Ein Schreckgespenst geht um im von hoher Arbeitslosigkeit und Zukunftsangst geplagten Deutschland, und das heißt Outsourcing, genauer Offshoring. Damit gemeint ist die Verlagerung von Produktionsstätten und Dienstleistungen einschließlich IT-Services ins Ausland. Gerade mit Blick auf die am 1. Mai vollzogene Osterweiterung kommen in jüngster Zeit Ängste hoch, dass nun bald noch mehr Arbeitsplätze ins Ausland wandern werden.
Über Chancen und Risiken der EU-Osterweiterung und die Tatsache, dass Offshoring auch vor IT-Dienstleistungen nicht Halt macht, traf sich unlängst auf Einladung von Klaus Dittrich, Chef der Münchener Messe "Systems", eine hochrangige Expertenrunde aus Politik, Verbandswesen und Herstellerkreisen.
"Outsourcing oder Offshoring ist kein Phänomen, das es erst seit heute gibt. In der Automobilbranche schon seit den 70er-Jahren gang und gäbe, hat es letztendlich zu einer höheren Wertschöpfung und zum Erhalt von deutschen Arbeitsplätzen geführt", erklärte Peter Broß, seit 2003 neuer Geschäftsführer des ITK-Branchenhauptverbands Bitkom.
Relativ neu jedoch sei die Globalisierung der Dienstleistungsmärkte. "IT-Services werden dabei wie Commodity-Produkte zur weltweit gehandelten Ware", so Broß. Zu den Risiken der Osterweiterung zählen für ihn die großen Unterschiede zwischen den reichsten und den ärsten neuen EU-Ländern, im Fall Lettlands etwa liege der Faktor bei 1:6. Doch gerade auch der Rückstand der neuen Beitrittsländer zu den vorher bestehenden E15 biete auch Riesen-Absatzchancen. Von der bis hin in die höchsten Politikerkreise geführten Patriotismusdebatte will er nichts wissen und betont: "Im richtigen Maße betrieben, bedeutet Offshoring auch Wohlstandsgewinne, und zwar nicht nur für die neuen EU-Staaten, sondern insbesondere auch für Deutschland." Alexandru Borcea, Vorsitzender des rumänischen Elektronik- und Software-Industrieverbands Aries, zur Patriotismusdebatte: "Es ist nicht patriotisch, 'schlechte' Jobs zu erhalten."
Bei Bertram Brossardt, Leiter der Abteilung Außenwirtschaft und Standortmarketing vom Bayerischen Wirtschaftsministerium, rufen Begriffe wie Outsourcing oder Offshoring nur ein Stirnrunzeln hervor. Er sprach unter anderen in den Bereichen IT-Sicherheit von erheblichen Absatzchancen und sagte: "Das Thema Arbeitsplatzverlagerung sollte man nicht zu hoch hängen." Bayerns Exporte in die neuen Beitrittsländer seien in den zurückliegenden zehn Jahren um das 4,5fache, die Importe um den Faktor 4,3 gestiegen. Dass die neuen EU-Partner profitieren wollten, diene schließlich auch der Wertschöpfung Bayerns und der ganzen Republik.
"Wenn Seagate seinerzeit nicht outgesourct hätte, gäbe es das Unternehmen heute nicht mehr", meinte Hans-Dieter Blaser, Executive Director Distribution Sales für den EMEA-Raum. Zbig Zdaniwicz, Vorstand der Comarch Software AG aus Polen und seit 22 Jahren in Deutschland, erinnerte daran, dass die Deutschen schon von jeher "gute Handelsleute und Handwerker" waren, die sich von Grenzen nicht haben abschrecken lassen. Ein Warten auf die EU-Osterweiterung habe sich für die Geschäftstüchtigen in Deutschland daher erübrigt.
Vorteile, die er in Deutschland sieht: "Der Kunde hier zu Lande weiß sehr genau, was er will, in Russland und anderen Ländern Osteuropas ist das nicht immer so." Systems-Chef Dittrich stellte indes die neue Rolle der Münchener Messe als Drehscheibe zum Osten heraus.
Meinung des Redakteurs
So groß die Angst vor weiterem Arbeitsplatzabbau durch Outsourcing ganzer Produktionsstätten und Serviceabteilungen auch sein mag: Die EU-Osterweiterung bietet jede Menge Chancen für die deutsche Wirtschaft. Und das bedeutet wieder neue Arbeitsplätze. Angst sollten wir nur haben, wenn wir unsere Hausaufgaben nicht machen. Und das heißt: Lernen, sprich unsere einmaligen Bildungschancen nutzen. Denn sonst werden wir bald von den neuen Nachbarn übertroffen - oder von den Chinesen.