IDCs Prognosen für die nächste Jahre

Beyond 2019 - so wird die IT-Zukunft

Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Die IT-Industrie betritt eine „Phase dramatischer und disruptiver Transformation“, sagen die Analysten von IDC. In den nächsten drei bis fünf Jahren kommen massive Veränderungen auf Unternehmen und ihre IT-Organisationen zu.
IDC erwartet Zeiten, in denen eine intelligente Steuerung von hybriden IT-Landschaften entscheidend für den Unternehmenserfolg wird.
IDC erwartet Zeiten, in denen eine intelligente Steuerung von hybriden IT-Landschaften entscheidend für den Unternehmenserfolg wird.
Foto: Natasa Adzic - shutterstock.com

Da digitale Services und Technologien die wirtschaftliche Wertschöpfung von Unternehmen immer stärker beeinflussen, sind Erfolg und Überlebenschancen von Betrieben zunehmend von ihren IT-Fähigkeiten abhängig. Dabei bezeichnen die Marktforscher von IDC Public Clouds und die zugehörigen Ökosysteme als wichtigste Quelle von Technologieinnovationen.

Für Unternehmen werde es darauf ankommen, eine verteilte Cloud-Topologie, integriert mit den eigenen Rechenzentren und Edge-Lokationen, flexibel zu managen. Um schnell genug zu sein, setzen die Betriebe ihren eingeschlagenen Weg in Richtung Agile Computing und Devops mit höherer Geschwindigkeit fort. Immer geht es laut IDC darum, digitale Innovation zu beschleunigen.

Die Anzahl der Anwendungen und Services, die Firmen entwickeln und bereitstellen, wird explodieren. Die Technologien, die diesen Prozess beschleunigen, sind Container, Serverless Computing, Microservices-Architekturen, APIs, Platform as a Service, Code-Sharing in Communities, Plattformen und Marktplätze sowie Low-Code-Environments, die zu einer rasant steigenden Zahl an Entwicklern führen sollen.

KI-Technologien werden die Unternehmen und ihre IT-Bereiche in großen Schritten voranbringen. Das betrifft die Schnittstellen zu Kunden und Mitarbeitern (Customer und Employee Experience), IoT- beziehungsweise Edge-Services, Enterprise-Anwendungen sowie komplexe Back-end-Prozesse. Zu letzteren gehören etwa Cybersecurity, der IT-Betrieb, Anwendungsentwicklung- und -Management sowie die Supply-Chain-Optimierung. Außerdem wird die Zahl der digitalen Use Cases stark ansteigen, sie werden durch die verbesserten und flexibilisierten IT-Infrastrukturen sowie eine Menge an vertikal zugeschnittenen Apps und SaaS-Lösungen zunehmen.

Mit ihren Prognosen beschränken sich die Analysten von IDC nicht auf 2019, sondern sie richten sich auf die nächsten drei bis fünf Jahre. Wie bei Marktforschern üblich, sind die Thesen nicht allzu verbindlich formuliert. Eine Orientierung darüber, was auf IT-Shops zukommt, geben sie aber allemal. Deshalb im Folgenden zehn Vorhersagen von IDC für die nächsten Jahre.

These 1: Bis 2022 werden über 60 Prozent der nationalen Bruttoinlandsprodukte (BIP) von Industrieländern auf digitale Wertschöpfung zurückzuführen sein. Die IT-Investitionen werden sich auf sieben Billionen Dollar summieren.

Laut IDC hat das digitale Zeitalter begonnen: Führungskräfte in allen Unternehmen setzen die Digitalisierung ganz nach oben auf ihre Prioritätenliste. Organisationen, die zu spät dran sind, müssen sich mit anderen Nachzüglern um schrumpfende Anteile an traditionellen Märkten streiten. IDC hat bislang mehr als 600 Use Cases für die digitale Transformation in 16 Industrien identifiziert. Die Zahl steigt derzeit exponenziell. Jedes Unternehmen in jeder Industrie ist betroffen. "Die Digitalisierung ist wie eine Uhr, die im Kopf eines jeden CEOs laut tickt", schreibt IDC. Das Rennen sei in vollem Gang.

