Kriterien für die Auswahl

Welche IoT-Plattform ist die richtige?

Jan Rodig leitet das Kompetenzfeld Digital Performance & Analytics bei der Unternehmensberatung Struktur Management Partner. Er ist Experte für die Konzeption und Umsetzung von Digitalstrategien, für digitale Geschäftsmodelle und Digitalorganisationen. Herr Rodig ist Co-Autor mehrerer IoT-Fachbücher, Mitglied der BMWi-Initiative Plattform Industrie 4.0 und war bis 2019 CEO eines von ihm mitgegründeten IoT-Softwaredienstleisters.
Der Markt bietet mehr als 500 kommerzielle Plattformen für das IoT (Internet of Things). Unternehmen haben die Qual der Wahl.

Die Unterschiede zwischen den Angeboten an IoT-Plattformen sind gewaltig, nicht nur bei den Kosten. Fehler bei der Auswahl verbrennen mitunter Millionen und führen zu langwierigen Plattform-Wechseln. Welche Kriterien sind die wichtigsten bei der Auswahl?

Der Markt bietet mehr als 500 kommerzielle Plattformen für das IoT (Internet of Things).
Der Markt bietet mehr als 500 kommerzielle Plattformen für das IoT (Internet of Things).
Foto: nopporn - shutterstock.com

IoT-Plattformen stellen viele wesentliche technologische Bausteine bereit, mit denen sich individuelle IoT-Lösungen effizient entwickeln lassen, so dass das Rad nicht jedes Mal neu erfunden werden muss. Als Herzstück einer IoT-Lösung verbinden sie die smarte Hardware mit den entsprechenden Anwendungen und bringen bereits viele zentrale Funktionalitäten von IoT-Lösungen "von der Stange" mit, beispielsweise Connectivity, Datenvisualisierung, Device Management und externe Schnittstellen.

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Dies erleichtert die Umsetzung von IoT-Initiativen enorm, macht die Wahl der passenden Plattform aber zugleich zu einem erfolgskritischen Aspekt: Denn bei den Angeboten gibt es deutliche Unterschiede, unter anderem hinsichtlich Funktionen, unterstützten Technologien, Skalierbarkeit, Preisgestaltung und Flexibilität bei zukünftig möglicherweise notwendigen Anpassungen. Manche werden gar der Bezeichnung "IoT-Plattform" kaum gerecht - hin und wieder werden reine Connectivity-/Maschine-zu-Maschine (M2M) - oder Infrastructure-as-a-Service (IaaS)-Lösungen als IoT-Plattform beworben.

Wer nicht fragt

Die detaillierte Auseinandersetzung mit dem eigenen Projekt sowie den Funktionalitäten der verschiedenen IoT-Plattformen ist essenziell. In der Praxis hat sich eine systematische, individuelle Anforderungsanalyse bewährt, die auf der Betrachtung von ca. 80 zum Teil kritischen Parametern beruht - idealerweise von erfahrenen, unabhängigen Experten durchgeführt. Folgende zehn Themenbereiche sollten damit abgedeckt werden:

  1. Embedded Software Developer Kit (SDK) (Bsp.: Welche Geräte- und Gateway-Implementierungen unterstützt das SDK?)

  2. Cloud Connectivity (Bsp.: Wie können Zertifikate und Firmware auf Geräten im Feld aktualisiert werden?)

  3. Skalierung (Bsp.: Skaliert die Lösung automatisch und in welchem Ausmaß tut sie dies?)

  4. Serverseitige Interaktion mit IoT-Geräten (Bsp.: Werden Online- und Offline-Events von den IoT-Geräten aktiv signalisiert?)

  5. IT-Sicherheit & Datenschutz (Bsp.: Lassen sich Nutzer- und Betriebsdaten separat speichern?)

  6. Vendor Lock-in (Bsp.: Welche Änderungen sind bei einem Providerwechsel notwendig und wie hoch ist der Aufwand?)

  7. IoT-Geräte-Produktion (Bsp.: Wie werden Geräte-Kennungen generiert, und wie können diese in den Geräte-Produktionsprozess integriert werden?)

  8. Administration (Bsp.: Welche Anwendungen und Schnittstellen stehen zur Verfügung und wie können bestimmte Administrations-Funktionen effizient in bereits bestehende Unternehmens-Anwendungen wie bspw.ERPoder CRM integriert werden?)

  9. Hosting (Bsp.: Unterstützt der IoT-Provider geografisch verteilte, auch weltweite, Roll-Outs?)

  10. Support & SLAs (Bsp.: Passen die Support-Dienste des IoT-Dienstleisters zu der IoT-Lösung, die entwickelt werden soll, etwa in Bezug auf Reaktions- und Wiederherstellungszeiten?)

Unnötige Folgekosten vermeiden

Hat man auf Basis dieser technischen Anforderungen die in Frage kommenden IoT-Plattformen identifiziert, gilt es, die jeweiligen Kostenstrukturen zu verstehen und zu vergleichen. Neben dem Implementierungsaufwand fallen in der Regel laufende Kosten an, etwa für die Bereitstellung der Geräte-Verbindungspunkte, die Speicherung von Daten oder Rechen-Power in der Cloud. Diese können mitunter erheblich sein und haben schon viele IoT-Projekte massiv ins Straucheln gebracht.

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Signifikante Einsparungen lassen sich dabei jedoch beispielsweise mit Hilfe einer gut durchdachten IT-Architektur erzielen, welche die Möglichkeiten des Edge Computings konsequent nutzt und die zu übertragenden Datenvolumina massiv senkt.

Fehler bei der Auswahl verbrennen mitunter Millionen und führen zu langwierigen Plattform-Wechseln.
Fehler bei der Auswahl verbrennen mitunter Millionen und führen zu langwierigen Plattform-Wechseln.
Foto: Panchenko Vladimir - shutterstock.com

Die größte Kostenfalle lauert jedoch, wenn eine einmal implementierte IoT-Plattform "herausgerissen" und durch eine andere Lösung ersetzt werden muss. Dann startet das IoT-Projekt gegebenenfalls fast wieder bei Null. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn mit der IoT-Plattform auch das Protokoll für die Datenübertragung geändert werden muss und dies ein Firmware-Update auf den Gateways erfordert. Kann dies nicht "over-the-air" erfolgen, müssen die smarten Geräte im Feld sogar komplett ausgetauscht werden. Die Kosten für solche Plattformwechsel können ganz erheblich sein und das entsprechende IoT-Vorhaben weit in der Zeitplanung zurückwerfen.

Strategische Aspekte beachten

Eine sorgfältige Plattformevaluation vorab hilft, solche Fehler zu vermeiden. Die sich daran anschließende Definition der IT-Architektur sollte darüber hinaus eine sehr strategische Perspektive auf das IoT-Vorhaben einnehmen: Vendor-Lock-ins sollten vermieden und die Datenhoheit des Unternehmens nicht leichtfertig verspielt werden.

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Denn nichts ist interessanter für die IoT-Plattformanbieter als tiefes Domänen-Know-how von ihren Kunden, welches sie später hervorragend weiter monetarisieren können - nicht zuletzt vielleicht an die direkte Konkurrenz ihrer Kunden. Weiterhin ist auch der regionale Scope eines IoT-Vorhabens von strategischer Relevanz für die IoT-Plattformauswahl: Steht beispielsweise ein Teil der smarten Geräte oder Maschinen in China, gilt es die entsprechenden regulatorischen Anforderungen gleich bei der Auswahl der Plattform zu beachten.

Erfolgsmessung bei IoT-Projekten

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