Andere Persönlichkeiten sind gefragt
Obige Ausführungen zeigen: Die Arbeitsbedingungen in mittelständischen Betrieben beziehungsweise KMU sind andere als in Konzernen. Deshalb brauchen ihre Vertriebs- und Verkaufsleiter auch eine andere Persönlichkeit und andere Fähigkeiten als ihre Konzernkollegen. Sie benötigen zudem eine andere Ausbildung.
Deutlich zeigt sich dies zum Beispiel, wenn Vertriebsverantwortliche von Unternehmen unterschiedli-cher Größe gemeinsam dasselbe Seminar besuchen - beispielsweise zum Thema "Neukunden-Gewinnung". Dann ergibt sich beim abschließenden Feedback, sofern dies bei der Seminarplanung nicht berücksichtigt wurde, oft folgende Situation: Die Konzern-Manager sind völlig begeistert, weil sie so viele neue Impulse erhielten. Die Vertriebsverantwortlichen der KMU hingegen sind enttäuscht, weil in dem Seminar nur "abgehobener Kram" erzählt wurde. Ihr Fazit: "Das lässt sich auf unser Unternehmen nicht übertragen." Oder umgekehrt: Die Vertriebsverantwortlichen der KMU sind total begeistert - zum Beispiel, weil sie erfuhren, wie sie mit bescheidenen Bordmitteln neue Kundengruppen erschließen können. Die Vertriebsverantwortlichen der Großunternehmen hingegen sagen enttäuscht: "Das war reine Zeitverschwendung. Mit so einem operativen Kleinkram beschäftige ich mich im Alltag nicht. Ich habe wichtigere Aufgaben."
- Der Kunde ist "reif" zum Abschluss
Bei "Big Deals" treffen sich vor dem endgültigen Vertragsabschluss oft die Chefs, um die letzten Details zu verhandeln. Es gilt, den Lieferumfang und die Lieferkonditionen vertraglich zu fixieren. Doch die Chefs waren meist nicht in alle Vorgespräche involviert. Umso wichtiger ist eine gezielte Vorbereitung. Ein paar Regeln auf den folgenden Seiten sollten Verkaufsleiter dabei beachten.<br><br> (Quelle: Peter Schreiber, Inhaber des auf den Vertrieb von Industriegütern und -dienstleistungen spezialisierten Trainings- und Beratungsunternehmens Peter Schreiber & Partner) - 1. Sich vorab systematisch informieren
Ein Kurz-Briefing während der Fahrt zum Kunden lässt nur ungenügend Zeit für eine kundenorientierte Einstimmung und strategische Überlegungen. Lassen Sie sich vom Kundenverantwortlichen spätestens zwei Tage vor dem Termin schriftlich und (eventuell mittels eines Formblatts) strukturiert informieren über:<br> - den Kunden (Was machen die? Wovon leben die?)<br> - die Gesprächspartner (Verantwortungsbereich, informeller Status in der Kundenorganisation, Entscheidungskompetenz, persönliches Interesse in diesem Bedarfsfall)<br> - die Historie des Kunden und des aktuellen Bedarfs<br> - das Potenzial (aktueller/künftiger Bedarf?)<br> - die Chance (Hat der Kunde die Grundsatzentscheidung getroffen? Welche Alternativen hat er? Wie stehen unsere Chancen?)<br> - die Entscheidungssituation (Wer entscheidet? Was sind die Entscheidungskriterien? Wie läuft der Entscheidungsprozess ab?)<br> - die Verhandlungspunkte (Welche Punkte des Angebots will der Kunde verhandeln?)<br> - die Preisfindung (Wie sieht unsere Kalkulation aus?) - 2. Alle kundenrelevanten Möglichkeiten für die Preisargumentation nutzen
