Haben Sie die "Nacktfotos der Stars" gesehen? Na, gesehen bestimmt nicht, aber davon gelesen. Zum Beispiel hier. Erschreckend ist wohl weniger, dass es "Nacktfotos der Stars" sind. Es handelt sich um sehr private Aufnahmen, die Menschen von sich selbst geknipst haben oder von ihnen nahe stehenden Personen. Und dass sie das mit dem Telefon getan und die Bilder vermutlich eben nicht bewusst verbreitet oder "ins Internet" gestellt haben.
Sie waren beim Kunden, nehmen eine Gerätekonfiguration auf, fotografieren vielleicht die Seriennummer und die Bezeichnung des Geräts – im Hintergrund ist Ihr Taschentuch zu erkennen – und schicken sie per Unternehmens-E-Mail an ihren Kollegen aus der Technik. Der kann dann schon arbeiten, während Sie auf dem Rückweg sind. Am nächsten morgen sehen Sie auf Facebook ein Bild und erkennen Ihr Taschentuch (und dann auch die Geräterückseite), obwohl weder Sie selbst noch der Kollege es gepostet haben.
Diese Situation erzeugt bei den meisten Menschen ein dumpfes Gefühl im Bauch – etwas unterhalb des Magens – das in der Literatur gern als eine Leere beschrieben wird. Dabei spielt es keine Rolle, ob auf dem Bild nackte Menschen zu sehen sind oder nicht. Es löst eine ganze Kette von Überlegungen aus: Wer hat das getan? Was ist noch alles abhanden gekommen oder in anderen Händen gelandet? Es hinterlässt Unsicherheit. Vielleicht ist es vergleichbar dem Gefühl, das Menschen schildern, in deren Wohnung eingebrochen wurde. Man fühlt sich in der eigenen Wohnung nicht mehr zu Hause.
"Es gibt keine Sicherheit in Zeiten der Cloud"
..., werden einige jetzt sagen und den Zeigefinger heben. Doch das geht an der Sache vorbei. Es gibt keine absolute Sicherheit. Nicht in der Cloud und nicht außerhalb. In Wohnungen, Unternehmen und Banken wird ebenso eingebrochen wie in Online-Datenbanken. Die Masse der Datendiebstähle in Unternehmen geschieht von innen, von den Servern im eigenen Rechenzentrum im "Keller".
Gegen physische Einbrüche sichern wir uns durch Schlösser, Alarmanlagen und Videoüberwachung ab. Gegen virtuelle Einbrüche können wir uns bislang nur bedingt schützen und sind darauf angewiesen, dass es unsere Dienstleister tun. Und tatsächlich ist es eine nicht kleine kriminelle Szene, deren arbeitsteilige Vorgehensweise hier sehr detailliert beschrieben ist. Es geht um Geld und viele betrachten es als ein Spiel.
Viel relevanter und effizienter als Sicherheitsschlösser und Videoüberwachung – als Technologie – funktionieren gesellschaftliche Sicherheitsmechanismen. Diese beruhen auf Faktoren gesellschaftlichen Vereinbarungen, sozialem Ansehen und Psychologie. Diese – und das dürfte das Hauptproblem sein – sind im virtuellen Umfeld bestenfalls schlecht entwickelt. Erschwerend kommt die globale Komponente dazu: Die Hemmung, bei meinem Nachbarn einzusteigen, den ich jeden Tag im Treppenhaus treffe, ist unendlich viel höher als virtuell und völlig anonym die Privatsphäre eines Fremden zu verletzen, der unendlich weit entfernt lebt.
Oder anders gesagt: Die Sicherheitsmaßnahmen können so gut sein, wie sie wollen, ohne ein gesellschaftliches Umfeld, das ein ausgeprägtes Unrechtsbewusstsein auch in virtuellen Zusammenhängen fördert, wird Online-Sicherheit nicht funktionieren. (bw)