Die Analysten glauben, dass "digitales Denken" zur Kernqualifikation jedes Managers werden muss. Der C-Level kann die Entscheidungen nicht an sein IT-Team auslagern. Demnach ist es grundfalsch, die Digitalisierung auf Aufgaben wie E-Commerce oder Customer-Management einzuschränken. Sämtliche Produkte und Angebote, Prozesse und Kunden- beziehungsweise Partnerbeziehungen gehören auf den Prüfstand. Der Einfluss auf das Unternehmen ist so gewaltig, dass diese Aufgabe nicht an den CIO oder einen Chief Digital Officer (CDO) abgeladen werden kann.

IDC empfiehlt, eine Geschäftsstrategie rund um die digitale Transformation zu entwerfen und eine langfristige Roadmap aufzustellen, um die formulierten Ziele mit den richtigen Use Cases nach und nach zu erreichen. Gleichzeitig gelte es, eine integrierte Technologiearchitektur einzuziehen. Die Auguren sprechen von einer "Digital-Native-IT", die der Tatsache gerecht werde, dass IT zum zentralen Nervensystem und Wertschöpfungshebel geworden ist.

These 2: Bis 2023 werden drei Viertel aller IT-Ausgaben auf jüngere Themen wie Cloud und Mobile Computing, Big Data, Künstliche Intelligenz (KI), Robotics, Internet of Things (IoT), 3D-Druck, Mixed Reality etc. entfallen.

IDC spricht schon länger von den "3d Platform Technologies". Die Analysten wollen damit sagen, dass sich das Legacy-Problem allmählich erledigt und immer mehr Mittel für Technologien aufgewendet werden, die in den Jahren nach 2007 aufgekommen sind. Betriebe, die in der globalisierten Wirtschaft bestehen wollten, bauen ihre IT-Umgebungen rund um die neuen Technologien der dritten Plattform auf. Ihre älteren Systeme beurteilen sie danach, ob sie in der neuen Welt bestehen können, ohne diese zu beeinträchtigen.

Rund 46 Prozent der Firmen sind laut IDC bereits "digital determiniert", das heißt sie haben eine integrierte digitale Strategie und Architektur. Dazu gehören Cloud-zentrische Services, intensive Agile- und DevOps-Erfahrung, eine tiefe Vernetzung mit digitalen Plattformen und Communities sowie ein Fokus auf integriertes Daten-Management.

Laut IDC muss die Strategie für jedes Unternehmen "Cloud first" sein. Um dorthin zu gelangen, sind langjährige IT-Partner nicht mehr unbedingt die richtige Adresse. Es komme darauf an, ob sich diese schnell genug weiterentwickelten. "Einige etablierte Anbieter werden ins Stolpern geraten und fallen", so die Prognose.

Die Analysten empfehlen, die neue technische Architektur sorgfältig auszuarbeiten, so dass auf dieser Basis die Transformationsinitiativen der nächsten drei bis fünf Jahre ungefährdet stattfinden können. "Die Architektur ist der Schlüssel für den langfristigen Erfolg der gesamten Organisation", heißt es. Starke Veränderungen bei Infrastruktur, Software-Stack, Entwicklungs- und Deployment-Tools, Sicherheit, IT-Betrieb, Vendor-Management etc. seien für viele Betriebe unumgänglich. Auch müsse die "Build-or-Buy-Frage" neu gestellt werden: In vielen Technologiekategorien wird laut IDC künftig eher gekauft als gebaut, was zu einer veränderten Sourcing-Strategie führe.

These 3: Bis 2022 werden mehr als 40 Prozent der Unternehmen in ihrer Cloud-Strategie auch Edge-Infrastrukturen berücksichtigen. Ein Viertel der Endgeräte und -Systeme wird laut IDC KI-Algorithmen ausführen.

"Die Service-Delivery und -Execution wird auf Cloud-Infrastrukturen und Plattformdiensten aufsetzen, die hybride Multi-Cloud-Deployments unterstützen", heißt es bei den Marktforschern. Eine Mischung aus Public Cloud, Hosted Private Cloud, lokalen On-Premise-Anwendungen und zunehmend auch Edge-Lokationen werde typisch. Die dezentrale Edge-Infrastruktur entstehe dort, wo die Nähe zu IoT-Geräten und -Datenquellen zwingend sei. Das könne für Handhelds, Phones, Wearables, Switches, Drohnen, TV, Flugzeuge, Action-Kameras, selbstfahrende Fahrzeugen, Smart Buildings und vieles mehr gelten. In dieser verteilten IT-Welt werden Container und Container-Management-Plattformen zu einer grundlegenden Technologie.

