Die Menschen in Deutschland sollen ein Recht darauf haben, dass Verwaltungsleistungen des Bundes auch digital angeboten werden. Das sieht die Neuauflage des Onlinezugangsgesetzes (OZG 2.0) vor, auf die sich die Fraktionen von FDP, Grüne und SPD geeinigt haben. Das Recht auf digitale Verwaltungsleistungen soll vom Jahr 2028 an beim Verwaltungsgericht eingeklagt werden können, heißt es in dem Gesetzentwurf, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Der Rechtsanspruch gilt nicht für Leistungen, bei denen eine digitale Bereitstellung "technisch und rechtlich" unmöglich ist oder die kaum genutzt werden. Auch ein Schadenersatz soll nicht eingeklagt werden können. Innerhalb von zwei Jahren soll das Bundesinnenministerium Standards und Schnittstellen für den Onlinezugang zu Verwaltungsleistungen festlegen. Vom Bund aus könnten damit auch Impulse für die Digitalisierung der Verwaltung in den Bundesländern und Kommunen ausgehen.
Zur besseren Akzeptanz des zentralen Bundeskontos (Bund-ID) soll ein vereinfachtes Log-in beitragen, das sich den Gepflogenheiten beim Online-Banking annähert. Bislang müssen die Bürgerinnen und Bürger sich bei jeder Einwahl mit dem elektronischen Personalausweis ("ePerso") identifizieren. Künftig soll dies nur beim ersten Mal notwendig sein. Danach reicht auch eine Bestätigung durch biometrische Merkmale aus.
Neues Verfahren orientiert sich am Online-Banking
Am Sicherheitsniveau des Online-Bankings soll sich künftig auch das Verfahren orientieren, wenn jemand die sechsstellige PIN für seinen "ePerso" vergessen haben sollte. Im Rahmen der aktuellen Sparmaßnahmen hatte das Innenministerium beschlossen, keine Rücksetzbriefe mehr zu verschicken, mit denen Nutzer ihre PIN zurücksetzen können.
Dem Vernehmen nach will nun die Koalition nun jedoch am Briefversand festhalten. Die Ersatz-PINs sollen aber in einem 85-Cent-Brief verschickt werden, so wie dies auch von Banken praktiziert wird. Bei dem bislang verwendeten Verfahren seien 13 Euro pro Rücksetzbrief aufgelaufen.
Einfacher Gebühren bezahlen
Vereinfacht werden soll auch das Bezahlen, wenn Bürgerinnen und Bürger auf dem Amt Gebühren entrichten müssen. Die Behörden sollen mehrere übliche Zahlungswege anbieten, die "möglichst barrierefrei und hinreichend sicher" sind. Dazu gehören dem Vernehmen nach nicht nur Bargeld und die weitverbreitete Girocard, sondern auch Kredit- und Debitkarten, PayPal und andere digitale Zahlverfahren wie Apple Pay und Google Pay.
Fokus auf offener Software und offenen Schnittstellen
In dem Entwurf für das OZG 2.0 wird außerdem festgelegt, dass künftig vor allem offene Standards und offene Schnittstellen verwendet werden sollen. "Open-Source-Software (soll) vorrangig vor solcher Software eingesetzt werden, deren Quellcode nicht öffentlich zugänglich ist oder deren Lizenz die Verwendung, Weitergabe und Veränderung einschränkt", heißt es in dem Entwurf. Unklar blieb dabei jedoch, ob damit eine weitere Nutzung von Software-Paketen wie Microsoft Office möglich sein wird, die nicht quelloffen angeboten werden.
Bei den Bemühungen zur Digitalisierung der Verwaltung hinkt Deutschland dem geltenden Recht hinterher. Die erste, 2017 verabschiedete Version des Onlinezugangsgesetzes verpflichtete Behörden bereits seit Ende 2022, genau 581 Behördenservices online verfügbar zu machen. Ende 2023 waren aber nur 81 der sogenannten OZG-Leistungen komplett online nutzbar. 96 weitere behördliche Dienstleistungen waren nach einer Untersuchung des Vergleichsportals Verivox immerhin teilweise online abrufbar.
Große Unterscheide bei der Umsetzung des OZG
Dem bundeseigenen Dashboard zufolge, sind die 154 vom Bund zu erbringenden OZG-Leistungen bundesweit flächendeckend verfügbar. Es hängt demnach vor allem an den von den Bundesländern und den Kommunen zu erbringenden OZG-Leistungen. Am besten schneiden Hamburg und Bayern ab. Sie haben 253 respektive 251 Leistungen flächendeckend digitalisiert.
Am schlechtesten stehen das Saarland und Sachsen-Anhalt da. Sie können ihren Bürgerinnnen und Bürger (inklusive der bereits vom Bund erbrachten, 154 OZG-Leistungen) jeweils nur 164 Leistungen anbieten. Auf Kreisebene haben Hamm, Krefeld und Essen mit 340, 325 und 310 OZG-Leistungen die besten Fortschritte gemacht.
Mangelnde digitale Verwaltung als Standortnachteil
Marc Danneberg, Bereichsleiter Public Sector beim Bitkom warnzte kürzlich die Nachzügler eindrücklich: "Die Digitalisierung der Verwaltung ist kein Komfortangebot für die Bürgerinnen und Bürger, um ihnen Behördenbesuche zu ersparen. Sie entscheidet vielmehr in Zukunft immer stärker über den wirtschaftlichen Erfolg von Regionen. Wer analog bleibt, wird abgehängt." Laut einer Bitkom-Umfrage sehen 83 Prozent der befragten Unternehmen fehlende Digitalisierung der Verwaltung als Standortnachteil, 94 Prozent bezeichnen sie als Bremsklotz für die Digitalisierung des eigenen Unternehmens.
Auch Bürgerinnen und Bürger wünschen sich eine schnellere Umsetzung. Einer weiteren Bitkom-Umfrage zufolge konnten bislang erst 14 Prozent eine Verwaltungsleistung online beantragen, nur 23 Prozent füllten schon einmal ein Online-Kontaktformular bei einer Verwaltung aus. Am besten funktioniert die Online-Terminvereinbarung für den Gang zur Behörde: Diese Funktion wurde schon von 61 Prozent der Befragten genutzt – wäre aber bei umfassender Digitalisierung nur selten erforderlich. (dpa/pma)