Interview mit Cisco-CEO Chuck Robbins

Der neue Kurs von Cisco

05.08.2015
Von John Gallant

Die Akquisitionsstrategie von Cisco

Sie waren in den vergangenen Jahren an diversen Übernahmen und Deals beteiligt. Inwiefern unterscheidet sich Ihre Akquisitionsstrategie von der von John?

Chuck Robbins: Nachdem ich den Job angenommen habe, habe ich mich mal zurückgelehnt und mir angesehen, was bislang gut funktioniert hat - und was weniger gut. Was sollten wir in Zukunft anders machen als in der Vergangenheit? Meinem Team habe ich erklärt, dass wir das Beste aus der Vergangenheit mit dem Besten, was wir künftig tun können, kombinieren müssen. Wenn es um Übernahmen geht, haben wir, glaube ich, das Maximum herausgeholt.

War der Camcorder Flip für Cisco wirklich nur "ein bisschen Herumspielen"?
War der Camcorder Flip für Cisco wirklich nur "ein bisschen Herumspielen"?

Nun kann man immer mal ein bisschen Herumspielen, so wie John das mit Flip gemacht hat, aber tatsächlich ist unsere Akquisitionsstrategie ein integraler Bestandteil unseres Entwicklungsplans der letzten Jahre. Und sie soll stringent fortgeführt werden.

Wir glauben nicht, dass große Übernahmen gut funktionieren. Man muss ja auch kulturelle Ausrichtungen, die geografische Lage von Fertigungswerken und all sowas mit in Betracht ziehen. Objektiv betrachtet besteht unser Innovationsplan aus interner Forschung und Entwicklung, Übernahmen und zunehmend auch aus interessanten Partnerschaften. Als wir beispielsweise sehr für die Industrie zu produzieren begannen, haben wir uns mit Rockwell, Schneider, Emerson und ähnlichen Unternehmen zusammengetan.

Dann gibt es noch zwei wichtige Dinge, die wir vorhaben: Co-Innovation und Co-Entwicklung zusammen mit unseren Kunden, nicht zu vergessen auch unser Venture Fund oder unser Investment Portfolio. In all diesen Bereichen wollen wir sogar noch aggressiver vorgehen.

Eine interessante Entwicklung sind die Partnerschaften von Unternehmen mit Kunden auf offenen Plattformen, sei es nun IBM mit Watson oder der Bluemix-Plattform oder Salesforce.com mit Force.com. Ist das auch ein Modell für Sie?

Chuck Robbins: Sehen Sie sich doch an, was wir bislang in Sachen Collaboration gemacht haben. Durch die wirklich wichtige Übernahme von Tropo haben wir unser Portfolio um jede Menge APIs erweitert. Aus unserem Ökosystem stammen mehr und mehr Applikationen, die Collaboration aktiv nutzen. Unsere IoT-Plattform IOx erlaubt es Applikationen direkt in die Infrastruktur einzugreifen. Sobald wir damit Programmierbarkeit und Netzwerkfähigkeiten ausgebaut haben, werden wir das ebenfalls den Anwendungsentwicklern zur Verfügung stellen.

Sie haben sich in Sachen Security sowohl durch Übernahmen als auch durch interne Entwicklungen verstärkt. Was fehlt noch? Wo müssen Sie unter Sicherheitsaspekten noch was draufpacken?

Chuck Robbins: Das ist ein großer Markt, und je nachdem welcher Untersuchung Sie Glauben schenken wollen, verfügen wir über sieben bis zehn Prozent Marktanteil. Damit sind wir die Nummer 1. Aber es gibt noch viele Möglichkeiten, den Anteil zu erhöhen. Das größte Problem heutzutage ist, dass ein Kunde im Schnitt 40 bis 50 verschiedene Sicherheitsprodukte im Einsatz hat, und logischerweise ist man nur so sicher wie der schwächste Punkt sicher ist. Es ist unsere Überzeugung, dass unsere Kunden das Problem mehr aus der Perspektive der Architektur angehen werden.

Eigentlich passiert das bereits. Und Sie wissen ja, was ich Ihnen zu unserer Architektur gesagt habe. Die ist übrigens keinesfalls geschlossen, da machen wir uns keine falschen Vorstellungen. Wir sind von unserem Produkt überzeugt, mit ACI öffnen wir uns aber und unterstützen eine Reihe von Standards, ganz wie das die Kunden von uns erwarten.

Lassen Sie uns auf Ihre Bemerkung zum Thema Flip zurückkommen. Gibt es eine Übereinkunft darüber, was bei Cisco in der Vergangenheit schief gelaufen ist? Würden Sie etwas als Fehlschlag bezeichnen, seien es nun die Flip-Kameras oder das Cius Tablet? Oder etwas ganz anderes?

