Die Bündelung von Software und Cloud-Angeboten, wie sie etwa Microsoft bei Microsoft 365 handhabt, führe zu höheren Preisen, weniger Wahlmöglichkeiten und wirke sich nachteilig auf Innovation und Produktqualität aus. Zu diesem Ergebnis kommen Ökonomen der Frankfurt School of Finance und der ESMT Berlin in einer von der CISPE, der Vereinigung europäischer Cloud-Infrastruktur-Betreiber, beauftragten und jetzt vorgelegten Studie. Die CISPE erneuert damit ihre Kritik an Microsoft.
Der Vereinigung gehören neben OVHcloud und Caelis aus Frankreich, Jotelulu und Gigas aus Spanien sowie Aruba aus Italien auch Leaseweb und als nicht-europäischer Anbieter auch AWS an. Sie hatte im vergangenen Jahr bei der EU gegen Microsoft eine Wettbewerbsbeschwerde wegen dessen Lizenzierungspraktiken eingereicht - obwohl der US-Konzern zuvor Zusagen gemacht und die Regelungen für Cloud-Lizenzen zum 1. Oktober 2022 angepasst hatte. Die Regelungen gehen den CISPE-Mitgliedern jedoch nicht weit genug.
Die jetzt vorgelegte Studie soll die Kritik untermauern und sicher auch Argumente in der laufenden Wettbewerbsbeschwerde liefern. Zwar konzentriert sich die Kritik derzeit auf Microsoft, in der Vergangenheit war aber von CISPE und Anwendervereinigungen auch schon deutliche Kritik an Oracle und SAP geäußert worden. Auch sie behandelten Cloud-Kunden unfair.
Microsoft wirft die CISPE vor, seine Marktmacht auszunutzen, um sich im Cloud-Umfeld Vorteile zu verschaffen. "Das Unternehmen versucht, Wettbewerber zu verdrängen und Kunden an die eigene Azure-Cloud zu binden. Diese Praxis ist seit langem Thema unter den Kunden", erklärt die Vereinigung.
Das Ergebnis der von ihm mitverantwortete Studie fasst Professor Dr. Markus Reisinger, Leiter des Economics Department, Frankfurt School of Finance, so zusammen: "Sogenannte Produktbündelungen sind unbedenklich, wenn daraus ein Zugewinn an Wohlfahrt für den Konsumenten erzielt wird. Unsere ökonomische Studie legt dar, dass dies bei Microsoft nicht gegeben ist. Die relativ starke Ungleichbehandlung zwischen separatem Erwerb und Bündel-Erwerb der Produkte führt zu einer umfangreichen Diskriminierung. Daher ist die Reduktion der Konsumentenwohlfahrt erheblich und dem Vorgehen Einhalt zu gebieten."
Professor Dr. Stefan Wagner von der European School of Management and Technology (ESMT) in Berlin und Mitautor der Studie erklärt: "Dieser Effekt tritt selbst dann ein, wenn ein marktbeherrschender Hersteller in seinem Bündel ein qualitativ schlechteres Produkt anbietet als ein Wettbewerber, der ein konkurrierendes Produkt einzeln verkauft. Häufig entscheiden sich Kunden dann aus Kostengründen für das Bündel. Das führt zu Qualitätseinbußen, die sich auch auf die Endkonsumenten auswirken können. Geschäftskunden haben in diesem Fall geringere Innovationsmöglichkeiten und können weniger funktionale Endprodukte produzieren beziehungsweise ihren eigenen Kunden eine geringere Produktvielfalt anbieten."
Die Studienautoren sehen durch den unfairen Wettbewerb zudem die Gefahr eines Innovationsrückgangs auf dem Cloud-Markt, da es sich für die benachteiligten Anbieter nicht lohne, in neue Entwicklungen zu investieren. "Da dann immer mehr Wettbewerber ganz vom Markt verschwinden, entsteht ein Teufelskreis. Der dominierende Anbieter kann immer stärker Preise und Bedingungen diktieren", skizziert die CISPE das aus ihrer Sicht drohende Szenario.
Die Studie (PDF) flankiert die laufenden Kartellbeschwerden gegen Microsoft bei der Europäischen Kommission. Neben Beschwerden von Slack, OVHCloud und Aruba sowie NextCloud hat auch der Branchenverband CISPE solch eine Beschwerde eingereicht. Begründung: Das Update der Lizenzbedingungen zum 1. Oktober 2022 lasse nicht erkennen, dass Microsoft beabsichtige, seine wettbewerbswidrigen Praktiken aufzugeben.
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Software-Riesen behandeln Cloud-Kunden unfair
Gebrauchte Software in der Cloud: Microsoft macht Zugeständnisse