Ladengeschäfte aller Art stehen massiv unter Druck. Der Handelsverband Deutschland (HDE) warnt bereits vor einer Verödung der deutschen Innenstädte. In einem Brandbrief an Bundesinnenminister Horst Seehofer forderte Hauptgeschäftsführer Stefan Genth die Politik auf, Maßnahmen zur Rettung des innerstädtischen Handels zu ergreifen. "Viele Innenstädte in Deutschland sind in höchster Not", klagte der Lobbyist.
Nach Schätzungen des Verbands hat sich zwischen 2012 und 2017 die Zahl der Einzelhandelsgeschäfte in Deutschland bereits um 11.000 verringert. "Es müssen dringend Sofortmaßnahmen ergriffen werden, um diese Entwicklung abzufedern", forderte Genth. "Die Politik darf diesem Erosionsprozess nicht länger nur zuschauen." Viele Händler setzen auf digitale Zusatzservices, um ihre Geschäfte attraktiver zu machen. Um den Kunden jedoch solche Mehrwerte anbieten zu können, braucht es dem Handelsverband zufolge eine funktionierende digitale Infrastruktur in den Städten.
Hier identifizieren die Händler gravierende Defizite. Von der Digitalisierungsstrategie der Bundesregierung erwartet der HDE kaum Besserung. "Das ist ein Bündel von Einzelmaßnahmen und keine vernetzte Strategie", kritisierte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Stephan Tromp. Nach wie vor fehle aber an vielen Standorten die Infrastruktur für eine Digitalisierung der Unternehmen.
Im Ausbau digitaler Plattformen und öffentlicher WLAN-Angebote liegen Tromp zufolge große Chancen für die Innenstädte: "Innovationen wie die Navigation per Smartphone in den Geschäften oder das Bezahlen mit dem Handy setzen ein gutes Netz voraus." Im Handel könnten dann Online-Shops und Geschäfte enger miteinander verzahnt und neue Services für die Kunden geschaffen werden.
Digitalisierung bedeutet viel Arbeit für die Händler
Tatsächlich sehen viele Händler in der Digitalisierung eine Chance, ihr Geschäft fit für die Zukunft zu machen. Die IT-Budgets steigen und die Unternehmen investieren in neue Technologien – das stellt zumindest die aktuelle Studie "IT-Trends im Handel 2019" des EHI Retail Institute fest. Allerdings haben die Händler anspruchsvolle Aufgaben vor sich. Sie reichen von der Erneuerung der IT-Infrastruktur über Omnichannel-Projekte bis hin zu Zukunftstechnologien wie künstlicher Intelligenz. Letztere identifizierten die 90 befragten Handelsunternehmen, die zusammen für einen Jahresumsatz von fast 500 Milliarden Euro stehen, als wichtigsten IT-Trend für ihre Branche.
Doch erst einmal müssen vielerorts grundlegende Hausaufgaben im Fach IT-Infrastruktur erledigt werden. Viele IT-Architekturen, die momentan noch bei den Händlern im Einsatz sind, genügten den Anforderungen einer zunehmend digitalisierten Handelslandschaft gar nicht oder nur bedingt, schreiben die Studienautoren des EHI Retail Institute. Demzufolge hätten Infrastrukturprojekte in den kommenden beiden Jahren für fast zwei Drittel der befragten Händler höchste Priorität. Darunter fallen Investitionen in Netze, um die wachsenden Datenmengen bewältigen zu können, aber beispielsweise auch die Erneuerung beziehungsweise Verbesserung von Warenwirtschaftssystemen.