Auch mit dem Tablet Cius hatte Cisco ein eher unglückliches Händchen.
Auch mit dem Tablet Cius hatte Cisco ein eher unglückliches Händchen.
Foto: Cisco

Chuck Robbins: Lassen Sie uns aufgreifen, was ich bereits gesagt habe: Unser Unternehmen war immer top darin, Konvergenz zu schaffen und noch etwas drauf zu setzen. Wenn wir also etwas falsch gemacht haben, dann, wenn wir nicht schnell genug konvergiert haben oder wenn wir nicht nah genug an unserem Kerngeschäft dran gewesen sind. Wir suchen immer nach Möglichkeiten, dem IP-Netzwerk Funktionalitäten hinzuzufügen. Darum geht es bei ACI, das die Applikationen ins Spiel bringt. Darum geht es beim IoT und der Digitalisierung hin zum IoE. Und hier sehe ich für uns enorme Chancen in der Zukunft.

Dann lassen Sie uns weiter über die Möglichkeiten des IoE reden. Wie wollen Sie das mit Cisco angehen? Der Markt ist sehr diversifiziert, es gibt jede Menge Mitspieler und jede Menge unberührter Applikationen, an die die Leute bislang noch gar nicht gedacht haben.

Chuck Robbins: Da ist jede Menge zu holen, alleine beim An- und Verbinden der vielen verschiedenen Devices, aktuell wohl um die 14 Milliarden Stück, bald 50 Milliarden und später vielleicht 500 Milliarden. Das fällt uns quasi in den Schoß. Wir waren aber immer erfolgreich, sobald wir einen Mehrwert dazu geschaffen haben. Da haben wir auch einen passenden Slogan: 'Es passieren die tollsten Sachen, wenn Sie das Getrennte verbinden'. Und das ist wahr. Sobald etwas verbunden ist, können wir als allererstes für Sicherheit sorgen. Als zweites können wir Analysen vornehmen. Wir können Daten vom äußersten Rand der IT nutzen und das Device programmierbar machen, all solche Dinge. Das offeriert enorme Möglichkeiten, nicht nur durch die einfache Anbindung, sondern durch die Dinge, die dadurch möglich werden.

Lassen Sie mich zwei Aspekte aufgreifen. Zum einen Security, zum anderen Storage. Zunächst Security: Wie man hört, öffnet das IoT im Hinblick auf Sicherheitsprobleme die Büchse der Pandora. Wie wollen Sie Unternehmen bei diesem Problem behilflich sein?

Chuck Robbins: Unsere Architektur hilft den Unternehmen durch eine Kombination aus OpenDNS- und Netzwerk-Assets, sowie einigen Dingen, die wir heute noch nicht haben. Wirklich, durch die Übernahme von NDS eröffnen sich hier ganz neue Wege. Wir sind der Überzeugung, dass die Probleme architektonisch angegangen und im Netzwerk gelöst werden müssen. Daran arbeiten wir, an einer Architektur für die Sicherheit des IoT. Das ist der Schlüssel zu diesem Markt.

Wie soll das funktionieren in einem Markt, der übervoll ist mit den verschiedensten Geräten und Produkten verschiedenster Hersteller, auf die Sie keinen Einfluss haben? Große Hacks erfolgten kürzlich erst durch medizinisches Gerät. Können Sie solche Angriffe mit Ihrer Infrastruktur verhindern?

Chuck Robbins: Wenn Sie Teil der IP-Infrastruktur sind: ja. Absolut.

Das zweite war Storage. Das IoT benötigt wahnsinnig viel Speicher - und der gehört besser verwaltet. Wird Cisco hier bald eine noch größere Rolle spielen? Werden Sie einen Storage-Spezialisten übernehmen?

Chuck Robbins: Diese Frage wird uns ziemlich oft gestellt. Wir hatten ein sehr gutes Verhältnis zu EMC, aber auch zu NetApp, zu Hitachi, sogar zu IBM, und bislang konnten wir dadurch alle Anforderungen unserer Kunden erfüllen. Wenn ich auf unsere künftige Architektur blicke, so wie ich Sie Ihnen eben geschildert habe, dann stellt sich die Frage, wie wir diese Anforderungen in der Zukunft erfüllen wollen. Wir werden sehen, ob durch Partnerschaften oder durch etwas, das wir dann besitzen werden.

Ein "hyper-converged" Rechenzentrum benötigt sehr viel Storage. Wäre es nicht besser, diesen selber zu besitzen?

Chuck Robbins: Nicht unbedingt. Wir haben konvergierte Infrastrukturen zusammen mit anderen erstellt - das war sehr erfolgreich, auch ohne dass uns der Speicher gehört hat.

Dieses Interview lief zuerst auf cio.com (mhr/hi)

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