IDC erwartet, dass in einer verteilten Edge-Cloud-Umgebung häufiger KI-Services bereitgestellt werden. Zudem sollen die "Endpoint-Devices" bis 2022 immer intelligenter werden. Oftmals werden Algorithmen lokal trainiert, da sie auf vor Ort erzeugten Daten und Insights basieren. Unter den ersten Unternehmen, die verteilte Cloud-Edge-Topologien nutzen werden, sind voraussichtlich jene mit vielen Niederlassungen oder mit Einrichtungen in Kundennähe. Das kann etwa für den Einzelhandel gelten, für Finanzdienstleister oder auch Behörden.

Wie IDC vorhersagt, werden Unternehmen mehr und mehr darin konkurrieren, einen umgehenden Zugriff auf relevante Daten zu bekommen und so schneller zu entscheiden - am liebsten in Realtime. Edge-Daten müssen daher nicht nur in der lokalen Verarbeitung verfügbar sein, sondern auch in den zentralen Rechenzentren. Die Netzwerk-Connectivity wird in solchen verteilten IT-Welten viel wichtiger, insbesondere dort, wo eine große Bandbreite an verschiedenen Edge-Geräten und -Systemen zum Einsatz kommt.Die Auguren warnen, dass es schwieriger werde, eine gute Customer Experience am Edge zu garantieren als aus dem zentralen Data Center heraus, wo Hochverfügbarkeit selbstverständlich ist.

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Anwender sollten auf einen Cloud-Service-Provider zurückgreifen, der ihre "Distributed-Cloud-Vision" teilt. Außerdem sollten sie Kompetenzen für eine verteilte Landschaft aufbauen, in der sie Edge-Systeme zuverlässig, kostengünstig und ohne große menschliche Interaktion betreiben können. Dazu werden sie IT-Lösungen der nächsten Generation brauchen.

IDC empfiehlt, robuste Anwendungen mit autonomen Funktionen und ersten Möglichkeiten der "Selbstheilung" zu wählen. Wenn die IT Services über eine Vielzahl von Standorten hinweg managt, sind Fernüberwachung und Automatisierung unerlässlich, um sicherzustellen, dass die Betriebskosten im Griff bleiben.

These 4: Bis 2022 werden neun von zehn Anwendungen auf der Basis von Microservices-Architekturen entstehen. Das wird die Fähigkeiten in Disziplinen wie Design, Debugging, Updates und Nutzung von Third-Party-Code massiv erhöhen.

IDC spricht von "hyperagilen Apps", die Cloud-Native entwickelt werden, hochmodular und kombinierbar sind und einem permanenten Update-Prozess unterworfen werden können. Sie lassen sich besonders schnell entwickeln und bereitstellen - in einer Geschwindigkeit, die letztendlich der Kunde vorgibt.

"Traditionelle Anwendungsarchitekturen, betriebliche Abläufe und Entwicklungsgeschwindigkeiten sind für die digitale Wirtschaft unbrauchbar", warnen die Markbeobachter. Es gebe schon große Unternehmen, die vollständig auf agile und DevOps-Methoden umgestellt hätten und die dafür verfügbaren Technologien und Tools nutzten. Damit könnten sie Innovationen 50 bis 100 Mal schneller umsetzen.

Die neue Welt der hyperagilen Apps darf laut IDC aber nicht von den Legacy-Anwendungen isoliert betrachtet werden. Nach und nach würden die Enterprise Apps von den hyperagilen Apps absorbiert. Die Modernisierung der Anwendungslandschaft in Richtung Cloud-Native-Architektur vollzieht sich in immer kürzeren Phasen. Weil die Produktangebote der Softwarehersteller reifer und die Skills der Systemintegratoren besser würden, beschleunige sich die Anwendungsmodernisierung entsprechend. Bis 2022 werden laut IDC mehr als ein Drittel aller Anwendungen "hyperagil" sein. Container und Microservices stellen den IT-Betrieb allerdings auch vor Herausforderungen. Es wird schwieriger die Systemabhängigkeiten in den Anwendungsumgebungen nachzuvollziehen.