Stellen Sie sich und Ihre Vertriebsmitarbeiter auf ein offensives Verhandeln ein. Bestätigen Sie dem Kunden Ihren höheren Preis und zeigen Sie ihm die Angemessenheit des Preis-Leistungs-Verhältnisses auf, indem Sie alle kundenrelevanten Leistungen Ihres Unternehmens in die Waagschale werfen.<br> Verdeutlichen Sie ihm den besonderen Nutzen Ihres Angebots aufgrund Ihrer<br> Produktpolitik<br> Sortimentspolitik<br> Servicepolitik<br> Informations- und Kommunikationspolitik<br> Preispolitik<br> Distributionspolitik - 3. Rational und emotional verhandeln
Lassen Sie sich von Ihrem Mitarbeiter sachliche (Kauf-)Argumente wie Produktvorteile und Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen notieren. Argumentieren Sie aber auch emotional. Sprechen Sie über Partnerschaft und längerfristige Zusammenarbeit. Zeigen Sie Freude und Zuversicht, Betroffenheit und Bedauern. Und signalisieren Sie: Ich will den Auftrag nicht um jeden Preis. - 4. Mit den Mitarbeitern die taktische Rollenverteilung klären
Übernehmen Sie in der Verhandlung als Verkaufsleiter eher die Rolle des "Bad Guy", überlassen Sie die Rolle des "Good Guy" Ihrem Vertriebsmitarbeiter, denn er muss danach mit dem Kunden zusammenarbeiten. Erstellen Sie einen Gesprächsleitfaden (Welches Ziel wollen wir erreichen? Worüber wollen wir in welcher Reihenfolge sprechen?) und klären Sie die Rollenverteilung (Wer nimmt welche Haltung ein? Wer sagt zu welchem Thema was?). Entwerfen Sie zudem eine Gesprächstaktik (Wenn diese Situation..., dann folgende Vorgehensweise... / Wann unterbrechen wir die Verhandlung taktisch wie?). - 5. Sich nochmals die Grundregeln von Preisverhandlungen in Erinnerung rufen
Prüfen Sie vor dem Nennen von Konditionen<br> - das Wertbewusstsein des Kunden gegenüber Ihrem Haus und Ihrer Lösung ("Entspricht unsere Lösung grundsätzlich Ihren Vorstellungen?")<br> - das Auftragsvolumen ("Es geht jetzt also gemäß unserem Angebot um folgenden Auftragsumfang ...?") und<br> - die Entscheidungsbereitschaft ("Das heißt, wenn wir uns über die Konditionen einigen, dann können Sie uns heute den Auftrag zusagen?") - 6. Die richtigen Rabatte gewähren
Gewähren Sie keine glatten Nachlässe (nicht fünf Prozent, sondern 4,86 Prozent – nicht 500 Euro, sondern 486 Euro). Denn wenn Sie nicht um jeden Euro und jedes hundertstel Prozent Preisnachlass feilschen, haben Ihre Gesprächspartner das Gefühl: Da ist noch was zu holen. Und sie haben nach dem Gespräch nicht das Gefühl: Wir haben hart und erfolgreich verhandelt.
In KMUs gefragt: Allrounder mit "Bauchgefühl"
Analysiert man, welche Verkaufs- und Vertriebsleiter KMU brauchen, dann stellt man rasch fest: Sie brauchen andere Typen als Konzerne. In KMU sind eher Macher als visionäre Strategen gefragt - Macher, die die Ärmel hochkrempeln und sich auch nicht zu schade sind, mal selbst Briefe einzutüten und sich spontan ins Auto zu setzen, wenn es bei einem Kunden brennt. Zudem brauchen die Ver-triebsleiter von KMU einen guten Draht zu den Zielkunden ihres Unternehmens und müssen deren Sprache sprechen. Nicht nur, weil sie aktiv im Verkauf mitarbeiten, sondern auch weil sie keine Heerscharen von Marktforschern beauftragen können, um zu ermitteln:
Wie entwickelt sich unser Markt?
Wo ergeben sich neue Chancen und Risiken?
Was brauchen/wünschen unsere Kunden? Und:
Wo sollten wir folglich aktiv werden?
Sie müssen sich vielmehr weitgehend auf ihren "Bauch" verlassen - also auf ihr Gespür, was wichtig, sinnvoll und Erfolg versprechend ist.
