Angehörige des Betriebsrats sind in Deutschland vom Gesetz besonders vor Kündigungen geschützt. Das ist auch richtig so - schließlich kann es im Rahmen ihrer Tätigkeit durchaus vorkommen, dass sie dem Arbeitgeber "unbequem" werden. Da ist der bessere Kündigungsschutz ein sinnvoller Beitrag zur Unabhängigkeit und Unbestechlichkeit.
Allerdings ist er kein Freibrief - auch Betriebsratsangehörige und Betriebsratsvorsitzende müssen sich an Recht und Gesetz halten. Dazu hat das Arbeitsgericht Köln ein viel beachtetes Urteil gefällt. Darauf weist der Kölner Fachanwalt für Arbeitsrecht Volker Görzel hin. Er ist zudem Leiter des Fachausschusses "Betriebsverfassungsrecht und Mitbestimmung" des VDAA - Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart.
Demnach wurden gegen die Betriebsratsvorsitzende eines Vereins mit rund 540 Beschäftigten schwere Vorwürfe erhoben. Sie führte seit 2015 den Betriebsrat an. Im Mai 2022 wurde sie von der Arbeitsleistung vollständig freigestellt. Neben der elektronischen Zeiterfassung führte sie eigene Aufzeichnungen, um Freizeitausgleich für Betriebsratstätigkeiten außerhalb ihrer persönlichen Arbeitszeit geltend zu machen.
Darüber kam es zum Streit: Der Arbeitgeber warf ihr in 94 Fällen vor, bewusst Abweichungen zwischen ihren eigenen Aufzeichnungen und der elektronischen Zeiterfassung zu ihren Gunsten vorgenommen zu haben. Konkret ging es im Zeitraum von Juli 2023 bis März 2024 um 628 Minuten.
Angebot für Personalgespräch nicht angenommen
Betriebsratsvorsitzende hielt sich nicht an die daraufhin erteilte Weisung, ihre Betriebsratstätigkeit am vorgesehenen Sitz zu erbringen, und ignorierte eine Einladung zu einem klärenden Personalgespräch. Abmahnungen folgten. Als der Betriebsrat sich gegen die Zustimmung zur fristlosen Kündigung stellte, zog der Arbeitgeber vor Gericht.
Das Arbeitsgericht Köln sah den Vorwurf des versuchten Arbeitszeitbetrugs als erwiesen an. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Nach § 626 Abs. 1 BGB habe ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung vorgelegen. Die Richter betonten, dass die Betriebsratsvorsitzende den Arbeitgeber durch unvollständige Angaben bewusst täuschen wollte. Dies habe sie billigend in Kauf genommen, um unrechtmäßig Freizeitausgleich zu erhalten.
Die Betriebsratsvorsitzende musste ihre Arbeitszeiten korrekt dokumentieren. Ihr Einwand, die nicht gemeldeten Zeiten seien keine Betriebsratstätigkeiten gewesen, überzeugte die Richter nicht. Sie selbst habe eingeräumt, dass die elektronischen Zeiterfassungen der Arbeitszeit gleichzustellen sind und somit als Grundlage für Freizeitausgleich dienen.
Keine weitere Abmahnung erforderlich
Aufgrund der Schwere des Vergehens hielt das Arbeitsgericht eine weitere Abmahnung für überflüssig. Die Richter berücksichtigten zwar die lange Betriebszugehörigkeit der Vorsitzenden, sahen die Kündigung jedoch als verhältnismäßig an. Das vorherige pflichtwidrige Verhalten der Betriebsratsvorsitzenden spielte hierbei eine entscheidende Rolle.
"Dieses Urteil zeigt, dass auch Betriebsratsmitglieder und sogar Vorsitzende nicht über dem Gesetz stehen. Arbeitszeitbetrug ist kein Kavaliersdelikt - auch nicht im Rahmen von Betriebsratstätigkeiten", erklärt Görzel. "Arbeitgeber sollten jedoch sorgfältig dokumentieren und bei Verdacht auf Unregelmäßigkeiten klare Kommunikation suchen." Aus seiner Sicht setzt das Urteil ein klares Signal: "Ehrlichkeit und Transparenz sind im Arbeitsverhältnis unerlässlich."
Kündigung wegen Straftat im Betrieb