20. ChannelPartner-Kongress in Düsseldorf, September 2024

KI, Cyber-Security und Wachstumschancen

Ronald Wiltscheck widmet sich bei ChannelPartner schwerpunktmäßig den Themen Software, KI, Security und IoT. Außerdem treibt er das Event-Geschäft bei IDG voran. Er hat Physik an der Technischen Universität München studiert und am Max-Planck-Institut für Biochemie promoviert. Im Internet ist er bereits seit 1989 unterwegs.
2023 wartete der ChannelPartner Kongress mit neuen Superlativen auf. 2024, zum 20-ten Jubiläum dieses in Deutschland einmaligen Events für IT-Dienstleister, wurden neue Rekorde gebrochen: 26 Sessions, drei Keynotes, drei Expert-Talks und zwei Marktausblicke – da hatten die über 270 Teilnehmer die Qual der Wahl.

2005 fand der erste ChannelPartner-Kongress in Düsseldorf statt und von da an immer dort. Lediglich 2020 mussten wir Corona-bedingt in den virtuellen Raum ausweichen. Im Laufe der Jahre entwickelte sich dieser Branchen-Event zu einem Muss-Termin für Hersteller und IT-Dienstleister.

Die 2024-er Ausgabe des ChannelPartner-Kongresses war naturgemäß von den aktuellen Themen der IT-Industrie beherrscht: KI und Cyber-Security. Aber auch die derzeitige Wirtschaftsflaute in Deutschland bestimmte das Geschehen in Düsseldorf. Denn auch Systemhäuser spüren die zurückgehenden IT-Investitionen hier zu Lande.

Doch die in Düsseldorf anwesenden Vertreter der IT-Dienstleister ließen sich die Laune dadurch nicht vermiesen. Sie sind ohnehin überzeugt, dass die IT-Projekte nur aufgeschoben sind. Spätestes 2025 sollte es dann wieder aufwärts gehen, denn dafür ist der Digitalisierungsnachholbedarf einfach zu groß, Investitionen in KI/Automatisierung und Cyber-Security dulden ohnehin keinen Aufschub.

Das belegte nachdrücklich Christian Gäbel in seiner Eröffnungs-Keynote. Der Geschäftsführer des IT-Security-Dienstleisters pco schilderte den mangelnden Cyber-Security-Zustand in Deutschlands Unternehmen. So leiden die Firmen hier zu Lande unter den Bedrohungen des Identitätsdiebstahls, sie werden mittels Ransomware erpresst und Cyberkriminelle dringen über Schwachstellen tief in die IT-Infrastruktur der deutschen Wirtschaft ein. "70 Prozent unserer Kunden werden via Phishing-Mails angegriffen", sagte Gäbel.

Danach schilderte der pco-Chef, wie professionell die Cybermafia organisiert ist: hochspezialisiert, mit klarer Aufgabenteilung (Malware-Entwicklung, Vertrieb, Marketing, Administration, Data Mining, Finanzabteilung). Mit diesem Geschäftsmodell werden derzeit Milliardengewinne erzielt. Und so plauderte Gäbel ein wenig aus dem Nähkästchen, erzählte von Cyber-Vorfällen bei Unternehmen, die noch keine pco-Kunden und daher nicht ausreichend geschützt waren.

Im schlimmsten Fall musste ein Unternehmen acht Wochen Totalausfall verkraften, bis zu 40 IT-Fachkräfte mussten dort Schwerstarbeit leisten, bis die IT-Infrastruktur wieder instand gesetzt war. Gleichzeitig wies Gäbel auch auf einen gewissen "Ehrenkodex" der Cyberkriminellen hin, wonach nach der bezahlten Entschlüsselung die Unternehmensdaten wieder zur Verfügung standen und im Darknet nicht veröffentlicht wurden.

Ähnlich gelagert war auch die von Stefan Becker (BSI) geführte Session zur aktuellen Cyber-Security-Lage in Deutschland. So stellen die Angriffe mit Ransomware, also mit Malware, die Unternehmensdaten verschlüsselt, derzeit die größte Bedrohung der Cyber-Sicherheit dar. Hier rät der BSI grundsätzlich von Zahlungen des "Lösegeldes" ab, um an die verschlüsselten Daten wieder heranzukommen.

"Die Qualität dieser Ransomware-Angriffe wächst stetig", betonte Becker in seinem viel beachteten Vortrag. "Das herrscht hohe Arbeitsteilung, und Cyber-Crime wird zunehmen als ein Managed Service angeboten", so der BSI-Mann. In diesem Zusammenhang verwies er auch auf die vielfältigen Chancen, die KI-Technologien bieten könnte, etwa für einen wirksamen Cyberschutz durch automatisierte Erkennung und Abwehr von Attacken. Andererseits stehen die gleichen Werkzeuge den Cyber-Kriminellen zu Verfügung. Damit können sie neue Malware programmieren und vollautomatisierte Angriffe fahren.

