Was jahrelang "das Internet" war, ist heute "die Digitalisierung": Ein schwer definierbares Dings, dass abwechselnd als Heilsbringer gefeiert und als Dämon gefürchtet wird. In der einen Woche vernichtet es angeblich sämtliche noch vorhandenen Arbeitsplätze, in der nächsten verschafft es uns Freiheit und eine Lebensqualität, von der wir kaum zu träumen wagen.
Und zu jeder Prognose erscheint eine Studie, die mit betonharten Zahlen und alternativloser Methodik das Behauptete belegen. Neuestes Beispiel ist die Untersuchung "Der Einfluss der Digitalisierung auf die Arbeitskräftesituation in Deutschland", die PwC gemeinsam mit WifOR, einem unabhängiges Wirtschaftsforschungsinstitut, das als Ausgründung aus dem Fachgebiet Finanz- und Wirtschaftspolitik an der TU Darmstadt entstanden ist, durchgeführt hat.
Die Studie beschäftigt sich mit der Frage, welche Wirkungen Digitalisierung auf den deutschen Arbeitsmarkt haben wird. PwC will damit die "häufig sehr emotional geführte Debatte zu den Auswirkungen der vierten Industriellen Revolution auf den Arbeitsmarkt" versachlichen. Bisher sei die Debatte, findet PwC-Vorstandssprecher Norbert Winkeljohann, "weitgehend von Ängsten geprägt."
Engpass von 4,2 Millionen Arbeitskräften wird halbiert
Einer der Gründe für die diffuse bis negative Haltung in Sachen Digitalisierung sei die Tatsache, "dass es bisher noch wenig konkrete Prognosen zu den Auswirkungen der Digitalisierung gibt, besonders im Hinblick auf die große Gruppe der Arbeitnehmer." Diese Lücken glauben PwC und WifOR jetzt schließen zu können.
Das Besondere an der Untersuchung ist nach Angaben ihrer Macher, dass sie nicht nur Rationalisierungseffekte betrachtet, sondern auch den Faktor Demografie sowie den strukturellen Wandel in vielen Branchen berücksichtigt.
Vor diesem Hintergrund lautet die Quintessenz Studie: Durch Digitalisierung verringert sich der bis 2030 erwartete Engpass von 4,2 Millionen Arbeitskräften in Deutschland um die Hälfte. Deshalb sei Digitalisierung keineswegs ein Jobkiller, sondern sie schaffe einem Mangel Abhilfe. Die Zahl von 4,2 Millionen beruht auf Berechnungen aus einer anderen Untersuchung, die bei Erscheinen der hier besprochenen Digitalisierungsstudie noch nicht veröffentlicht war.
Seriöse Aussagen über 2030 sind unmöglich
Unabhängig davon, wie dieser Wert ermittelt wurde: Die Prognose ist mit großer Vorsicht zu genießen, weil eine seriöse Aussage über die Verhältnisse im Jahre 2030 gar nicht möglich ist.
Arbeitsmarkt ist abhängig von der Politik
Auf den Arbeitsmarkt wirken unzählige Effekte ein, die vor allem von politischen Entscheidungen abhängen. Drei einfache Beispiele sollen das verdeutlichen.
Erstens Erwerbstätigkeit von Frauen: Wenn sich die Politik dazu entschließt - wie schon häufig diskutiert - das Ehegattensplitting zu kappen und ganz abzuschaffen, würden (zwangsläufig) mehr Frauen einer Erwerbsarbeit nachgehen als bisher.
Zweitens Rentenniveau: Sollte das Rentenniveau wie in der Vergangenheit weiter - und vielleicht noch schneller als bisher - sinken, würden mehr alte Menschen neben der Rente auch arbeiten gehen (müssen).
Drittens Zuwanderung: In diesem Bereich wissen wir am allerwenigsten, wie es in den kommenden Jahren weitergeht. In jedem Fall wirkt sich Zuwanderung stark auf den Arbeitsmarkt aus.