Bill Gates und Elon Musk warnen vor potenziell schädlichen Auswüchsen des KI-Einsatzes. Volker Gruhn, Professor für Software-Engineering an der Uni Duisburg Essen und Mitbegründer der adesso SE in Dortmund, ist da viel gelassener. Im neuen Podcast-Format "IDG Tech Talk" rät der Wissenschaftler zu einer pragmatischen Herangehensweise und spricht unter anderem über Open-Source-Plattformen, Business Cases, dem Verzerrungsproblem ("Bias") und anderen Aspekten der Künstlichen Intelligenz:
KI sei nicht mehr und nicht weniger als ein Instrument, um aus Daten Kapital zu schlagen und diese zu monetarisieren. Neu sei allerdings, dass künstliche Intelligenz "in der Breite für Unternehmen in Reichweite geraten" sei. "Man muss drauf gucken, um keine Chancen zu versäumen", empfiehlt Gruhn.
Mit der These, dass KI-Systeme die menschliche Intelligenz überholen und sich irgendwann selbst verbessern und eigene Erfindungen machen könnten (Technologische Singularität) kann der Wissenschaftler nicht viel anfangen. "Was wir heute in den Unternehmen mit KI tun, hat doch vor allem mit linearer Algebra, Statistik und vielleicht noch Stochastik zu tun. Von Singularitäten und sich selbst verbessernden echten Intelligenzen sehe ich da noch nichts! Eine künstliche Intelligenz kriegt heute noch nicht mal einen Grundschulabschluss hin."
Wann KI Schaden verursacht
Der Wissenschaftler rät dazu, das Thema zu entmystifizieren. Unternehmen sollten sich überlegen, was KI für sie bedeuten könnte, welche Anwendungsfälle sinnvoll wären und welche Daten dazu heranzuziehen wären. "Das geht schnell: Da macht man zwei Tage Workshop und bekommt ein Gefühl, was gehen könnte."
Natürlich gebe es - wie bei vielen neuen Technologien - auch bei KI Risiken: "Schaden entsteht, wenn man datengetriebene Anwendungen Dinge entscheiden lässt und dann nicht regelmäßig hinguckt, ob es die richtigen Entscheidungen sind. Ich bin mir aber gar nicht so sicher, ob das nicht qualitativ die Sorte von Schaden ist, die man auch mit anderer Sorte Software anrichten kann."
Laut Gruhn sind fehlende und schlechte Daten das größte Problem. Er empfiehlt Unternehmen - auch Wettbewerbern - sich zusammentun, um auf einer größeren Datenmenge Auswertungen fahren zu können. Das erfordere aber eine andere Mentalität, ein verändertes Kooperationsverhalten. "Es gibt hier Versuche, aber so richtig zur Blüte getrieben wurde es noch nirgends."
Die Cloud-Angebote der Hyperscaler in Sachen KI sind laut Gruhn gut geeignet, um Dinge auszuprobieren und einen Einstieg zu finden. "Aber wenn die Dinge aufwendiger und komplexer werden, müssen Unternehmen ihr Know-how schützen. Dann gehört KI nicht in die Cloud." Firmen müssten dann hybride Modelle entwickeln, um Speicher und Rechenzeit in der Cloud zu nutzen, aber kondensierte Ergebnisse und erlernte Modelle für sich behalten."