Zum Schluss seiner Session verwies Becker auf kostenlose BSI-Angebote zur Erhöhung des Cyber-Security-Levels in kleineren Unternehmen, etwa auf den "Cyber Risiko Check".

CIO-Expert-Talk: IT-Dienstleister sollten öfter widersprechen

Die Resonanz auf die CIO-Expert-Talk Premiere auf dem ChannelPartner-Kongress 2023 war überwältigend, so dass auch 2024 zwei CIOs sich erklärt haben, den anwesenden IT-Dienstleister die Leviten zu lesen. Ganz so schlimm kam es dann doch nicht. Zuerst schilderte Bofrost-CIO Dennis Buelow und Thomas Landsberger, CIO von Aperam ihre aktuellen Business-Herausforderungen und ihre damit verbundenen Wünsche an IT-Dienstleister.

Dennis bemängelte, dass IT-Dienstleister oft zu "technikverliebt" seien. Viel entscheidender sei, dass sein Business verstanden werde, kurz: "Eine Idee, die es Mitarbeitern beim Kunden vor Ort ermöglicht, mehr zu verkaufen!". Thomas ermunterte IT-Dienstleister zu mehr Mut zur Eigeninitiative: "Widersprecht uns aktiv, wenn wir eine blöde Idee haben! Teilt mit uns Eure Ideen, schlagt uns etwas vor! Strategisch ist eine Partnerschaft nur dann, wenn beide ins Risiko gehen und beide den Erfolg teilen!"

Dennis verdeutlichte am Beispiel von Tablets, was "Verständnis für sein Business" bedeutet: Es war schwer, IT-Dienstleister zu finden, die Bofrost mit robusten Tablets ausstatten konnten. "Unser Fahrer vergessen manchmal ihr Tablet im Kühlraum, daher wäre es sehr wichtig, dass diese Geräte nach dem Auftauen sofort einsatzbereit sind", so der Bofrost-CIO.

Wachstumsphasen gut überstehen

Auch beim Expert-Talk mit Santosh Wadwa (Fujitsu), Robert Weber (Fornax) und Stefan Hörhammer (Medialine) lauschte das Publikum den Ausführungen der drei Kontrahenten gebannt zu. Es ging um Wachstum, und wie dieses zu steuern ist. Im Eingangsstatement forderte Santosh Wadwa, dass sich Systemhäuser kontinuierlich verändern müssten, es aber oft nicht tun, was zum Beispiel auch zu der allseits bekannten Nachfolgeproblematik führen würde.

Bei den zwei an dieser Diskussion teilnehmenden IT-Dienstleistern ist das definitiv nicht der Fall. So hat etwa die Fornax GmbH in den vergangenen zwei Jahren einen radikalen Transformationsprozess hinter sich gebracht. "Das war zum großen Teil auch Corona geschuldet", berichtet Robert Weber, der genau zu Beginn der Pandemie Anfang 2020 bei Fornax als Geschäftsführer verpflichtet wurde.

"Und da fiel plötzlich ein Großteil der Projekte weg", erinnert er sich. Da legte Weber den Schalter um, und Fornax bot nur noch Managed Services an, erst Dienstleistungen wie Netzwerkadministration, danach auch Software (SaaS), und seit kurzem auch Hardware "as a Service". Die Zahl der Mitarbeiter nahm von elf auf 35 zu, und soll sich weiter auf 50 erhöhen.

Stefan Hörhammer hat gemeinsam mit seinem Bruder Martin das Unternehmen Medialine 1999 gegründet. Seitdem ist das eine Erfolgsgeschichte. Der IT-Dienstleister wächst kontinuierlich und vermeldet alle paar Monate mal eine kleinere, mal eine größere Akquisition. Für Stefan Hörhammer als COO der Medialine-Gruppe muss vor allem die Integration der übernommenen Unternehmen funktionieren: "Diese Story nimmt uns die Branche ab".

Die Frage, wie Medialine es schafft, diese Akquisitionen ausschließlich mit eigenen Mitteln zu stemmen, ohne die Hilfe von Finanzinvestoren, beantwortete Stefan ganz kurz: "Wir können gut rechnen!" Im Laufe der Diskussion wies er auch darauf hin, dass der "Mindset" der zu übernehmenden IT-Dienstleister zur Unternehmenskultur von Medialine kompatibel sein muss, sonst klappt die Integration nicht.

KI im Praxis-Check

Der Siegeszug der generativen AI-Anwendungen wie ChatGPT brachte das Thema "Künstliche Intelligenz" bereits Ende 2022 der Öffentlichkeit nahe. Doch inwieweit setzen sich "Machine-Learning"- und KI-Technologien in Business-Umfeld durch. Die wirklich funktionierenden Business Cases sind noch dünn gesät, einige von ihnen stellte Udo Würtz, Chief Data Officer bei Fujitsu, in seinem viel beachteten Vortrag vor.

