripts zur Automatisierung der Betriebssystem-Installation, Kompatibilitätstests und spezielle Linux-Marketinghilfen.
Intels Software-Kit arbeitet mit Linux-Distributionen von Suse und Red Hat. Der Chiphersteller verspricht, dieses Angebot kontinuierlich zu erweitern, sodass es bald die gleiche Bedeutung erhält wie das Programm für Microsoft Windows. China und Indien gelten für Intel als Linux-Pioniere: Dort ist das entsprechende Partnerprogramm bereits im November 2004 angelaufen. Dennoch: Intel schätzt die Situation realistisch ein: "Die Nachfrage nach Linux auf Desktop-PCs hält sich zwar in Grenzen", erklärte ein Unternehmenssprecher, "doch sie zieht an." Channel-Partner sollten diese Geschäftsmöglichkeiten nicht außer Acht lassen.
In Deutschland gilt die Natural Computing GmbH als Vorreiter in Sachen Linux am Desktop. Pünktlich zur CeBIT hat der IBM-Partner die "3rd Edition" seiner "test-the-desk"-Evaluations-CD herausgebracht. Damit lässt sich testen, wie man mit einem Linux-Desktop zurechtkommt.
Das "natural.Desktop" basiert auf einer Debian-GNU/Linux-Distribution mit dem Kernel 2.6. Es stellt Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Präsentationssoftware, Internet-Zugang, Mail-Client, Gruppenterminkalender und Fax-Software zur Verfügung. Als Benutzeroberfläche kommt dabei die neueste KDE-Version 3.3 zum Zuge, als Webbrowser ist Firefox 1.0 und als E-Mail-Client Thunderbird 1.0 vorgesehen.
In Kundenprojekten arbeitet Natural Computing mit Becom zusammen. Das Systemhaus besorgt die IBM-Hardware. Ein von beiden Unternehmen angebotenes Startpaket für kleinere Firmen besteht aus fünf Think-Centre-Desktops und zwei xServern, wovon einer als Internet-Gateway fungiert und der andere für Datenhaltung und Druckjobs verantwortlich ist. Ein Laserdrucker von Hewlett-Packard, ein Flachbett-Scanner von Canon samt USV plus Netzwerk-Equipment sowie natürlich die Linux-basierende Software auf den Servern und den Clients vervollständigen das Angebot. Preis des Gesamtpakets inklusive Installation in Deutschland: 11.500 Euro plus Mehrwertsteuer.