Andere Fähigkeiten erwünscht
Die Vertriebsleiter von KMU brauchen auch andere Fähigkeiten als ihre Konzernkollegen. Denn sie müssen in der Regel nicht nur die für einen erfolgreichen Vertrieb erforderlichen Strategien und Struk-turen entwickeln. Sie müssen auch die ihnen unterstellten Verkäufer führen (sofern diese existieren). Sie können diese Aufgabe nicht wie so manch Konzernmanager an Team- oder Bezirksleiter delegieren. Außerdem müssen sie viel häufiger selbst verkäuferisch aktiv werden. Also brauchen sie auch mehr verkäuferisches Know-how und mehr praktische Verkaufserfahrung als ihre Konzernkollegen - zumal ihr Können von ihren Vorgesetzten und Mitarbeitern stark hieran gemessen wird.
Doch Verkaufserfahrung allein genügt nicht. Denn die Vertriebs- und Verkaufsleiter von KMU sind oft auch für das Marketing und die Werbung zuständig. Folglich benötigen sie auch in diesen Bereichen ein solides Fachwissen und Praxiserfahrung - in Tätigkeitsfeldern also, bei denen ihre Konzernkollegen vielfach sagen: "Das geht mich nichts an. Dafür haben wir Fachabteilungen". Die KMU-Vertriebsleiter hingegen müssen sich im Arbeitsalltag auch um so "profane" Dinge kümmern wie das Verfassen von Werbebriefen, das Konzipieren von Mailingaktionen und das Gestalten von Prospekten. Bezogen auf diese Aufgaben benötigen zwar meist keine "Durchführungskompetenz" - sie müssen also zum Beispiel nicht selbst Prospekte gestalten können.
Sie brauchen aber eine "Beurteilungskompetenz", damit sie zum Beispiel Werbeagenturen adäquat briefen und ihnen zu deren Entwürfen ein qualifiziertes Feedback geben können. Sonst ist die Gefahr groß, dass die externen Unterstützer sie zu (Investitions-)Entscheidungen verleiten, die nicht dem Bedarf von Klein- und Mittelunternehmen entsprechen. Die Verkaufs- und Vertriebsleiter von KMU sollten also praxiserfahrene Allrounder mit Bodenhaftung sein; Pragmatiker zudem, die sich im Arbeitsalltag oft bewusst mit 80 Prozent-Lösungen zufrieden geben statt stets nach der 100-Prozent-Lösung zu suchen - mit der man zwar Marketingwettbewerbe, aber nicht mehr Aufträge gewinnt.
- Sinkende Margen
Wenn es Ihnen nicht gelingt, Ihre Margen mit taktischen Mitteln zu verteidigen, haben Sie sicher ein strategisches Problem. Dieses deutliche Zeichen wird häufig mit einem "Das ist in unserer Branche nun einmal so" bagatellisiert. Im Ergebnis führen stetige Margenverluste aber zu Branchenkonsolidierungen und Geschäftsaufgaben. Fakt ist, dass sich Branchen verändern und deshalb ist es angezeigt, dass sich Ihr Unternehmen rechtzeitig auf die zu erwartenden und auch die schwer vorhersehbaren Veränderungen einstellt. Idealerweise definieren Sie neue Branchenregeln. - Alarmsignale für die falsche Strategie
Ob Schach oder Unternehmensführung: Überall gibt es zuverlässige Hinweise, die zum Überdenken der aktuellen Strategie verstanden werden müssen. <br> Andreas Franken von FRANKEN-CONSULTING nennt im Folgenden fünf Alarmsignale, woran Firmenchefs erkennen, dass es Zeit für eine neue Unternehmenstrategie ist. - Hohe Mitarbeiterfluktuation
Wenn Ihnen die guten Leute davonlaufen, dann sehen diese zumeist das, was Sie selbst nicht wahrhaben wollen. Ihnen bleiben zwar die "treuen" (in Wirklichkeit schwachen) Mitarbeiter, aber seien wir realistisch, denn diese bleiben oft nur in Ermangelung von Alternativen. Machen Sie sich klar, dass Sie ein ernsthaftes Problem haben. In diesem Kontext erhöht sich auch zumeist der Krankenstand. - Ihre Liquidität verschlechtert sich kontinuierlich
