Anfang Dezember gab Jürgen Venhorst seinen Abschied von Netwrix bekannt. Er kam im Januar 2019 als Nachfolger für Gerald Lung. Der hatte 2016 die Markteinführung für das US-Unternehmen übernommen und im Sommer 2018 ein Channel-Programm vorgestellt. Venhorst sollte dann für mehr Präsenz im Markt sorgen und eine ihm aufgetragene, strategische Restrukturierung des Vertriebs für Deutschland, Österreich und die Schweiz umsetzen. Ziel war es, Netwrix als Anbieter einer Plattform zu positionieren, die Einblicke in die Datensicherheit gibt und Optionen zur Risikoreduzierung in hybriden Cloud-Umgebungen aufzeigt - zum Beispiel, für Nutzer von Microsoft 365.
Ein ziemlich ehrgeiziges Ziel für ein Unternehmen, dessen Wurzeln und Stärken vor allem bei Berechtigungsmanagement, Logfile-Analysen und Reporting liegen, fassen Insider rückblickend zusammen. Es sei daher kein Wunder, dass der Anbieter bei den anvisierten größeren Kunden damit nicht nur vergleichsweise mühsam vorankommen konnte. Dennoch: Wie Simon Pearce, der seit März als Vice President EMEA und APAC das Geschäft von Netwrix auch im deutschsprachigen Raum im Blick hat, gegenüber ChannelPartner erklärt, habe man als Unternehmen zweistellig wachsen können.
Dennoch sei nach dem Einstieg von TA Associates im Oktober als neuem Merhheitsinvestor eine Kurskorrektur erforderlich gewesen. "In Zusammenarbeit mit dem Management-Team von Netwrix plant TA, das Wachstum von Netwrix zu beschleunigen" teilte Netwrix damals mit. "Durch die Partnerschaft mit TA erhält Netwrix Zugang zu den globalen Möglichkeiten für Add-on-Akquisitionen des Unternehmens und deren Integration sowie zu den umfassenden Erfahrungen in den Märkten für Sicherheits- und horizontale Anwendungssoftware, von denen wir glauben, dass sie uns für ein substanzielles organisches und anorganisches Wachstum positionieren werden", betonte auch sagte Steve Dickson, CEO von Netwrix.
Indirekt räumte man auch ein, dass man bisher den falschen Anzug an hatte: "Das Geschäftsmodell von Netwrix ist zwar in der Lage, sich an die besonderen Bedürfnisse großer Unternehmen anzupassen, eignet sich aber auch ideal für den Mittelstand" - also Firmen mit 500 bis 10.000 Mitarbeitern. Netwrix-Manager sieht die größten Möglichkeiten in Deutschland mit seiner stark fragmentierten Wirtschaftsstruktur bei Firmen, die bis zu 250 Lizenzen benötigen. "Wir hatten in Deutschland einen Enterprise Sales, aber keine gute Ansprache für den SMB-Markt", fasst Pearce zusammen. Das sei keine Kritik an der Arbeit der bisherigen Kollegen, allerdings werde für die geplante Refokussierung auf den SMB-Markt eben anderes Know-how benötigt.
Netwrix und sein Marktumfeld entwickeln sich gut
Hier habe man sehr viele Anfragen und komme mit der bisherigen Struktur kaum hinterher, die entsprechend abzuarbeiten. Daher habe Netwrix im Herbst bereits ein neues Schulungs- und Trainingsprogramm für die Partner aufgelegt. "In der Region EMEA durchlaufen das gerade 260 Personen", teilt Pearce mit. Eine große Anzahl unzertifizierter Partner zu haben, sei nicht hilfreich.
Pearce will daher nun den Netwrix-Channel in Breite und vor allem in der Tiefe ausbauen. "Wir brauchen nicht unbedingt mehr Partner, aber besser ausgebildete Reseller", sagt Pearce. Als Anreiz verspricht er "sehr großzügige Margen" und eine gute Lead-Weitergabe. Dem Ruf folgen derzeit bereits rund 60 Partner in Europa, darunter die Distributoren Acmeo in Deutschland and Datastore in der Schweiz.