IDC spricht auch von größeren Herausforderungen rund um Schwachstellen-Analyse und der Nachvollziehbarkeit von Datenflüssen und Services in hybriden IT-Landschaften. Anwender sollten sich daher mit neuen Monitoring- und Management-Systemen beschäftigen, die mit Microservices-basierten Anwendungen umgehen können. Und sie sollten eine Automatisierungsstrategie entwerfen und implementieren. Um Cloud-Native-Anwendungen bei geringem manuellen Aufwand ausrollen zu können, sei die Automatisierung der IT-Infrastruktur ein Schlüssel.

Auch sei es empfehlenswert, den Zusammenhalt zwischen Softwareentwicklung und Betrieb zu stärken und die steuernden Kennzahlen sorgfältig zu wählen. "Transformieren Sie DevOps im Einklang mit neuen Cloud-nativen Funktionen und Entwicklungsansätzen", so die Marktforscher. Es sei wichtig, mit den Fachbereichen zusammenzuarbeiten, um die Legacy- und Greenfield-Workloads zu priorisieren und sowohl die strategische Bedeutung als auch die technische Machbarkeit eines Umbaus zu ermitteln. Nicht jeder Workload sollte in einer Cloud-Native-Anwendung enden.

These 5: Bis 2024 wird weltweit die Zahl der Entwickler um bis zu 30 Prozent steigen, weil die Tools einfacher und mächtiger werden. Unternehmen müssen in der Lage sein, digitale Lösungen in hoher Frequenz zu entwickeln.

Dazu gilt es, den Pool der Entwickler zu vergrößern. IT-Abteilungen stoßen hier an ihre Grenzen: Die Liste der Profis, die sich auf Custom Scripting spezialisiert haben, ist meistens nicht allzu lang. Also wird eine neue Klasse von Entwicklern mit visuell geführten Entwicklungswerkzeugen, Low-Code- und No-Code-Plattformen sowie modellgetriebenen Werkzeugen digitale Lösungen erstellen und verfeinern.

Entwickler, die nicht codieren, sondern eher konfektionieren, werden sich laut IDC rasant vermehren. Diese neue Kategorie führe zu einer tiefgreifenden Transformation in der Demographie: Die Entwicklergemeinde werde sich bis 2024 um knapp ein Drittel vergrößern. Neben klassischen "Code-Ingenieuren" werden dann auch digital affine Stakeholder im Business, Mitarbeiter aus dem Daten-Management sowie IT-Operations-Fachleute programmieren.

Unternehmen brauchen solche digitalen Innovatoren, um die sich schnell ändernden Marktanforderungen entdecken und bedienen zu können. Die Zusammenarbeit von C- und Java-Professionals mit diesen Neueinsteigern wird eine Herausforderung. Die Newcomer werden Ungleichbehandlung in Form eines eingeschränkten Zugangs zu Daten und Unternehmensressourcen kaum akzeptieren. Daher wird es nötig, die entsprechenden Policies neu zu gestalten und in einem weiter gesteckten Rahmen den Zugang zu ermöglichen. Wenn irgendwann jeder ein Entwickler wird, dann braucht es intelligente automatisierte Zugangssysteme zu den Unternehmensdaten und -ressourcen im Self-Service.

Unternehmen sollten sich die Bedürfnisse der neuen Entwicklergeneration genau ansehen und dafür sorgen, dass sie den nötigen Zugang zu Unternehmensdaten, automatisiertem Deployment, Anwendungs-Monitoring und Security-Assets bekommt. Es gibt Sinn, proaktiv Governance-Regeln zu formulieren, damit Softwareentwicklung konsistent und in wiederholbaren Prozessen abläuft. Die Grundregeln für Softwareentwicklung müssen allen im Unternehmen klar und zugänglich sind.

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Die neue Entwicklergeneration braucht zudem eine angemessene Führung, Training und die Unterstützung von Mentoren. Auch sollte sie frühzeitig mit der Corporate IT zusammengeführt werden, damit ein ausreichender Zugang zu den Systemen und Datenbanken gewährleistet ist. Zusammen mit der Personalabteilung sollten die IT-Verantwortlichen die Botschaft bekräftigen, dass diese neuen Entwickler mit den klassischen Software-Ingenieuren auf Augenhöhe agieren. Eine Zweiklassengesellschaft ist das Letzte, was Unternehmen hier gebrauchen können.

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