Er ging aber auch detailliert auf die dahinter liegende Technik ein, die Vielzahl an "Large- Language-Modelle (LLM) etwa, von denen nur eine Handvoll überleben wird. Er plädierte dafür, vorsichtig zu sein im Umgang mit den öffentlichen LLM-Anwendungen wie ChatGPT. Da droht unter Umständen sogar der Verlust des eigenen geistigen Eigentums (IP, Intellectual Property) - eigentlich eine Warnung, die seit Ende 2022 breit verkündet und doch so wenig beachtet wird.

Da sei es schon besser, eine eigene KI-Instanz im eigenen isolierten Rechenzentrum zu betreiben, gerne mit den öffentlich verfügbaren LLM, auch den quelloffenen Varianten. Doch das wiederum bringt oft enorme Kosten mit sich. Die KI-Chips, meist von Nvidia, sind sehr teuer in der Anschaffung und auch kostspielig im Betrieb, weil sie eben äußerst energiehungrig sind.

Mit der "Private GPT"-Lösung von Fujitsu hat der Hersteller in Kooperation mit Mistral und Cohere ein Paket geschnürt, das nun auch dem Channel zur Verfügung gestellt wird. Die Open Source-Komponenten kommen dabei von Suse. Laut Würtz nutzen EU-weit bereits 300 Kunden die "Private GPT"-Lösung von Fujitsu.

Ebenfalls stark in KI-Technologien engagiert präsentierte sich HPE auf dem ChannelPartner-Kongress. Und mit Cancom brachte der Hersteller auch einen Partner nach Düsseldorf mit. Daniel Kiehl, der bei dem Münchner IT-Dienstleister das Competence Center Datacenter & Cloud leitet, gab in seiner Session den Teilnehmern ein paar Tipps mit auf den Weg, wie sich KI-Technologie in Business-Anwendungen sinnvoll integrieren lässt.

Laut Kiehl beschäftigt sich Cancom bereits seit 2016 mit der KI-Thematik. Und so hat das Systemhaus bereits einiges an Erfahrung im Umgang mit dieser Technologie gesammelt und kann auf echte Business Cases bei einigen seiner Kunden verweisen. Für Finanzdienstleister und die Pharmabranche hat Cancom bereits eigene KI-Experten-Teams abgestellt.

Unter anderem auch um KI ging es in dem dritten Expert-Talk auf dem ChannelPartner-Kongress 2024. An dieser Runde nahmen Gerry Steinberger (HPE), Olaf Niemeitz (Axians), Michael Hollmann (Basys Brinova) und Stefan Schneider von der Sievers Group teil. Steinberger betonte im Laufe dieser Diskussion, dass die KI-basierten Use-Cases von Kunden im Business-Umfeld von den Partnern kommen müssen, das könne auch ein Hersteller wie HPE nicht leisten, da er dazu die Kunden und deren Geschäftsmodelle zu wenig kenne.

Technologische Innovationen sollten schon vornehmlich von Herstellern kommen, da waren sich alle Teilnehmer dieser Diskussionsrund einig. Differenzen gab es aber bei Antworten der drei Dienstleister auf die Frage aus dem Publikum, inwieweit sie die von den Herstellern vorgegebenen Innovationen vorantreiben sollten: "Die enorme Geschwindigkeit, mit der Microsoft neue KI-Lösungen auf den Markt wirft, überfordert schon manche von uns", gab Michel Hollmann vom Connexta-Mitglied Basys Brinova zu. "Ja, in der Realität ist das oft schwierig", stimmte ihm Stefan Schneider von Sievers bei. Olaf Niemeitz betrachtet hingegen Systemhäuser als Katalysatoren beim "Ins-Business-Bringen" von neuen Technologien: "Technologisch sollten IT-Dienstleister ihren Kunden immer voraus sein."

Der Community-Treff der IT-Dienstleister in Deutschland

Auch wenn der 20. ChannelPartner Kongress alle Rekorde gebrochen hat, die Veranstaltung blieb familiär wie eh und je. Man kennt sich eben, und "Neuzugänge" sind immer herzlich willkommen. Das gesamte ChannelPartner-Team bedankt sich bei allen Teilnehmern und Kooperationspartnern, insbesondere bei Fujitsu und HPE, Yorizon, HP, N-able, Pax8 und Terra, Haufe X360, Kyocera und Radware, APC, Alpenshield, CyberPower, EGS, Evernex, Goto, ITscope, QBS, Ricoh, Singhammer, SKtes, Topi, Vanquish und WTG, sowie bei Equipme, AVM, iSCM, Context, Compass, CompTIA, comTeam, CPN, DBC, Eco, IAMCP, IT League, Kiwiko, Networker NRW und Synaxon.

Vergangene Events:

ChannelPartner-Kongress 2023
ChannelPartner-Kongress 2022
ChannelPartner-Kongress 2021
Channel meets cloud 2024

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