Arbeitnehmerin steht Entschädigung zu

Diskriminierung wegen Schwangerschaft

Michael Henn ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht, Fachanwalt für Arbeitsrecht und VDAA-Präsident, c/o Rechtsanwälte Dr. Gaupp & Coll


Andreas Th. Fischer ist freier Journalist im Süden von München. Er verfügt über langjährige Erfahrung als Redakteur bei verschiedenen IT-Fachmedien, darunter NetworkWorld Germany, com! professional und ChannelPartner. Seine fachlichen Schwerpunkte liegen in den Bereichen IT-Security,  Betriebssysteme, Netzwerke, Virtualisierung, Cloud Computing und KI. 
Wird unter Verstoß gegen das Mutterschutzgesetz einer schwangeren Arbeitnehmerin eine Kündigung erklärt, stellt dies eine Benachteiligung wegen des Geschlechts dar und kann einen Anspruch auf Entschädigung auslösen.
Für Schwangere gelten in Deutschland besondere Regelungen beim Kündigungsschutz.
Für Schwangere gelten in Deutschland besondere Regelungen beim Kündigungsschutz.
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Eine Schwangerschaft erfordert meist viel Kraft von Frauen. Dadurch kann die Arbeitsleistung sinken. Das Mutterschutzgesetz regelt detailliert, was schwangere Frauen dürfen und was nicht. So dürfen bestimmte Arbeitszeiten nicht überschritten werden, auch gelten strengere Regelungen für Sonn- und Feiertagsarbeit. Insbesondere dürfen auch keine schweren körperlichen Tätigkeiten oder langes Stehen von Schwangeren verlangt werden. Auch beim Kündigungsschutz gelten besondere Bestimmungen, die wir im Folgenden anhand von drei Beispielen und einem Informationsblatt erläutern wollen.

Fall 1: Kündigungsschutz bei Schwangerschaft

Das Bundesarbeitsgericht entschied am 27.2.2020 (2 AZR 498/19), dass ein Kündigungsverbot gegenüber einer schwangeren Arbeitnehmerin gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MuSchG auch für eine Kündigung vor der vereinbarten Tätigkeitsaufnahme gilt. Die erfolgte Kündigung wurde vom Gericht als "nichtig" eingestuft. Die Richter wiesen zudem darauf hin, dass sich "eine Kündigung schädlich auf die physische und psychische Verfassung von Schwangeren, Wöchnerinnen oder stillenden Arbeitnehmerinnen auswirken kann".

Eine Schwangere könne durch den sonst drohenden Arbeitsplatzverlust sogar zum baldigen Abbruch ihrer Schwangerschaft veranlasst werden. Die Arbeitnehmerin und mittelbar das Kind dürften aber nicht durch wirtschaftliche Existenzängste belastet werden. Das gelte sogar schon vor dem ersten Arbeitstag.

Fall 2: Benachteiligung des Geschlechts

Laut einer Mitteilung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 12.12.2013 zu seinem Urteil vom selben Tage, Az. 8 AZR 838/12 stellt etwa der Umstand, dass einer schwangeren Arbeitnehmerin unter Verstoß gegen das Mutterschutzgesetz gekündigt wird, eine Benachteiligung wegen des Geschlechts dar und kann einen Anspruch auf Entschädigung auslösen.

Der Fall: Die Klägerin sieht sich aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert. Im Kleinbetrieb ihrer Arbeitgeberin galt zwar nicht das Kündigungsschutzgesetz, für die schwangere Klägerin bestand jedoch der besondere Kündigungsschutz des § 9 MuSchG. Anfang Juli 2011 wurde aus medizinischen Gründen zudem ein Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG für die Klägerin ausgesprochen. Dem Ansinnen der Beklagten, dieses Beschäftigungsverbot nicht zu beachten, widersetzte sich die Klägerin.

