Definition, Unterschiede, Beispiele

Rechtliche Grundlagen der Videoüberwachung

Dr. Eugen Ehmann ist Regierungsvizepräsident von Mittelfranken und Lehrbeauftragter für Recht und Internet. www.regierung.mittelfranken.bayern.de

Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume

Das Gesetz definiert nicht selbst, was es unter "öffentlich zugänglich" versteht. Abgehoben wird in der Literatur entweder darauf,

  • dass die Zugänglichkeit nach allgemeinen Merkmalen bestimmt wird, die von jedermann erfüllt werden können oder darauf

  • dass die Räume nach dem erkennbaren Willen des Berechtigten von jedermann betreten werden dürfen.

Das Ergebnis ist bei beiden Definitionen normalerweise identisch.

Typische Beispiele:
Frei zugängliche Verkaufsräume (nicht dagegen z. B. die Verkaufsräume eines Juweliers, zu denen man erst Zugang erhält, wenn man läutet und dann eingelassen wird oder auch nicht).
Treppenhäuser (nicht jedoch, wenn die Zugangstür erst mit einem Schlüssel geöffnet werden muss).
Hotellobby (es sei denn, man muss erst einen Portier passieren, so dass eine Art Zugangskontrolle besteht).
Auch die freie Natur ist öffentlich zugänglicher Raum. Das ist von Bedeutung beim Einsatz von "Wildkameras" durch Jäger usw.

Der Begriff "Raum" ist im Sinn von "Bereich" verwendet. Er muss also nicht überdacht sein.

Beispiel: Ein Vorplatz, der umzäunt ist, bei dem das Tor aber offen steht, ist ein Raum in diesem Sinn.

Ein Raum kann seinen rechtlichen Charakter wandeln, wenn sich die Umstände ändern.

Beispiel: Bei Ladenschluss werden die Verkaufsräume für das Publikum geschlossen. Folge: aus dem öffentlichen wird ein nicht-öffentlicher Raum. Eine Videoüberwachung ist zulässig, § 6b BDSG nicht anwendbar.

Durchführung einer "Videoüberwachung" und Einsatz von Attrappen

Dieses Merkmal wird dann problematisch, wenn mit Kameraattrappen gearbeitet wird. Meist wird argumentiert, dass auch eine Attrappe als Videoüberwachung anzusehen ist, da der Betroffene unter demselben Überwachungsdruck stehe wie bei einer echten Kamera. Das hört sich sehr konsequent an. Es führt aber zu Problemen bei der Hinweispflicht. Dennoch ist dieser Auffassung zu folgen.

Zu Problemen kann es führen, wenn eine Attrappe eingesetzt wird, dies dem Betroffenen aber verborgen bleibt und durch die Attrappe eine besondere Sicherheit suggeriert wird, die gar nicht besteht.

Beispiel: Ein Hotelparkplatz wird mit einer Kameraattrappe "überwacht". Als das Auto eines Hotelgastes beschädigt wird, bittet er um die Aufnahmen, um mit ihrer Hilfe den Täter überführen zu können. Er hat gute Chancen, den Schaden vom Hotel ersetzt zu bekommen. Letztlich ist er vom Hotel getäuscht worden, was den Vertrag verletzt, den er mit ihm geschlossen hat.

Unerheblich ist für § 6b BDSG, ob Bilder gespeichert werden oder nicht. Auch insoweit greift das Argument des Überwachungsdrucks.

Rechtfertigung der Überwachung durch einen gesetzlichen Grund

Jede Videoüberwachung eines öffentlich zugänglichen Raums setzt voraus, dass einer der im Gesetz vorgesehenen drei Rechtfertigungsgründe für eine solche Überwachung vorliegt.

Der in § 6b Abs. 1 Nr. 1 BDSG genannte Grund der "Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen" ist dabei naturgemäß nur für solche Stellen bedeutsam, nicht dagegen für Privatunternehmen. Das wäre allenfalls denkbar, wenn Privatunternehmen im Auftrag einer öffentlichen Stelle handeln. Dann wären die Besonderheiten der Auftragsdatenverarbeitung (§ 11 BDSG) zu beachten.

Wahrnehmung des Hausrechts durch öffentliche oder nicht-öffentliche Stellen

Für private Stellen ist vor allem § 6b Abs. 1 Nr. 2 BDSG bedeutsam, die Wahrnehmung des Hausrechts. Der Begriff ist im BDSG nicht eigens geregelt. Zurückzugreifen ist daher auf den Inhalt, den der Begriff in der Regelung des "Hausfriedensbruchs" hat (siehe dazu § 123 StGB).

Dieser Artikel entstammt dem "Lexikon für das IT-Recht 2014/2015". Die fünfte Auflage dieses Buchs richtet sich mit 150 Praxisthemen an Geschäftsführer, Manager und IT-Verantwortliche in Handelsunternehmen ohne eigene Rechtsabteilung.

§ 6b Abs. 1 Nr. 2 BDSG kann nur angewandt werden, wenn bezüglich eines bestimmten Bereichs tatsächlich ein "Hausrecht" in diesem Sinn besteht. Dazu ist es vor allem erforderlich, dass ein nach außen erkennbar abgegrenzter Bereich vorliegt.

