Eines der wichtigsten Themen auf Microsofts Hausmesse Ignite 2018 Ende September in Orlando war Microsoft Teams. Die 2017 vorgestellte Chat- und Collaboration-Plattform ist laut Microsoft inzwischen die am schnellsten wachsende Geschäftsanwendung der Firmengeschichte. Weltweit arbeiten bisher knapp 330.000 Firmen damit, darunter 87 aus den Fortune 100. Große Anwender in Deutschland sind Osram und SAP, aber auch die Drogeriemarktkette dm. Sie begrenzte damit die unkontrollierte Nutzung von Messaging-Apps und kanalisiert Kommunikation und Datenaustausch der Mitarbeiter.
Dennoch leidet Teams noch darunter, dass es als "Business-Chat-Tool" wahrgenommen wird. Das geht darauf zurück, dass es bei der Vorstellung als Gegenentwurf zu dem schnell an Akzeptanz gewinnenden Slack gesehen wurde. Keara James, die zuständige Product-Marketing- Managerin, betonte während der Microsoft-Hausmesse jedoch: "Teams ist der zukünftige Collaboration-Hub von Office 365 - und zwar nicht nur für Office-Zusammenarbeit, sondern für alle Arbeitsplätze." Das umfasst seit Kurzem auch KMU. Mit einer kostenlosen, in den Funktionen eingeschränkten Version will Microsoft Firmen mit bis zu 300 Mitarbeitern auf den Geschmack bringen.
Positionierung von Microsoft Teams im Portfolio
Jörg Petter, Business Lead Microsoft 365 und zuständig für Microsoft Teams in Deutschland, räumt gegenüber ChannelPartner ein, dass die Abgrenzung und Einordnung im Verhältnis zum übrigen Microsoft-Portfolio noch nicht so klar kommuniziert wurde, wie das wünschenswert wäre. Vor allem in zwei Bereichen seien noch Fragen offen: Das ist einmal das Verhältnis zu Outlook, Sharepoint und Yammer, zum anderen das Verhältnis zu Skype for Business.
Petter zufolge entscheidet darüber, welches Tool das richtige ist, vor allem die Frage, was damit getan werden soll. Teams sei die richtige Lösung für "sehr enge Zusammenarbeit mit hoher Freuenz in Projektteams". Outlook sieht er als das richtige Werkzeug, wenn es um "zielgerichtete, rechtsverbindliche Kommunikation nach außen" geht. Und Yammer dient als Social-Enterprise-Network der Kommunikation Einzelner an viele - also etwa, damit das Management die Mitarbeiter auf dem Laufenden halten kann.
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Sharepoint schließlich sei der "magische Kleber", der alles zusammenhält. Es biete eine Schicht, in der Dokumente liegen, die in allen drei Tools verwendet und bearbeitet werden können. Heißt umgekehrt aber auch: Ohne Sharepoint lassen sich die anwendungsübergreifenden Funktionen kaum nutzen.
Microsoft Teams und Skype for Business
"Mittel- bis langfristig wird Microsoft Teams Skype for Business ersetzen", stellt Petter gegenüber ChannelPartner klar. Einen konkreten Zeitrahmen konnte er nicht nennen. Grund für Panik gibt es jedoch keinen. Seit der Freigabe von Skype for Business Server 2019 Ende Oktober steht auch der Support-Zyklus "5 + 2" fest. Heißt: Microsoft unterstützt die neueste Version auf alle Fälle sieben Jahre lang. Kurzfristig muss deshalb niemand fürchten, seine gewohnte oder gerade erst eingerichtete Kommunikationsumgebung aufgeben zu müssen.
Klar ist aber auch: "Der Fokus bei der Weiterentwicklung unseres Produktportfolios liegt auf Microsoft Teams", so Petter. Teil der Weiterentwicklung werden auch Telefoniefunktionen sein. Beispielsweise habe man verstanden, dass in Deutschland die Chefsekretariatsfunktionen immer noch wichtig seien. Auch andere Basisfunktionen, die heute noch vermisst werden, sollen offenbar nachgereicht werden.
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Funktionen, wie sie komplexe Telefonanlagen bieten, will Microsoft nicht nachbauen. Das Unternehmen sieht dafür einfach keinen Bedarf mehr. Die Zuständigen dort gehen davon aus, dass sich die Arbeitswelt wandelt und damit auch die Kommunikationsgewohnheiten ändern. Gesprochene Sprache wird zwar ein Mittel der Verständigung bleiben, der Schwerpunkt der Zusammenarbeit liegt jedoch auf Texten und Dokumenten. Mit einem Kollegen auf einem anderen Kontinent über ein digitales Whiteboard zusammenzuarbeiten ist demnach in Zukunft wichtiger, als ausgefeilte Telefoniefunktionen zu nutzen. Wozu die also mühsam integrieren, wenn sie bald keiner mehr verwenden will? Microsoft beweist Mut zur Lücke - weil es sich sicher ist, dass diese Lücke rasch immer kleiner wird.