Dass sich der Markt grundsätzlich gut entwickelt, bestätigt auch Michael Scheffler vom Marktbegleiter Varonis. Die Aktie des Unternehmens klettert derzeit von einem Rekordwert zum anderen. Und auch die Zahl der Beschäftigten in Deutschland nimmt kontinuierlich weiter zu. Die nächsten Mitarbeiter im technischen Bereich sollen Anfang 2021 ihre Arbeit aufnehmen. "Wir liegen auch in Deutschland über den Erwartungen," berichtet Scheffler. Dazu trage allerdings auch bei, dass "der Markt gerade für uns spielt", wie Scheffler erklärt. Varonis komme dabei zugute, dass es als einziger Anbieter eine zentrale Ansicht über Cloud und On-Premise biete.
In anderen Märkten sei Netwrix durchaus auch ein ernstzunehmender Konkurrent, in Deutschland treffe man sich aber selten. Hier suchten die größeren Unternehmen, zu denen Scheffler die ab 250 Mitarbeitern zählt, schnell die Anknüpfungspunkte an ihre Sicherheitsstrategie. Lediglich noch ein weiteres Tool für den Administrator habe kaum eine Chance. Im unteren Mittelstand, in dem Varonis aber gar nicht vertreten ist, sehe das ganz anders aus. Daher sei das durchaus ein gutes Feld für die Netwrix-Technologie und ist der Kurswechsel aus Sicht des Wettbewerbers Scheffler nachvollziehbar.
Das neue Netwrix-Team für die DACH-Region
Mit der Infinigate-Tochter Acmeo hat Netwrix eigentlich auch bisher schon den geeigneten Distributor für seinen neuen Kurs gehabt. Diesbezüglich ändert sich vermutlich nichts. Der positionierte allerdings vorrangig das Angebot Netwrix Auditor für Datenklassifizierung und Audits. Da könnte es nun eine breitere Positionierung geben.
Neuer Country Manager DACH wird, der zuletzt Director Sales & Business Development für Central Europe bei Stealthbits war. Das Unternehmen beschäftigt sich mit Zugriffs- und Berechtigungsmanagement, Active Directory Security und Privileged Access Management, ist also im weiteren Sinne ein Netwrix-Mitbewerber.
Als Channel Manager EMEA auch für Deutschland zuständig ist Rob Billington. Er soll der Partnerlandschaft ein Update verpassen und den indirekten Vertrieb in der DACH-Region restrukturieren. Ziel ist ein gut ausgebildetes Partner-Netzwerk, das Deals selbständig abwickeln kann und so das Netwrix-Geschäft schnell in die Breite tragen kann. Dabei soll die in Deutschland aufgewachsene Angela Wafula als Lead Manager EMEA helfen. Sie hat bereits einige Erfahrungen in der Vertriebsentwicklung im IT-Bereich und war zuletzt bei Netskope.
Die Aufgabe des SMB Account Executive DACH hat Frank Bruhn übernommen, der in London sitzt. Silvia Karasch, die bisher schon bei Netwrix war, bleibt als Account Executive für Deutschland bei Netwrix, außerdem ist Solutions Engineer Alex Bode noch an Bord. Jakob Himmelstein verantwortet als Senior Regional Marketing Manager die Marketingaktivitäten in der DACH-Region.
Die Gesamtverantwortung hat als Vice President EMEA & APAC Simon Pearce. Im europäischen Channel ist er durch seine langjährige Tätigkeit bei Quest Software bekannt, wo er der erste Mitarbeiter in Europa war. Zuletzt war Pearce mehrere Jahre in den USA am Aufbau von Technologie-Startups beteiligt.
Damit ist das Team - wenn man sich noch die umfangreichere Unterstützung durch den VAD Acmeo im Jahr 2021 hinzu denkt - für ein Security-Unternehmen in dem Umfeld schlank, aber nicht ungewöhnlich dünn besetzt. Ein kleines Fragezeichen bleibt jedoch - warum so viele Funktionen zentral aus UK wahrgenommen werden. Aber möglicherweise ist das auch nur vorübergehend und ändert sich, wenn die neue Strategie Fahrt aufnimmt.