In ihrem Heimatland verhalten sich chinesische Firmen gesetzeskonform, wenn sie auch weiterhin Geschäfte mit Russland machen. Aus Sicht der USA und der EU verstoßen sie damit jedoch unter Umständen gegen verhängte Sanktionen - und zumindest gegen die gesellschaftlich aktuell akzeptierte Verhaltensweise. Für Firmen wie Lenovo oder Huawei ist das eine knifflige Situation: Denn wenn sie mit einem strengen Russland-Boykott den Erwartungen westlicher Kunden nachkommen, würden sie sich unter Umständen gegen die noch nicht abschließend festgelegten Positionen der chinesischen Regierung stellen.
Sowas kann im Reich der Mitte unangenehme Folgen haben, wie die Gerüchte und Berichte über den wohl etwas zu forsch aufgetretenen Ali-Baba-Gründer Jack Ma in den vergangenen Monaten gezeigt haben. Zudem hat sich die Regierung offenbar ohnehin vorgenommen, die zuletzt stark florierenden Technologie-Konzerne stärker zu kontrollieren.
Nachrücker nicht erwünscht
Die US-Regierung hatte China bereits zuvor gewarnt, die durch den Rückzug amerikanischer und europäischer Firmen entstehenden Lücken in Russland auszunutzen, um das eigene Geschäft anzukurbeln. Genau das scheint Russland aber anzubieten, das bemüht ist, in dem ausufernden Konflikt China auf seine Seite zu ziehen und Berichten zufolge mit ähnlichen Angeboten auch an Indien, den Iran und sogar die Türkei herangetreten ist. Da die USA nahezu zeitgleich die Liste der Ausnahmen von den unter Präsident Trump verhängten Strafzöllen deutlich zusammengestrichen hat und vielen Herstellern den Marktzugang in den USA damit weiterhin erschwert, ist die Versuchung in China groß, die russische Einladung anzunehmen.
Dennoch sind sich die chinesischen Offiziellen einerseits bewusst, dass es sich für einen Zuwachs im - verhältnismäßig kleinen - russischen Markt nicht lohnt, die Geschäfte mit dem Westen komplett aufs Spiel zu setzen. Deshalb wird Berichten zufolge von chinesischen Diplomaten in Washington derzeit ausgelotet, was akzeptiert würde und wo die rote Linie verläuft. Andererseits sieht China politisch eine gute Gelegenheit, seinen Einfluss in Russland auszubauen: Am Rande von internationalen Gesprächen über Afghanistan, bei denen China Gastgeber ist, haben am 30. März Wang Yi und Sergei Lawrow, die Außenminister Chinas und Russland, die nach dem Angriff auf die Ukraine gegen Russland erlassenen Sanktionen kritisiert, als illegal bezeichnet und die Möglichkeiten einer stärkeren, partnerschaftlichen Zusammenarbeit betont.
Neutralität ist verpönt
China versucht also, für sich das beste aus dem Konflikt herauszuholen: Einerseits den Westen nicht zu verärgern, andererseits aber auch Russland stärker an sich zu binden und - zumindest so weit wie möglich - doch die Lücken zu füllen, die der überhastete Rückzug westlicher Firmen hinterlässt.
So lange keine endgültigen, klaren Entscheidungen gefallen sind, tun sich natürlich chinesische Firmen wie Huawei und Lenovo mit einer eigenen Positionierung ebenfalls schwer. Allerdings wächst der Druck auf sie, sich dem Konsens in der westlichen Welt anzupassen. Sie sollen sich ebenfalls deutlich von Russland distanzieren.
Druck nimmt zu
Dieser Druck manifestiert sich in unterschiedlichen Formen. Zum Beispiel haben Bloomberg zufolge in Großbritannien mit Andrew Cahn und Ken Olisa zwei hochrangige Huawei-Mitarbeiter gekündigt, weil der Konzern die russische Invasion in der Ukraine nicht ausdrücklich verurteilen wollte. Iain Duncan Smith, Parlamentsmitglied und früherer Chef der britischen Konservativen, stieß parallel dazu ein Debatte darüber an, ob Huawei weiterhin als Lieferant für britische 5G-Netz tragbar ist, wenn das Unternehmen gleichzeitig auch russische Mobilfunknetzbetreiber beliefert.
Bereits Anfang März sorgte Fußballspieler Robert Lewandowksi für erhebliches Aufsehen, als er seinen Werbevertrag mit Huawei kündigte. Sein Berater Tomasz Zawislak begründete das gegenüber der Presseagentur AFP mit dem Hinweis auf Berichte, wonach der chinesische Konzern Russland geholfen habe, sich gegen Cyberattacken zu wappnen. Das dementierte Huawei zwar - zum Beispiel gegenüber der Rheinischen Post - die Symbolwirkung der Vertragskündigung durch den populären Sportler bleibt aber.
Was Huawei und Lenovo sagen
Auf Anfrage von ChannelPartner erklärte Huawei: "Berichte einer Unterstützung der russischen Seite, die es verschiedentlich gegeben hat, dementieren wir klar. Diese Aussagen, die wohl auch einen Einfluss auf den Rückzug der Mitarbeiter in UK gehabt haben, sind absolut unzutreffend."
Beide Vorfälle zeigen aber auch, wie selektiv die Wahrnehmung und Berichterstattung sind. Ukrainische Medien hatten nämlich bereits Anfang März berichtet, dass Huawei ukrainische Netzbetreiber mit Personal und Ausrüstung dabei unterstützt, den Betrieb aufrecht zu erhalten. Als Unternehmen, dass bereits seit über 20 Jahren in der Ukraine Geschäfte mache, fühle man sich dazu verpflichtet und verurteile zugleich das Ausmaß des Krieges und die Verluste, die der Ukraine beigebracht wurden. Gegenüber ChannelPartner bekräftigt ein Sprecher diese Aussage, indem er erklärt: "Huawei ist bestürzt angesichts des menschlichen Leids in der Ukraine und hofft auf eine baldige friedliche Lösung des Konflikts."
In Bezug auf das Russland-Geschäft halte sich das Unternehmen "selbstverständlich an die geltende Rechtslage inklusive der Sanktionsregelungen." Darüber hinaus bestätigt das Unternehmen gegenüber ChannelPartner die Berichte der ukrainischen Medien: "Natürlich helfen wir unseren Kunden in der Ukraine, die Netzwerke stabil zu halten und bemühen uns um humanitäre Unterstützung, soweit möglich. Wir kommunizieren dazu derzeit aber bewusst keine Details."
Völlig auf eine Stellungnahme verzichtet hat Lenovo. Das Unternehmen steht nicht ganz so in der Kritik wie Huawei, dessen Rolle als 5G-Ausrüster in den USA und in Europa schon zuvor umstritten war. Allerdings dürfte im weiteren Verlauf des Konflikts auch die Rolle des PC-, Server- und Storage-Anbieters zunehmend kritisch hinterfragt werden. Dass er sich nicht frühzeitig entscheidet, mag aus Sicht der Firmenzentrale in China nachvollziehbar sein. Für die Verantwortlichen in Deutschland vor Ort und seine Vertriebspartner könnte sich das gerade im B2B-Geschäft in Zukunft als erhebliche Hürde erweisen.
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