Der Einzug mobiler Endgeräte in die Unternehmen wird die Virtualisierung der Clients und Desktops nur bedingt beflügeln, aber die Bereitstellung von Applikationen und Diensten um weitere Varianten bereichern.
"Dieses Jahr kommt der Durchbruch für die Desktop-Virtualisierung" - dies prognostizierten Hersteller und Marktforschungsinstitute 2009. Sie bekräftigten die Aussage 2010. Und wiederholten sie 2011. Wer 2012 nach diesem Satz sucht, wird ihn nicht finden.
Dabei versprach gerade die Desktop-Virtualisierung per VDI, viele drängende Probleme der IT-Leiter zu lösen und Wünsche der Mitarbeiter zu erfüllen: Zentrales Management bei höherer Sicherheit und Flexibilität für individuelle Anwender-Desktops - das klang doch geradezu nach sicherem Erfolgsrezept.
Bislang aber hat sich diese Technologie nicht auf breiter Basis durchgesetzt. Nach Aussagen von Chris Wolf, Vice President Research bei Gartner, werden aktuell lediglich zwei Prozent der Desktops weltweit als Virtual Desktop Infrastructure (VDI) betrieben. Warum eigentlich?
Eine Frage der Definition
"Vielleicht war diese Aussage 2009 ein wenig verfrüht. Allerdings liegt ein gewisser Optimismus in der Natur der Sache, wenn man von einer Technologie überzeugt ist", räumt Peter Goldbrunner, Director Channel Sales Germany bei Citrix, ein.Desktop-Virtualisierung werde außerdem fälschlicherweise häufig mit "VDI" gleichgesetzt.
Das VDI-Szenario ist jedoch nicht immer die passende oder die günstigere Alternative (siehe Bildergalerie). Das sieht auch Rolf Ferrenberg, Manager BU Desktop Delivery bei Arrow ECS, so: "Was bisher nicht stattgefunden hat, ist der Durchbruch der virtuellen Desktops, die, jeder für sich, in einer virtuellen Maschine ausgeführt werden."
Der Trend gehe dahin, virtuelle Applikationen und Desktops mit Applikationsservern bereitzustellen und nur in den Fällen, bei denen Anwendungen nicht oder nur eingeschränkt auf dieser Technologie lauffähig sind, auf VDI zu setzen.
- VDI (Virtual Desktop Infrastructure / Hosted Desktop Virtualization)
Der komplette personalisierte Desktop (inklusive Betriebssystem, Daten und Benutzereinstellungen) wird zentral im Rechenzentrum auf einem virtualisierten Server bereitgestellt und betrieben. Offline-Betrieb und Zugriff von mobilen Endgeräten sind möglich. Problematisch: die benötigte Storage-Kapazität. (Quelle: Experton) - Session oder Presentation Virtualization
Früher auch als "Server Based Computing" oder "Terminal Services" bezeichnet:stellen den Zugriff auf zentral betriebene Anwendungen bereit. Problem: In der Regel ist weder eine Personalisierung noch der Offline-Betrieb möglich. Einsatzbereich: einfache Arbeitsplätze, die nur eine oder zwei Applikationen nutzen und nicht mobil sind, meist in Verbindung mit Thin Clients genutzt. (Quelle: Experton) - Application Streaming
Applikationen werden paketiert und zentral bereitgestellt, um lokal auf dem Client in einer Sandbox betrieben zu werden. Dies ist auch offline möglich. Problematisch ist, dass die Paketierung nach jedem Software-Update der jeweiligen Applikation wiederholt werden muss. Einsatzbereich ist die Bereitstellung von Anwendungen, die mit anderen Applikationen nicht kompatibel sind. (Quelle: Experton) - Managed Desktop VM
Ein Client-Image wird zentral gemanagt und an die Clients verteilt. Die eigentliche Rechenleistung wird vom Client ausgeführt, so kann er auch offline genutzt werden. Problematisch ist das Management der virtuellen Maschinen und des Basis-Clients. Einsatzbereich: Clients in Niederlassungen und Home-Offices. (Quelle: Experton Group)
Für Citrix, Microsoft und VMware ist VDI nur eine Variante der Desktop-Virtualisierung - neben Anwendungs-Virtualisierung, -Streaming oder Client-Virtualisierung. "Desktops, die von Applikationsservern mittels Microsoft Remote Desktop Services oder Citrix XenApp bereitgestellt werden, sind ebenfalls virtuell und erfreuen sich seit vielen Jahren zunehmender Beliebtheit", so Ferrenberg.
Der Optimismus der Anfangsjahre erweise sich laut Goldbrunner dennoch als berechtigt: "Die Desktop-Virtualisierung wird immer breiter eingesetzt." Die Verbreitung von Cloud-Lösungen werde diesen Trend noch verstärken. Im Bildungsbereich ebenso wie bei Banken, Versicherungen, in der öffentlichen Verwaltung, im Dienstleistungsbereich oder bei TK-Unternehmen habe sich die Desktop-Virtualisierung schon sehr gut durchgesetzt, bekräftigt auch Hagen Dommershausen, Marketing Director Central Europe bei Dell (Wyse).
Im Mac-Umfeld sei das Interesse der Neueinsteiger an der Desktop-Virtualisierung generell sehr groß, wie Alexander Pantos, Marketing Manager Consumer & SMB EMEA bei Parallels, berichtet: "Hier geht es insbesondere um die Sicherung bestehender Investitionen in (Windows-)Software."