Beim Kick Off zum diesjährigen Euronics Kongress, der im Rahmen der gemeinsam mit Expert ausgerichteten KOOP 2024 stattfindet, ist im "IFA-Palais" der Berliner Messe die Stimmung der anwesenden Fachhändler gut - was durchaus keine Selbstverständlichkeit darstellt: Nicht nur hatte sich Euronics Ende 2023 überraschend von den Vorständen Jochen Mauch und Michael Rook getrennt, auch ging der Umsatz der Verbundgruppe im Geschäftsjahr 2022/23 noch einmal von 1,49 Milliarden Euro auf 1,38 Milliarden Euro um rund sieben Prozent zurück, auch wegen des Ausfalls umsatzstarker Euronics-Mitglieder wie Alphatecc (nach Verkauf an Expert) und Technik-Galerie, das 2023 mit fünf Filialen im Rhein-Main-Gebiet und angeschlossenem Onlineshop in Folge von Insolvenz die Pforten schloss. Die Zahl der angeschlossenen Geschäfte lag nach 1.294 Standorten 2020/21 am Ende des Geschäftsjahres 2022/23 nur noch bei 1.257 Standorten.
Während sich bei der ebenfalls in Berlin abgehaltenen Euronics Generalversammlung der Frust der Mitglieder offensichtlich gegen die ehemaligen Vorstände Mauch und Rook richtete - den Managern wurde dem Vernehmen nach die Entlastung verweigert -, waren die in der Verbundgruppe organisierten Fachhändler bereit, den Beteuerungen und Appellen von Vorstandssprecher Benedict Kober und seinem Vorstandskollegen Denis-Benjamin Kmetec zu folgen. "Wir rücken jetzt die Umsetzung in den Vordergrund, unsere Mitglieder wollen Ergebnisse sehen", erklärte dazu Kober gegenüber der Fachpresse. Wachstum, Digitalisierung und Wertschöpfung seien die strategischen Schwerpunkte, die Euronics nun mit Priorität angehen wolle.
Online-Marktplatz und E-Mobility bleiben Schwerpunkte
Trotz der Führungskrise zum Jahreswechsel und dem Abgang von Digital-Vorstand Jochen Mauch, der vom Online-Marktplatz bis zu Kundenbindungs-App viele Initiativen der Verbundgruppe prägte, soll es bei Euronics zu keinem inhaltlichen Richtungswechsel kommen. "Wir planen keine Änderung in unserer Digitalisierungsstrategie", sagte Benedict Kober im Gespräch. Auch bei den angeschlossenen Fachhändler bestehe darüber Konsens: "Es gibt kein Murren, nicht gegen die Digitalisierung und auch nicht gegen die Möglichkeit zur Zentralisierung von Teilen unseres Online-Geschäft, die unsere Mitglieder 2023 beschlossen haben." Der Aufbau der Aktivitäten der damals gegründeten Euronics Digital GmbH sei allerdings ohnehin längerfristig angelegt und könne sich abhängig von verschiedenen Einflussfaktoren auch etwas nach hinten verschieben. Mit der zentralen Rolle des internen Online-Marktplatzmodells und der in den letzten Jahren in der Euronics-Zentrale in Ditzingen aufgebauten personellen E-Commerce-Kompetenz habe die Verbundgruppe aber Fakten geschaffen, die man weder so leicht ändern könne noch wolle. "Wir sehen uns gegenüber den Wettbewerbern weiterhin bei der Digitalisierung in einer Vorreiterrolle", bringt Vorstandssprecher Kober die Ausrichtung von Euronics auf den Punkt.
Zu dieser Vorreiterrolle zählte in den letzten Jahren auch das starke Augenmerk von Euronics auf dem Thema E-Mobility. Neben E-Scootern und -Bikes vermarktete die Verbundgruppe auch seit 2020 elektrisch betriebene SUVs der chinesischen Marke Aiways. Seit Mitte 2023 ist diese Partnerschaft allerdings beendet - jedoch nicht wegen mangelndem Interesse seitens der Verbundgruppe. Euronics-Chef Kober verweist stattdessen auf interne Prozesse bei dem staatlich gesteuerten chinesischen Hersteller und auf die bereits im vergangenen Jahr gestartete Kooperation zwischen Euronics und Next.e.GO Mobile, einem deutschen Kraftfahrzeughersteller für Elektroautos mit Sitz in Aachen, der voraussichtlich im Lauf des Jahres auf den Markt kommen soll. "Aiways war für uns eine super Gelegenheit, um zu lernen, wie man E-Autos vermarktet - und dieses Wissen ist ja jetzt nicht weg. Wir sind weiterhin tausendprozentig vom Thema E-Mobility überzeugt", so Kober im Gespräch.
Aus für Zukunft-Store, neuer Fokus auf KI-Projekte
Einen weiteren Ansatz, wo der Euronics-Schwerpunkt auf Digitalisierung in Zukunft hinführen kann, lieferte beim Euronics Kongress der Auftritt von Dany Lyons, CEO von neuropredictR, einem Unternehmen, das mithilfe der Meta-KI effectR Lösungen für Retail- und Logistikunternehmen entwickelt. Für Euronics hat neuropredictR ein Projekt gestartet, bei dem es um Optimierungen in den Bereichen Predictive Sales, Erhöhung der Lagerumschlagsgeschwindigkeit, Pricing und Effizienzsteigerung werblicher Aktivitäten
geht. Auf Basis der Transaktionsdaten hunderter Euronics-Händler und der Analysestärke der eingesetzten KI sollen künftig auch die Verbundgruppenmitglieder auf Data-Science-Verfahren zugreifen können, wie sie sonst nur großen Retailern zur Verfügung stehen. Außerdem wurde ein Prototyp für einen KI-basierten WhatsApp-Chatbot mit dem Namen "Roni" vorgestellt, der künftig Kundenanfragen beantworten oder Euronics-Verkäufer am Point of Sale unterstützen könnte. Ebenfalls aus dem KI-Projekt gewonnen wurde die Erkenntnis, dass ein großer Essenslieferservice als Same-Day-Delivery-Partner für Euronics-Fachhändler gut passen würde. Details sollen nun abgeklärt werden. Auffallend war jedenfalls, wie gut der Vortrag des KI-Experten beim anwendenden Fachhändlerpublikum ankam - ein weiterer Beleg für den eingeschlagenen Digitalisierungskurs der Verbundgruppe.
Bei einem Zukunftsthema muss Euronics jedoch zurückrudern: Das 2022 präsentierte Fachhandelskonzept der Zukunft mit Projektnamen "njuju", das Kunden per Blockchain zu Mikro-Genossenschaftern machen sollte, wurde schon vor der Trennung von Digitalvorstand Jochen Mauch auf Eis gelegt. "Es konnte für das Konzept kein funktionierendes Geschäftsmodell gefunden werden, das sich tragen würde", verriet Benedict Kober. Für den Euronics-Chef, der die Verbundgruppe künftig in einer Zweierspitze gemeinsam mit Denis-Benjamin Kmetec führen will, bleibt aber auch so genug zu tun, um den Mitgliedern die gewünschten "Ergebnisse" zu liefern.