Lars Riehn, Gründer und Geschäftsführer des Microsoft-Partners und engagierten Skype-for-Business-Verkäufers infoWAN aus Garching bei München, hat sich mit den neuen Gegebenheiten arrangiert: "Für die Einrichtung der verschiedenen Office-365-Workloads - Exchange Online, Sharepoint Online, Telefonsystem, Audiokonferenzen und generell alle Cloud-Dienste, die im Rahmen von Office 365 und Microsoft 365 genutzt werden können -, benötigen Kunden in der Regel ein IT-Partnerunternehmen." Auch die Planung für den Schritt in die Cloud sieht er als Aufgabe, die Partner für Kunden übernehmen können.
Zudem bestätigt Riehn die Auffassung von Microsoft-Mitarbeiter Petter, dass Teams nicht einfach ein weiteres Chat-Tool ist, sondern sich mit der Einführung Kommunikation und Zusammenarbeit insgesamt verändern: "Damit verbundene neue Arbeitsweisen für die Aufgabenbearbeitung und ein positiver Kulturwandel können für Mitarbeiter motivierend sein."
Wo Microsoft Teams noch nicht passt
Damit das geschieht, bietet InfoWAN Workshops an, in denen Verbesserungspotenziale in Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Abteilungen aufgedeckt werden und aus denen Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen und organisatorische sowie technische Handlungsempfehlungen für die Kunden hervorgehen. Außerdem werden die Rahmenbedingungen festgelegt, ein Projektziel definiert und geprüft, ob die Voraussetzungen stimmen, also etwa ein sicheres, stabiles Netzwerk mit genügend Bandbreite vorhanden ist.
"Microsoft ist es sehr gut gelungen, in vielen Bereichen Telefonie durch Skype for Business zu ersetzen. Teams hat aber einen anderen Hintergrund: Die Absicht war es, Slack etwas entgegenzusetzen", so Wladimir Ped, Team Lead und Skype-for-Business-Experte bei IP Dynamics. "Das kann in sehr IT-affinen Firmen, in Start-ups oder in Entwicklungshäusern funktionieren. Dort leben die Menschen diese Art der Kommunikation. In anderen Bereichen, vom Maschinenbau über Banken bis zu Versicherungen, war aber der kulturelle Wandel mit Skype for Business schon eine Herkulesaufgabe. Mit Teams jetzt noch einen großen Schritt darüber hinauszugehen, ist nicht praktikabel."
Einer der Gründe ist, dass Teams in größeren Firmen nicht für alle Mitarbeiter geeignet ist. "Der Client bietet für die meisten viel zu viele Möglichkeiten", so Ped. Generell wird aber der Verwaltungsaufwand für ein weiteres System gescheut: "IT-Strategen wollen konsolidieren. Ziel ist es, so wenig wie möglich zu betreiben, denn jeder Dienst - auch in der Cloud - muss betreut werden. Es geht dabei nicht nur um den Dienst selbst, sondern auch um das Client-seitige Systemmanagement." Das macht es schwer, Teams als Lösung nur für bestimmte Abteilungen einzuführen.
Teams als Cloud-Dienst und Teil von Office 365
Außerdem stößt Microsoft Teams als Cloud-Dienst und Teil von Office 365 in Deutschland noch auf Hindernisse. Cloud-Telefonie ist bislang vor allem im unteren Mittelstand und bei Kleinunternehmen erfolgreich. Cloud ist immer ein eng geschnürtes Paket an Funktionen. Konzerne wollen aber Telefonie nach eigenen Wünschen gestalten. Für sie kommt Cloud-Telefonie oft schon deshalb nicht in Frage.
"Außerdem wollen und müssen Kunden aus dem Banken- und Versicherungsbereich ihre Telefonanlage inhouse betreiben. Was sie zum Beispiel in ihrem Contact Center mit Skill-based-Routing und Anrufzuteilung umsetzen und erreichen wollen, geht in der Cloud so nicht. Auch Anforderungen im Vorstandsbereich lassen sich oft kaum umsetzen. Dasselbe gilt für althergebrachte aber immer noch wichtige Funktionen, etwa Fax. Bei Banken, Versicherungen und in der Logistik ist das immer noch sehr wichtig", erklärt Ped.
Selbst wenn immer mehr Kunden zu Office 365 und Cloud-Diensten wechseln, bleiben auch nach Ansicht von IP Dynamics Beratung und Implementierungsunterstützung gefragt. Bei Cloud-Angeboten gilt es das Richtige auszuwählen, nach den Bedürfnissen der Kunden einzurichten und Mitarbeiter damit vertraut zu machen.
Zwar fällt ein Teil der Implementierungs- und Wartungsdienste weg, dafür entsteht neuer Aufwand, um althergebrachte Systeme an neue Dienste anzubinden und Dinge möglich zu machen, die bei den Cloud-Angeboten nicht enthalten sind. Das schon erwähnte Fax ist nur ein Beispiel. Ped glaubt, dass die neuen Aufgaben wegfallende Tätigkeiten ausgleichen können: "Langweilig wird es uns jedenfalls auch in den nächsten Jahren nicht."