Die Liste ist lang: Microsoft überfordere Unternehmen mit seinen Lizenz- und Nutzungsmodellen, vertusche Lizenzinformationen und drohe mit Audits. "Microsoft nutzt sein Monopol bei Office und Windows und untergräbt dabei das über Jahre aufgebaute Vertrauen in die Konstanz von Verträgen und Preisen", sagt Hans-Joachim Popp, CIO des "Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt" (DLR).
Zudem gehe Microsofts neue Leitstrategie "Mobile First - Cloud First" an den Anforderungen vieler Unternehmenskunden vorbei, so Thomas Schott, CIO von Rehau. Er befürchtet wie sein Kollege Erich Ehbauer, CIO von Apollo-Optik, dass die neue Strategie seine Investitionen in Microsoft-Lösungen wertlos macht. Alle drei CIOs halten die Cloud sogar für eine Waffe in der Lizenzpolitik von Microsoft.
CIO.de: Sie werfen Microsoft vor, seine Lizenzpolitik zu verschärfen. Woran machen Sie das fest?
Schott: Laut Microsoft will man Großkunden künftig alle drei Jahre einer weltweiten Lizenzüberprüfung unterziehen, so auch Rehau in diesem Jahr. 2014 waren bislang Argentinien und die Schweiz im Fokus.
Ehbauer: Ich habe ein Audit bekommen. Auslöser waren die CALs in den Filialen für die zentralen Windows-Server. Microsoft hielt die Situation in unseren Filialen für undurchsichtig. Streitpunkt sind zum Beispiel die Mitarbeiter, die wenige Stunden pro Woche arbeiten. Für die kann ich keine volle Lizenz bezahlen. Auch die Anzahl der Geräte zu lizenzieren hilft uns nicht weiter, auch hier werden viele Clients sehr selten benutzt. Bei den Verhandlungen vor zwei Jahren für Office 365 waren wir auf einem guten Weg, ich bekam ein Angebot, das auf Kiosk-Lizenzen für Office 365 basierte und in der Filiale immer vom aktuell anwesenden Verantwortlichen benutzt werden durfte. Das hat Microsoft aber jetzt gekippt. Nun habe ich mein erstes Audit überhaupt. Microsoft nennt es ein "friendly Audit".
Popp: Witziger Ausdruck. Klingt in meinen Ohren wie: Wir können auch anders.
Ehbauer: Ja, so muss man das sehen. Friendly Audit heißt ja nur, man kann den Partner wählen, mit dem man dann zusammen die Lizenzsituation prüft. Dafür werden wir etwa 50 Manntage aufwenden und rund 40.000 Euro für den Partner bezahlen müssen.
CIO.de: Microsoft traut Ihnen offenbar nicht mehr zu, die Lizenzierung sauber handzuhaben. Ist die Situation in Ihren Unternehmen so schwer nachzuvollziehen?
Ehbauer: Unsere Zahlen sind valide. Wir haben 798 Filialen in Deutschland und lizenzieren immer pro Filiale. Das mache ich mit anderen Lieferanten ebenso.
Popp: Microsoft verkompliziert die Lizenzierung gerade enorm. Das Enterprise Agreement war bislang eine sichere Angelegenheit, weil es auf Unternehmensgröße und -ausstattung basierte. Es reichte, die Anzahl der Mitarbeiter zu nennen. Das möchte Microsoft jetzt zurückdrehen, ohne sich der enormen Auswirkungen für den Geschäftsbetrieb bewusst zu sein.
Der Nachweis von gezählten Lizenzen würde sich drastisch ändern. Nun sollen wir die Programme auf jedem Rechner und deren Lizenzen genau erfassen. Das ist ein Riesenproblem. Bei mir haben die meisten Wissenschaftler mehrere Rechner. Und jetzt sollen wir jede einzelne Lizenz zählen? Das wirft große administrative Probleme auf, die richtig Geld kosten.
Schott: Zudem bleiben die Regularien, um die Compliance zu erhalten, ziemlich komplex. Microsoft rühmt sich zwar, den EA-Rahmenvertrag von 30 Seiten auf acht reduziert zu haben, allerdings bleiben die komplexen Regeln für alle Einzelprodukte bestehen. Etwa wenn ich Hardware außer Betrieb nehme, muss ich auch die OEM-Windows-Lizenzen neu kaufen - sogar wenn ich sie im Enterprise Agreement habe.
"Lizenzen haben ein unkalkulierbares Eigenleben entwickelt"
CIO.de: Das ist aber nicht neu. Die Lizenzregeln waren schon immer komplex.
Popp: Stimmt. Aber die Lizenzen haben mittlerweile ein unkalkulierbares Eigenleben entwickelt. Microsoft reicht einseitig Änderungen des Vertrags ein, ohne die Modelle dann wirklich auf Praktikabilität zu prüfen. Wir müssen uns die Konsequenzen dann selbst zusammenreimen. Und der Vertrieb trägt hier leider auch nicht zur Klarheit bei, sondern bekommt Order von der Zentrale und versteckt sich dahinter. Ein heftiger Punkt, aber den kann man bewusst so ansprechen.
Ehbauer: Ich habe es auch erlebt: Da werden Dinge verschwiegen, die einen weiterhelfen würden. Man wird bewusst in die Irre geführt.
Schott: Microsoft lässt die Kunden in Unsicherheit. Dabei möchte ich als Kunde eine langfristige Beziehung zum Lizenzgeber. Der weiß auch, dass ich nicht einfach woanders hingehen kann. Das verlangt eine Kontinuität in der vertraglichen Ausgestaltung - die Microsoft zunehmend untergräbt. Man erhält von Microsoft in letzter Zeit auch keine belastbaren Roadmaps im Bereich Office, SharePoint, Exchange bis hin zu Windows. Dabei muss ich bei einem dreijährigen Enterprise Agreement wissen, welche Gegenleistung ich als Kunde für einen solchen Vertrag in Millionenhöhe erhalte.
Popp: Das ist ein ganz wichtiges Qualitätskriterium für einen Anbieter. Wir sind auf Kontinuität angewiesen. Da hängen Investitionsentscheidungen davon ab, ob ich der Weiterentwicklung durch den Anbieter vertrauen kann. Wie weit legt er sich dabei fest? Ich weiß nicht, ob sich bei Microsoft einer vorstellt, was das für uns bedeutet, wenn SharePoint nicht mehr als On-Premise-Version weiterentwickelt wird.
Wir haben massiv in Beratungsleistung investieren müssen, um unsere Dateninhalte von SharePoint 2007 auf Version 2010 und dann nach 2013 zu bringen. Da steckt richtig Arbeit drin. Dann krieg ich einfach so kalt gesagt, dass es nur noch eine On-Premise-Version geben wird und danach alles in die Cloud wandert, was für uns aus Sicherheitsgründen ja gar nicht infrage kommt.