"Unsere Mitarbeiter müssen künftig unternehmerischer denken und handeln." Diese Aussage hört man oft von Unternehmensführern, wenn man mit ihnen über die Anforderungen an die Mitarbeiter von morgen spricht. Und fragt man nach, was dies bedeutet, dann fallen meist Stichworte wie "Eigeninitiative" und "-verantwortung" sowie "Bereitschaft, Risiken zu tragen".
Zu viel Eigeninitiative wird meist sanktioniert
Über diese Eigenschaften verfügen die Mitarbeiter aus Sicht vieler Top-Manager noch nicht ausreichend. Entsprechend häufig beklagen sie, die meisten Mitarbeiter würden bei ihrer Arbeit nicht über den Rand ihres Schreibtischs hinaus schauen; außerdem seien sie nicht bereit, das Risiko eventueller Fehlentscheidungen zu tragen. Ihr Engagement richte sich vielmehr primär darauf, sich abzusichern, so dass ja kein Kollege oder gar Vorgesetzter sie kritisieren kann. Von einem unternehmerischen Denken und Handeln hingegen finde man bei ihnen meist Spur - selbst wenn es sich bei ihnen um mittlere Führungskräfte handle.
Dass diese Einschätzung nicht selten zutrifft, ist kein Zufall. Denn viele Betriebe erwarteten jahrzehntelang von ihren Mitarbeitern vor allem, dass sie die ihnen übertragenen Aufgaben erfüllen. Das taten sie auch. Ungewohnt ist es für sie deshalb, am Arbeitsplatz eigenständig Entscheidungen zu treffen. Denn das Entscheiden nahmen ihnen in der Vergangenheit ihre Chefs ab.
Entsprechend verunsichert und teils hilflos reagieren sie, wenn von ihnen plötzlich gefordert wird: Entscheide selbst - speziell dann, wenn diese Entscheidungen auch Auswirkungen auf andere Bereiche haben. Denn in der Vergangenheit lautete eine unausgesprochene Vorgabe in zahlreichen Unternehmen: Erfüllt eure Aufgaben und mischt euch nicht in fremde Angelegenheiten ein. Entsprechend groß ist die Angst vieler Mitarbeiter, anzuecken und sanktioniert zu werden, wenn sie mehr Eigeninitiative und -verantwortung zeigen.
Nachwuchs passt sich schnell den Regeln an
Mit einem über Jahrzehnte antrainierten Verhalten lässt es sich aber nicht erklären, warum auch viele junge Führungskräfte im Arbeitsalltag ein wenig risikobereites Verhalten zeigen. Denn sie sind noch neu in der Organisation. Trotzdem zeigen auch sie meist schnell die Verhaltensmuster der "alten Hasen". Denn wenn sie eingestellt sind, sammeln sie häufig rasch die Erfahrung: Ein eigenverantwortliches und -initiatives Verhalten wird zwar propagiert, doch wenn ich zu viel davon zeige, wird dies sanktioniert. Und mein berufliches Fortkommen fördert dies nicht. Denn wenn ich mich zu oft in Dinge einmische, die mich nichts angehen, gelte ich als nicht teamfähig und schwer integrierbar. Und treffe ich Fehlentscheidungen? Dann stehe ich am Pranger.
Dass Führungsnachwuchskräfte oft diese Erfahrung sammeln, liegt auch daran, dass es vielen Top-Managern - entgegen ihren verbalen Bekundungen - vor zu vielen "kleinen Unternehmern" in ihrem Unternehmen graut. Denn sie befürchten: Dann kann ich die Organisation nicht mehr kontrollieren und steuern. Unter anderem, weil sie das Denken verinnerlicht haben: Führung fußt auf dem hierarchischen Prinzip. Das heißt: Wer oben ist, führt, und wer unten ist, wird geführt.
Das Wort Hierarchie stammt aus dem Griechischen und bedeutet: "Heilige Herrschaft" oder "Herrschaft der Heiligen". Entsprechend verhalten sich manche Unternehmensführer. Hinterfragt ein "Untergebener" offen ihre Entscheidungen oder möchte er gar zum Beispiel als Bereichsleiter mit-entscheiden, wird er schnell mit ihrem heiligen Zorn bestraft. Und wagt es ein Untergebener gar, obwohl der "Herrscher" bereits sein "Urteil" sprach, seine Meinung oder Position weiter zu vertreten, dann reagieren nicht wenige obere Führungskräfte sehr scharf. Denn dann stellt der Untergebene aus ihrer Warte ihre Entscheidungskompetenz und -macht in Frage.