In puncto Digitalisierung traf die Covid-19 Krise die deutschen Haushalte und somit Arbeitnehmer gut vorbereitet: neun von zehn Haushalten haben einen Rechner wie auch Internet-Zugang zu Hause verfügbar; sieben von zehn Haushalten verfügen bereits über mobile Rechner. Im Durchschnitt besitzen wir 2,5 Rechner zu Hause. Privat sind wir also digital bestens ausgestattet und vernetzt!
Was bislang von Großunternehmen oftmals mit großer Skepsis betrachtet wurde und vor allem für viele mittelständische Unternehmen nahezu unmöglich erschien, nämlich Mitarbeiter im Home Office arbeiten zu lassen, wurde innerhalb von wenigen Tagen Realität. 39 Prozent der Berufstätigen in Deutschland arbeiteten laut einer gfu-Studie im April 2020 Corona-bedingt im Home Office, 21 Prozent ausschließlich im heimischen Büro und 18 Prozent wechselten zwischen Home Office und Büroarbeitsplatz.
Vernetzung – die Chance der 2020er Jahre
Telefon- wie Videokonferenzen ersetzen ganz natürlich Vor-Ort.Meetings bei Kunden, Partnern oder Lieferanten und auch Besprechungen im eigenen Unternehmen. Nach einer kurzen Einarbeitungs-, Lern- und Nachkaufphase (Lizenzen, Services, Equipment und andere) haben wir uns an virtuelle Kommunikation, Meetings und digitale Prozesse gewöhnt und agieren wie selbstverständlich in diesem neuen Umfeld! Die von vielen Unkenrufern in der Vergangenheit plakativ aufgeworfenen Digitalisierungsproblemen erweisen sich - glücklicher Weise - in der täglichen Praxis bei weitem geringer als immer wieder monoton prophezeit - Feuertaufe bestanden!
"Everything@Home" - mehr digitales Equipment zu Hause
Neu hingegen war für viele Haushalte die nun nicht mehr zeitversetzten (zum Beispiel Kinder mit Nutzungsschwerpunkt am Nachmittag, Eltern tendenziell am Abend), sondern zeitgleichen Nutzungsabsichten wie auch die unabhängige Nutzung (zum Beispiel individuelle Arbeit oder Schule vs. gemeinsames Entertainment) des digitalen Equipments. Hierfür waren in vielen Haushalten zu wenig Rechner wie zu wenig erforderliches Zubehör verfügbar. Die stark gestiegenen Verkaufszahlen im April 2020 für
mobile Rechner und Tablets
"klassisches" Computer-Zubehör, wie Monitore, Kabeln und WebCams sowie
"neues" Computer-Zubehör wie Kopfhörer/Headsets
spiegeln diese Situation wider. Die Tech-Industrie gehört kurzfristig wie auch langfristig zu den Gewinnern der aktuellen Krise. Covid-19 wird zu zusätzlicher Nachfrage und Investitionen in Digitalisierung in den unterschiedlichsten Lebens- wie Arbeitsbereichen führen. Bedingt durch die aktuelle Lockdown-Situation und Everything@Home beziehungsweise "X@Home" wird die Tech-Industrie mit drei grundlegenden Nachfragewellen
"Schooling@Home" und
"Entertainment@Home"
konfrontiert, die zeitlich dicht aufeinander folgten/folgen oder sich teilweise überlagerten/überlagern. Für Tech-Hersteller, Netzanbieter oder digitale Serviceanbieter somit sehr gutes Geschäft. Aber wie wirkt sich die veränderte Ausgangslage auf den Channel aus?
"X@Home" - Wendepunkt für den Channel
In den letzten Wochen waren die Gewinner aufgrund des in seiner Konsequenz dann doch überraschenden Lockdowns klar: Online-Retailer. Für viele erstmals im Home Office arbeitenden Menschen waren sie die einzige Option, notwendige Rechner wie entsprechendes Zubehör, Adapter oder Kabel zu erhalten. Parallel profitierten Reseller mit ihrer B2B-Fokussierung.
Vor allem Reseller, die sich auf mittelständische Unternehmen oder Branchen fokussieren, die bislang verhalten in Digitalisierung investierten, wurden kurzfristig mit umfangreichen Kundenwünschen konfrontiert, um die in das Home Office zwangsversetzte Mitarbeiter sicher mit dem Unternehmensnetzwerk zu vernetzen, Anwendungen remote verfügbar zu machen, Setup-Herausforderungen zeitnah zu lösen oder flexibles Troubleshooting sicher zu stellen. Der in Fachkreisen seit langem diskutierte Begriff "Disruption" wurde somit für viele Menschen in der alltäglichen Praxis erstmals hautnah erlebbar.
Diese Entwicklung wird in Konsequenz dem Channel - Retailern wie Resellern - eine neue Rolle abverlangen. Die Kombination aus Vernetzung, dezentraler Struktur, dem Einsatz und Zusammenspiel unterschiedlichster Programme und Versionen wird zu einem steigenden Know-how, Beratungs- und Servicebedarf bei Kunden führen. Ein wirkliches Verständnis der Wertschöpfung seines Kunden wie täglich gelebte Kundennähe wird reinen Preiswettbewerb oftmals zweitrangig werden lassen.
