Auf dem Bauernhof von Hubertus Paetow in Finkenthal bei Rostock beginnt der Arbeitstag am Computer: Wettervorhersage checken, Börsenpreise für Getreide prüfen, E-Mails lesen. Auf dem Traktor schaltet der Landwirt dann auf GPS um, Satellitendaten führen die Maschine zentimetergenau über den Acker.
"Mein Vater war es noch gewohnt, seinen Leuten morgens eine Arbeitseinweisung für den ganzen Tag zu geben, manchmal für drei bis vier Tage", erinnert sich Paetow. "Heute ändern wir das im Laufe eines Tages ständig ad-hoc mit Handy und WhatsApp."
Hightech ist für viele Bauern längst Alltag. Jetzt wird die nächste Runde eingeläutet. Landtechnikhersteller und Agrarhändler arbeiten an der digital vernetzten Landwirtschaft.
Daten wie Feldmaße und Düngerverbrauch werden miteinander kombiniert, Ackermaschinen schicken sie untereinander hin- und her. Das Ziel: höhere Erträge, geringerer Verbrauch. Kommt der digitale Hof?
Es gibt viele, die beim Thema leuchtende Augen bekommen. "Wir stehen erst am Anfang", sagt Klaus-Josef Lutz, Chef von Europas größtem Agrarhändler BayWa. "Das Fell des Bären ist noch nicht verteilt."
Lutz' Ziel sind mehr automatisierte Abläufe. Längst können Bauern satellitengeleitet auf jeden Quadratmeter genau die passende Düngemenge ausbringen. Wenn der Dünger zur Neige geht, soll künftig automatisch auch eine Bestellung bei der BayWa eingehen.
Um solche Abläufe voranzutreiben, hat BayWa sich die Softwareschmiede PC Agrar einverleibt. Und der westfälische Landmaschinenbauer Claas - einer der größten der Welt - stieß die Gründung von 365farmnet an.
Mehr Technik = mehr Ertrag und Effizienz
Auf dem Portal des Start-ups aus Berlin können Bauern am PC oder Tablet Hofkarten anlegen, ihre Lagerbestände speichern, den Mitarbeiter-Einsatz planen, Standorte ihrer Maschinen überwachen und Arbeitsaufträge schreiben. Demnächst soll ein Milchbauer dort auch festlegen können, wie Sortieranlagen die Kühe zum Melkstand leiten.
Milchvieh digital überwachen - in dieses Geschäft stieg schon vor zwei Jahren die Telekom ein. Sie verkauft den Bauern Thermometer und Sensoren eines französischen Herstellers, die feststellen, ob eine Kuh besamungsbereit ist oder ob sie bald ihr Kalb zur Welt bringt. Dann erhält der Landwirt automatisch eine entsprechende SMS.
Mit Bauernhöfen, wie viele sie noch aus Kinderbüchern kennen, hat das alles wenig zu tun. Die Hersteller setzen auf den Trend zu immer größeren Betrieben und auf die Gleichung "mehr Technik = mehr Ertrag und mehr Effizienz". Landwirte werden noch stärker zu Unternehmern.
Ein Bauer ernährt nach Zahlen des Deutschen Bauernverbands heute rechnerisch 144 Menschen - mehr als dreimal so viele wie 1980. In den vergangenen 20 Jahren habe sich das Anlagevermögen auf den Höfen verdoppelt. 5,4 Milliarden Euro gaben deutsche Bauern im vorigen Jahr für Landtechnik aus - nur zwei Prozent weniger als im Rekordjahr 2013, wie der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau mitteilte.
Um Daten zu sammeln, lässt Paetow über seinen Äckern in Mecklenburg eine kleine Drohne aufsteigen. Die Bilder des Mini-Flugroboters verraten ihm, ob das Getreide irgendwo schlecht wächst, ob es nasse Stellen gibt oder irgendwo Mäuse am Werk sind.
"Mein Großvater ist dafür noch über den Acker geritten", sagt Paetow. "Ich lade meine Bodenprobendaten auf ein Portal im Netz, ich beauftrage jemanden, mit diesen Daten eine Anwendungskarte zu machen, und die wird dann an unsere Maschinen gesendet." Oder an Partner-Landwirte oder Lohnunternehmer. Denn immer mehr Bauern kooperieren, um sich große Maschinen wie die mehrere Hunderttausend Euro teuren Mähdrescher leisten zu können.
"Wir sind eigentlich so weit, dass die angehängten Geräte die Traktoren steuern und nicht umgekehrt", erklärt der Osnabrücker Agrarwissenschaftler Dieter Trautz. Der nächste Schritt wären autonom fahrende Ackergeräte - was bisher aber nicht erlaubt ist.
Keine flächendeckenden Breitbandverbindungen
Was fehlt, um die digitale Agrarwelt zu vollenden, sind flächendeckende Breitband-Internetverbindungen. Der Breitbandatlas des Bundes zeigt auf dem Land und besonders im Osten viele weiße Flecken. Einstweilen nutzen Bauern offlinefähige Apps. Die speichern lokal und senden die Daten in die Cloud, sobald eine Verbindung zustande kommt - spätestens abends zu Hause auf dem Hof.
Aber nicht jeder Bauer will seine Betriebsdaten im Netz hinterlegen. "Das Thema Datenschutz spielt bei vielen Kollegen eine Rolle", meint Paetow. "Sie sagen: Meine Daten bleiben bei mir." Auch BayWa-Manager Lutz räumt ein: "Absolute Sicherheit wird es nicht geben."
Abwehrkämpfe wie im Taxi- oder Hotelgewerbe, wo der digitale Wandel ganze Geschäftsmodelle infrage stellt, drohen Landwirten aber nicht, glaubt Paetow: "Solange wir keine Äpfel durch den Draht kriegen und keinen Pflug durch das Internet ersetzen, sehe ich da keine Gefahr." (dpa/mb)