Interview mit Cisco-CEO Chuck Robbins

Der neue Kurs von Cisco

05.08.2015
Von John Gallant

Ist SDN eine Gefahr für Cisco?

Sie verfügen über eine robuste Software-Defined-Network-Strategie. Wie begegnen Sie Kritikern, die behaupten, SDN wäre eine Gefahr für Cisco? Ein Dell-Manager wurde kürzlich mit den Worten zitiert: "SDN ist Kryptonit für Cisco."

Chuck Robbins: Bei dem Themen kann man einen religiösen Eifer entwickeln - oder objektiv betrachten, was die Kunden denn wirklich erreichen wollen. Es wird viel Aufhebens um SDN gemacht, aber wie John schon im letzten Interview mit Ihnen erklärt hat: Kein Kunde wacht morgens mit dem Gedanken auf, dass, wenn er heute ein SDN kaufen könnte, dies ein guter Tag werden würde. Kunden verlangen nach mehr Flexibilität, Agilität, besserer Ausnutzung bestehender Ressourcen, effizienteren Prozessen und höhere Geschwindigkeit bei der Umsetzung.

Als SDN aufkam, haben wir es uns genau angesehen und uns gefragt, inwieweit es den Kunden bei seinen Themen helfen kann. Wir glauben, dass wir es am besten nutzen, indem wir der Applikation die Fähigkeit verleihen, nach eigenen Regeln im Rechenzentrum zu agieren. Nun wollen wir das auf das gesamte Unternehmen ausweiten, so dass die Applikation die sie umgebende Infrastruktur definieren kann, egal ob es um die Dienstequalität, Sicherheitsprofile, oder die kurzfristige Bereitstellung von Rechen-Power, virtuellen Maschinen oder Speicher geht. Der große Vorteil eines SDN ist in unseren Augen die Automatisierung, und da sehe ich uns sehr gut aufgestellt. Wir können Netzwerk - und liefern Automatisierung von oben her.

Virtualisierung ist ein wichtiger Punkt. Geht es dabei eigentlich nicht darum, dass die Infrastruktur flexibler wird? Dass es ganz egal wird, woher die benötigten Ressourcen stammen? So lief es zumindest bei der Server-Virtualisierung. Wird es im SDN genauso laufen?

Wenn Sie das Beispiel der Server heranziehen wollen, dann sollten Sie auch wissen, dass wir den Server-Markt vor sechs bis sieben Jahren angegangen haben. Wenn es tatsächlich so wäre, dass Server austauschbar sind, wären wir nicht mit einer Premium-Lösung auf den Markt gekommen. Was uns übrigens weltweit zur Nummer 2 im Markt gemacht hat. Es gibt Fähigkeiten, die einen Server auszeichnen, und die nicht ohne Grund nachgefragt werden. Eines der Missverständnisse in Sachen Netzwerk-Virtualisierung hat damit zu tun, dass man sie immer mit der Server-Virtualisierung oder der Storage-Virtualisierung gleichsetzt. Die Virtualisierung von Servern und Storage wurde gemacht, weil diese lange Zeit hinweg unausgelastet waren. Viele Server wurden gerade mal zu 30 Prozent oder weniger genutzt.

Wir dagegen müssen die Netzwerke jedes Jahr ausbauen, weil sie so überlastet sind. Deswegen wollen wir sie also nicht virtualisieren. Ein SDN bringt zu aller erst mehr operative Effizienz, Automatisierung, den Abbau von Komplexität sowie die Möglichkeiten eines Rechenzentrums für eine bestimmte Anwendung. Wir sind überzeugt, dies durch eine Kombination aus unserer Technologie sowie einiger Software-Assets plus einem Software-Layer quer durchs ganze Unternehmen erreichen zu können. Wir sollten hier vielleicht weniger von Virtualisierung als vielmehr von Automatisierung und Programmierbarkeit sprechen. Dazu kommen höhere Geschwindigkeit und geringere Kosten.

Verstanden. Wenn man sich all diese Möglichkeiten ansieht, die SDN bietet, warum sind die Kunden davon nicht hin und weg, beziehungsweise warum sind so wenige Kunden davon überzeugt?

Chuck Robbins: So geht es vielen neuen Technologien. Es gibt heute noch wenige, sehr spezielle Anwendungsfälle, für die sich unsere ACI (Application Centric Infrastructure)-Architektur eignet. Immer mehr Kunden sehen sich das aber genau an. Wir befinden uns einfach noch in einer sehr frühen Phase.

Kommen wir zurück auf die Analogie zur Server-Virtualisierung: Die war vergleichsweise günstig, wohingegen die Netzwerk-Virtualisierung eine sehr kostspielige Sache ist und ihren Wert nur langfristig unter Beweis stellen kann.

Chuck Robbins: Das hat damit zu tun, dass wir ganz andere Probleme lösen als bei der Virtualisierung von Servern und Storage. Die Dinge werden kompliziert, wenn Sie integrieren und dabei eine Application Policy in die Infrastruktur einbetten wollen. Das braucht seine Zeit. Aber genau das passiert heutzutage im strategisch wichtigsten Teil der Infrastruktur, der sich im Rechenzentrum befindet. Dank unserer Konzerngeschichte sind das Kernkompetenzen von uns, genauso wie die Digitalisierung und das IoE.

Cisco ging es immer um Konvergenz plus Wertschöpfung für unsere Kunden. Lokale Netzwerkprotokolle konvergieren zu IP, Systems Network Architecture(SNA) konvergiert, Voice konvergiert, Video konvergiert - selbst Unternehmen und Dienstleister konvergieren. Wir haben die Konvergenz ins Rechenzentrum gebracht. ACI stellt die Konvergenz von Applikation und Infrastruktur dar. Ich habe immer wieder Witze darüber gemacht, dass wir beim Programmieren einer Anwendung in den 80er Jahren einfach mal hoffnungsfroh eine bestimmte Umgebung für diese Anwendung annahmen.

Heutzutage können wir diese konvertierte Umgebung ganz genau bestimmen. Wenn Sie sich das Internet der Dinge oder die Digitalisierung hin zum IoE ansehen, dann sehen Sie die nächste Welle der Konvergenz. Und darin sind wir Meister: Wir konvergieren bestehende Technologien und fügen bestimmte Fähigkeiten hinzu. Das liegt quasi in unseren Genen.

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