Kunden erlebten in den letzten Wochen vielfach zum ersten Mal, dass 24x7-Service-Verfügbarkeit und garantierte Reaktionszeiten - oder einfach der "Partner um die Ecke" mit kurzer Anfahrzeit - ihr Investment mehr als wert sind. In einer virtuell, digital, vernetzten Geschäftswelt ist funktionierendes ITK-Equipment der alles entscheidende Basisfaktor, um Geschäft grundsätzlich zu ermöglichen. Unternehmen werden hier in Zukunft noch weniger dem Zufall überlassen, als dies schon in der Vergangenheit der Fall war - ITK-Infrastruktur und Equipment sind in kürzester Zeit in vielen Beriechen systemkritisch geworden.
Kultur- und Organisationswandel durch digitale Collaboration
Kontinuierliche wie effiziente Kommunikation ist der ausschlaggebende Faktor, damit Mitarbeiter Kontakt zum Kunden, zum Unternehmen wie zueinander halten können. Telefon, E-Mail, Chat, Video-Call oder Konferenz in Kombination mit Collaboration-Software gilt es, dem Aufgabenspektrum angepasst, abgestimmt und zugleich individuell zu nutzen. Vieles, was Unternehmen aufgrund einer Reihe von Bedenken in den letzten Jahren nur widerwillig, verzögert oder in Einzelfällen eingeführt hatten, stellt sich nun gezwungener Maßen als vergleichsweise problemfrei in der Praxis realisierbar heraus. Warum auch nicht?
Virtuelle Collaboration wird bei Großunternehmen im internationalen Kontext bereits seit langem praktiziert. Für klar strukturierte wie eingespielte Teams sowie bei transparent definierten Arbeitsabläufen sollte somit Home Office für Groß- wie mittelständische Unternehmen im nationalen Kontext analog erfolgreich praktiziert werden können. Die Herausforderung scheinen also weniger die Mitarbeiter als tradierte Organisationsstrukturen zu sein. Die nun veränderten und sich weiter verändern werdenden, mobil-flexiblen Organisationsstrukturen führen zu einer nachhaltig veränderten Nachfrage nach IT-Equipment im Channel:
steigende Nachfrage nach mobilen Rechnern wie Notebooks, Convertibles und Tablets wird den Desktop Rechner weiter verdrängen
BYOD ("Bring Your Own Device") wird auch in Deutschland - zuerst für Zubehör und später für klassisches IT-Equiment - deutlich an Bedeutung gewinnen
XaaS - wobei "X" für Drucken, Security, Cloud, Infrastruktur, Plattform, Software und "aaS" für "as a Service" stehen - sowie Managed Services werden weiter überproportional stark wachsen
Digitale Signaturverfahren und Security werden sich in der Praxis über Branchengrenzen hinweg etablieren und Key-Element digitaler Wertschöpfungsketten werden
dezentrale Printing Solutions im Home Office werden neben den zentralen Office-Lösungen eine wichtige Rolle im mobilen Arbeiten spielen
Die Grenzen zwischen SME- (Small & Medium Sized Enterprises) und Konsumenten-Nachfrage wie auch deren Produktnutzung werden in weiten Bereichen zunehmend verschwimmen. Zeitnaher Vor-Ort-Service wird in Ergänzung zu Remote Services eine neue wie sehr lukrative Option für dezentral agierende Retailer wie Reseller werden.
Die Uhr lässt sich nicht zurückdrehen - the best is yet to come
Auch wenn aus Home Office in den kommenden Wochen wieder Schritt für Schritt klassisches Office werden wird: die Uhr lässt sich nicht vollständig zurückdrehen, die gemachten Erfahrungen waren für vielen Menschen zu positiv. Zwar gaben in einer BVDW-Umfrage knapp 25 Prozent der Angestellten an, dass sie nicht im Home Office arbeiten wollen, mit 58 Prozent votierte die Mehrheit aber bereits für das temporäre Arbeiten von zuhause aus.
Demzufolge ist zu erwarten, dass viele Unternehmen die Option Home Office für einen größeren Kreis ihrer Mitarbeiter als bisher zumindest für ein bis zwei Tage in der Woche möglich machen werden. Der Vorteil durch wegfallende Pendlerzeiten, Feierabendstau, zeitlicher Flexibilität oder erhöhte Mobilität überwiegt für viele das Fehlen von sozialen Kontakten oder die Gefahr der Vermischung von Beruflichem und Privatem. Bereits ohne explizites Home Office arbeiteten viele Menschen vor dem Lockdown bereits mit Notebook oder Smartphone von Zuhause aus. Zudem haben auch Unternehmen durch mehr Flexibilität, weniger Office-Raum und -Ausstattung erhebliche Vorteile.
Sollte Deutschland - wie in den Medien gebetsmühlenartig widerholt - wirklich bei Digitalisierung noch vieles aufzuholen haben, ist das eine sehr gute Nachricht für die Tech-Industrie wie Distributoren und den gesamten Channel. In diesem Falle ist davon auszugehen, dass wir auch in den kommenden Jahren weiterhin hohes und Covid-19 bedingt auch zusätzliches Investment in digitale Technologien zu erwarten haben - the best is yet to come!