Jedes gewinnorientierte Geschäftsmodell muss so konzipiert sein, dass es auch Gewinne produziert. Demnach sollten nicht nur die Gehälter verdient, sondern auch Überschüsse produziert werden. Wenn Ihnen dies trotz aller taktischen Bemühungen nicht gelingt, benötigen Sie eine neue Strategie. - Netto-Kundenverlust
Wenn Ihr Vertrieb nicht mehr Kunden neu gewinnt, als Sie durch die Mängel in Ihrem Service verlieren, dann schrumpft Ihr Unternehmen. Existieren denn gute Gründe, warum Ihre Kunden bei Ihnen bleiben sollten und existieren zudem weitere gute Gründe, warum Fremde zu Ihren Kunden werden sollten? Existieren Wettbewerbsvorteile? Wie schneiden Sie im Vergleich mit Ihrem Wettbewerb ab? Stellen Sie sich kritischen Fragen und ändern Sie Ihre Strategie! - Innovationsfeindliche Organisation
Wenn Sie von Ihrer Organisation die Sätze "Das haben wir schon immer so gemacht" oder "Das brauchen wir nicht" als Antwort auf Optimierungs- und Innovationsvorhaben hören, dann haben Sie ein Riesenproblem, denn eine Unternehmenskultur, in der sich die Leistungsträger nicht entwickeln, ist dem Untergang geweiht. Eine zukunftsfähige Strategie bringt allen Mitarbeitern eine Perspektive und somit Orientierung. Und eine Organisation benötigt Orientierung, denn sonst verliert sie ihre Zuversicht.
"Smarte" Instrumente statt komplexe Lösungen
Entsprechend sollten die im Vertriebsalltag genutzten Instrumente sein. Ihre Auswahl und Gestaltung sollte sich an der Maxime "Keep it simple and smart" orientieren - allein schon, um die Verwaltung und das Controlling nicht unnötig aufzublähen. Hierfür ein Beispiel: Für einen Konzern mit Hunderten von Verkäufern mag das Anschaffen eines komplexes CRM-Systems sinnvoll sein. Ein mittelständischer Betrieb hingegen, für den nur zwei, drei Verkäufer arbeiten und dessen Schlüsselkunden man an wenigen Händen abzählen kann, sollte sich eher fragen:
Können wir nicht auch künftig mit unserem bewährten Karteikartensystem arbeiten, bei dem farbige Reiter anzeigen, welche Kunden wir mal wieder anrufen sollten? Oder:
Genügt es nicht, unsere Kundendaten in Outlook zu erfassen und zu verwalten?
Ähnlich verhält es sich, wenn es um das Gewinnen von Neukunden und Folgeaufträgen geht. Für einen Konzern mag es sinnvoll sein, hierfür aufwändige Marketing- und Vertriebskampagnen zu starten. Bei einem mittelständischen Autohändler kann es genügen, wenn dessen Inhaber mit den Verkäufern vereinbart:
Ihr ruft alle Kunden, die vor vier Jahren bei uns einen Neuwagen gekauft haben, an und ladet sie zu einer Probefahrt ein. Denn bei ihnen ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie im kommenden Jahr ein neues Auto kaufen. Und:
Ihr ruft stets Ende März und an Anfang Oktober alle Kunden an, die regelmäßig ihr Auto bei uns war-ten lassen, um mit ihnen Termine für einen Reifenwechsel zu vereinbaren.
Mit solchen Konzepten gewinnt man zwar keine Marketingpreise, doch mit ihnen kann man den Verkauf von Produkten und Serviceleistungen forcieren.
Kontakt und Infos: Ralph Guttenberger ist geschäftsführender Gesellschafter des auf den technischen Vertrieb spezialisierten Beratungsunternehmens Kaltenbach Training, Wittenberg/Böbingen (www.kaltenbach-training.de). Der Diplom-Ingenieur für Luftfahrttechnik war vor seiner Beratertätigkeit Jet-Pilot und Kommandant einer Fliegerstaffel. Danach war er zwei Jahrzehnte in geschäftsführenden Positionen für verschiedene (Franchise-)Unternehmen tätig. Im Juni 2014 erschien sein Buch "Punktlandung im Vertrieb: Wie Sie den Kunden zielsicher zum Abschluss führen".