Schwanger ins Büro? Nicht immer eine einfache Sache.
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Am 14. Juli 2011 wurde festgestellt, dass ihre Leibesfrucht abgestorben war. Für den damit notwendig gewordenen Eingriff wurde die Klägerin auf den 15. Juli 2011 ins Krankenhaus einbestellt. Sie unterrichtete die Beklagte von dieser Entwicklung noch am 14. Juli 2011 und fügte hinzu, dass sie nach der Genesung einem Beschäftigungsverbot nicht mehr unterliegen werde. Die Beklagte sprach umgehend eine fristgemäße Kündigung aus und warf diese noch am 14. Juli in den Briefkasten der Klägerin. Dort entnahm sie die Klägerin nach ihrer Rückkehr aus dem Krankenhaus am 16. Juli 2011.

3.000 Euro Entschädigung

Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts, das der Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 3.000,00 Euro zugesprochen hatte, bestätigt.

Der gesetzliche Mutterschutz gilt von sechs Wochen vor bis acht Wochen nach der Entbindung.
Der gesetzliche Mutterschutz gilt von sechs Wochen vor bis acht Wochen nach der Entbindung.
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Die Klägerin wurde wegen ihrer Schwangerschaft von der Beklagten ungünstiger behandelt und daher wegen ihres Geschlechtes benachteiligt, § 3 Abs. 1 Satz 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) in Verbindung mit § 1 AGG. Dies ergibt sich schon aus dem Verstoß der Beklagten gegen das Mutterschutzgesetz. Da Mutter und totes Kind noch nicht getrennt waren, bestand noch die Schwangerschaft im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung.

Beschäftigungsverbot ignorieren?

Auch der Versuch, die Klägerin zum Ignorieren des Beschäftigungsverbotes zu bewegen und der Ausspruch der Kündigung noch vor der künstlich einzuleitenden Fehlgeburt indizieren die ungünstigere Behandlung der Klägerin wegen ihrer Schwangerschaft. Der besondere, durch § 3 Abs. 1 AGG betonte Schutz der schwangeren Frau vor Benachteiligungen führt jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden auch zu einem Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG. Dies ist unabhängig von der Frage zu sehen, ob und inwieweit Kündigungen auch nach den Bestimmungen des AGG zum Schutz vor Diskriminierungen zu beurteilen sind.

Fall 3: Kündigung nach der Elternzeit

Von einem weiteren Fall berichtet die Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Einer unbefristet beschäftigten Verkäuferin wurde am ersten Arbeitstag nach ihrer Elternzeit gekündigt. Da sie aber durch das Mutterschutzgesetz auch bis zu vier Monate nach der Geburt ihres Kindes vor einer ungerechtfertigten Kündigung geschützt war und weil es sich in diesem Fall um einen Kleinbetrieb handelte, wurde die Kündigung vor Gericht als diskriminierend eingeschätzt und für unwirksam erklärt. Es habe eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts der Verkäuferin gegeben.

Als Schmerzensgeld wurden der Frau drei Bruttomonatsgelder zugesprochen. Von ähnlichen Fällen Betroffene können sich ebenfalls an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wenden.

Auch bis zu vier Monate nach der Geburt ihres Kindes steht Müttern ein erweiterter Kündigungsschutz zu.
Auch bis zu vier Monate nach der Geburt ihres Kindes steht Müttern ein erweiterter Kündigungsschutz zu.
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Rechte und Pflichten der Arbeitgeber

Die Webseite Arbeitsrecht.org bietet ein Informationsblatt zu den Rechten und Pflichten von Arbeitgebern schwangerer Frauen an, das nach Angabe einer E-Mail-Adresse kostenlos heruntergeladen werden kann. Es erläutert unter anderem, welche Regelungen nach dem arbeitszeitlichen Gesundheitsschutz (§ 3 – § 8 MuSchG), dem betrieblichen Gesundheitsschutz (§ 9 – § 15 MuschG), dem ärztlichen Gesundheitsschutz (§ 16 MuSchG) und dem besonderen Kündigungsschutz (§ 17 MuSchG) zu beachten sind.

Außerdem geht es auf den Mutterschutz vor und nach der Geburt, die Arbeitszeiten von Schwangeren, entgeltliche Freistellungen, Vorgaben zu Arbeitsbedingungen und Gefährdungsbeurteilungen ein.

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