Beispiele: Der Parkplatz eines Unternehmens ist durch Randsteine von 10 cm Höhe zur Wiese, die daneben liegt, abgegrenzt. - Es liegt ein erkennbar abgegrenzter Bereich vor, obwohl das "Hindernis", das ihn von der Umgebung trennt, leicht zu überwinden ist. Eine Berufung auf das Hausrecht ist möglich.

Ein Jäger will wissen, was sich nachts in der Tierwelt seines Jagdreviers abspielt. Dazu installiert er mitten im Wald eine Videokamera. Das Waldstück ist von allen Seiten frei zugänglich, wenn es auch keine gekennzeichneten Wege gibt, die dort durchführen. Es liegt kein erkennbar abgegrenzter Bereich vor. Eine Berufung auf das Hausrecht kommt hier nicht in Betracht.

Der Besitzer eines Wochenendhauses mitten im Wald ist immer wieder mit Sachbeschädigungen konfrontiert. Das Hausgrundstück ist umzäunt. Er installiert eine Videokamera, die nur das eigene Grundstück mit dem Haus erfasst. - Es liegt ein abgegrenzter Bereich vor. Eine Berufung auf das Hausrecht ist möglich, obwohl sich der Hausbesitzer möglicherweise nur sehr selten in dem Anwesen aufhält.

Der Wunsch zu wissen, was im eigenen Bereich geschieht, genügt als Rechtfertigung für eine Videoüberwachung im Rahmen des Hausrechts. Es ist also nicht erforderlich, dass es schon zu unerwünschten Zwischenfällen kam usw. Dies wird allerdings von manchen Datenschutzaufsichtsbehörden strenger gesehen.

Wahrnehmung berechtigter Interessen durch öffentliche oder nicht-öffentliche Stellen

Eher selten wird man auf § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG als Rechtfertigungsgrund zurückgreifen müssen ("Wahrnehmung berech tigter Interessen"), da das Hausrecht schon sehr weit geht. In jedem Fall wäre aber das Argument der Sicherheit für Gäste, Mitarbeiter oder Eigentum ein berechtigtes Interesse. Wo die rechtlichen Grenzen verlaufen, zeigen eher exotische Fallkonstellationen, die das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht beschrieben hat:

Beispiel: Ein Jäger bringt auf einer frei zugänglichen Privat-Waldfläche neben einem Waldweg eine Videokamera an, um das Wild in diesem Bereich zu beobachten. Dies ist unzulässig. Maßgebend ist die Vorschrift des § 6b BDSG, da es sich um einen öffentlich zugänglichen Raum handelt, die Interessen des Jägers an einer Überwachung eher allgemeiner Art sind und Spaziergänger usw. nicht damit rechnen müssen, dass sie mitten im Wald gefilmt werden.

Der Jäger bringt die Kamera in einem Bereich an, der kaum zu betreten ist. Es handelt sich um ein Dornendickicht, durch das auch kein Weg führt. Interessen von Spaziergänger usw. können hier kaum berührt sein. Deshalb genügt in einem solchen Bereich auch das allgemeine Interesse an der Wildbeobachtung, um eine Überwachung zu rechtfertigen.

Der Jäger bringt die Kamera direkt neben einem stark frequentierten Waldweg an, sie ist jedoch so eingestellt, dass beispielsweise nur der Eingang zu einer Dachshöhle erfasst wird, der recht versteckt was direkt neben dem Waldweg liegt. Bei dieser Konstellation ist nicht damit zu rechnen, dass personenbezogene Daten erfasst werden. Deshalb ist ein solches Vorgehen zulässig.

Der Jäger muss immer wieder erleben, dass ein Hochsitz angesägt wird, der fast direkt neben einem Waldweg liegt. In diesem Fall überwiegen seine Interessen, nicht zu Schaden zu kommen und es ist gerechtfertigt, wenn er eine Kameras so anbringt, dass nur der gefährdete Bereich des Hochsitzes erfasst wird - und zwar auch dann, wenn es dadurch zu Aufnahmen von Personen kommt.

Zu schwierigen Konstellationen führt es, wenn Fahrzeuge und ähnliche Objekte überwacht werden sollen, die dem Überwachenden gehören, aber auf öffentlichen Flächen stehen, die sich nicht in seinem Eigentum befinden.

Beispiel: Ein Stalker nimmt am Fahrzeug seines Opfers, das auf einer öffentlichen Straße vor dem Haus des Opfers geparkt ist, immer wieder Manipulationen vor. Das Opfer weiß ich nicht mehr anders zu helfen als von seinem Haus aus Videoaufnahmen des Fahrzeugs anzufertigen. Dabei ist es unvermeidlich, dass in geringem Umfang auch öffentlicher Straßenraum ins Bild gerät. Als das Opfer die Aufnahmen als Beweismittel vor Gericht präsentiert, argumentiert der Täter, die Aufzeichnungen seien unzulässig gewesen und dürften deshalb nicht als Beweismittel verwendet werden.

Das Oberlandesgericht Saarbrücken (Beschluss vom 27.10.2010 - 9 UF 73/10) sah dies jedoch anders. Es war der Auffassung, dass in einem solchen Fall der "Beweisnot" die Interessen des Opfers überwiegen.

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