Industrie 4.0 und Internet of Things

Wie der Channel vom IoT-Trend profitiert - Teil 1: Anwendungsbeispiele und Erfolgsszenarien



Dr. Thomas Hafen ist freier Journalist in München. Er verfügt über langjährige Erfahrung als Redakteur in verschiedenen IT-Fachmedien, darunter NetworkWorld Germany und ChannelPartner. Seine fachlichen Schwerpunkte liegen in den Bereichen Data Center, Telekommunikation und Cloud Computing.
Die Digitalisierung verändert alles. Sie lässt neue Wettbewerber entstehen und fegt alte Geschäftsmodelle vom Markt. Branchenexperten erklären, was Channel-Partner tun müssen, um im Zeitalter von IoT und Industrie 4.0 erfolgreich zu sein.
 
  • IoT und Industrie 4.0 – eine Begriffsbestimmung
  • Anwendungsbeispiele für IoT und Industrie 4.0
  • Wie IT-Dienstleister vom IoT-Boom profitieren

Ob CeBIT oder Hannover Messe: Auf allen großen Branchenveranstaltungen stehen derzeit Themen wie Digitalisierung, Industrie 4.0 und "Internet of Things" (IoT) im Mittelpunkt. Alles, so der Tenor, wird mit allem vernetzt, seien es Menschen, Computer, Alltagsgegenstände oder Produktionsmaschinen. Die Hoffnung der Wirtschaft in das "Internet der Dinge" und dessen Umsetzung als "Industrie 4.0" sind enorm.

Allein in Deutschland soll diese Entwicklung bis zum Jahr 2025 Produktivitätssteigerungen in Höhe von insgesamt rund 78 Milliarden Euro ermöglichen, so eine Studie, die das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) im Auftrag des Branchenverbands Bitkom erstellt hat. Durchschnittlich 1,7 Prozent pro Jahr und Branche können demnach als zusätzliche Bruttowertschöpfung erzielt werden. Ähnliche Entwicklung im IoT-Umfeld prognostizieren auch die Marktforscher von Gartner.

"Es gibt in der Tat sehr viele unterschiedliche Begrifflichkeiten." Oliver Edinger, Vice President I Head of IoT/I4.0 Germany, SAP Deutschland SE & Co. KG
"Es gibt in der Tat sehr viele unterschiedliche Begrifflichkeiten." Oliver Edinger, Vice President I Head of IoT/I4.0 Germany, SAP Deutschland SE & Co. KG
Foto: SAP

Solche Zahlen sind allerdings mit Vorsicht zu genießen, denn in der digitalisierten Welt existieren keine allgemein verbindlichen Definitionen. "Es gibt in der Tat sehr viele unterschiedliche Begrifflichkeiten wie Internet of Things, Industrie 4.0 oder Internet of Everything, die nicht trennscharf sind", sagt Oliver Edinger, Vice President I Head of IoT/I4.0 Germany bei der SAP Deutschland SE & Co. KG.

"IoT ist ein sehr allgemeines Konzept", pflichtet ihm Georges Millet, Vice President EMEA Channel Sales beim Softwarehersteller PTC bei. Zum Konzept gehört laut Millet auch der Informationstransfer über meist Cloud-basierte Lösungen, welche die Daten einlesen, weiterverarbeiten und analysieren. "Damit können Konsumenten und Unternehmen besser fundierte Entscheidungen treffen."

"Im IoT werden alle Personen und Dinge vernetzt sein und miteinander kommunizieren." Manfred Opificius, General Manager Germany, Juniper
"Im IoT werden alle Personen und Dinge vernetzt sein und miteinander kommunizieren." Manfred Opificius, General Manager Germany, Juniper
Foto: Juniper

"Im IoT werden alle Personen und Dinge vernetzt sein und miteinander kommunizieren", verspricht Manfred Opificius, General Manager Germany beim Netzwerkausrüster Juniper. "Das eröffnet neue Möglichkeiten der Fernwartung, Automatisierung und autonomen Steuerung - etwa in Privathaushalten, in der Produktion oder im Verkehr - und führt zu weitreichenden Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft", ergänzt Ulrich Seibold, Vice President Indirekter Vertrieb, SMB und Service Provider bei Hewlett Packard Enterprise (HPE) Deutschland.

Auch für Andreas Ertel, Client Technologist für OEM Solutions bei Dell, ist das Internet der Dinge mehr als nur eine neue Computeranwendung: "IoT betrifft nicht nur die IT, sondern hat auch Auswirkungen auf das gesamte wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben."

Anwendungsbeispiele für IoT und Industrie 4.0

"Bosch arbeitet derzeit an über 100 Pilotprojekten im Bereich Industrie 4.0." Stefanie Peitzker, Director Marketing Software Solutions EMEA, Bosch Software Innovations
"Bosch arbeitet derzeit an über 100 Pilotprojekten im Bereich Industrie 4.0." Stefanie Peitzker, Director Marketing Software Solutions EMEA, Bosch Software Innovations
Foto: Bosch

IoT und Industrie 4.0 sind längst keine Zukunftsszenarien mehr, davon sind alle befragten Experten überzeugt. "Beispiele für IoT-Anwendungen gibt es in nahezu jeder Branche: von vernetzten Fertigungsmaschinen über die Optimierung von Service- und Steuerungsprozessen sowie die Automatisierung von Verteilerstationen im Bereich der Strom- und Gasindustrie bis hin zur Erschließung von Minen, Häfen und ganzen Städten für sichere Datenverbindungen", sagt Jürgen Hahnrath, Head of IoE Solutions Germany bei Cisco.

Stefanie Peitzker, Director Marketing Software Solutions EMEA bei Bosch Software Innovations wird konkreter und berichtet von einem Automobilhersteller, der seine sicherheitskritischen Verschraubung per Datennetz überwacht: "Die einzelnen industriellen Schrauber sind im System vernetzt und liefern Drehmoment- und Drehwinkelverlaufsdaten der Schraubvorgänge an die Software.

So lassen sich systematische Fehler im Produktionsprozess identifizieren, Tendenzen frühzeitig erkennen und Ursachen eingrenzen." Bosch arbeite derzeit an über 100 Pilotprojekten im Bereich Industrie 4.0, so Peitzker weiter. "Dazu gehören Aktivitäten im Bereich Energie, E-Mobilität, intermodaler Transport, Smart Home, Smart City und Logistics."

Auch die Landwirtschaft profitiert laut Laura Geier, Commercial Lead IoT & Advanced Analytics bei Microsoft Deutschland von IoT und Industrie 4.0. Schrittzähler und Sensoren helfen beispielsweise in der Rinderzucht, die Körperfunktionen trächtiger Kühe zu überwachen und das Kalben vorherzusagen. "Dadurch können nicht nur Medikamente und Tierarztkosten gespart werden, auch die Gesundheit der Kühe verbessert sich."

Die Möglichkeiten von IoT seien jedoch noch lange nicht ausgeschöpft, sagt Ulrich Seibold von HPE. "Bisher gibt es viele IoT-Inseln, und der nächste Schritt ist jetzt die übergreifende Vernetzung über Hersteller und Unternehmen hinweg." Dann würden auch Szenarien wie die wandelbare Fabrik mit ihren dynamischen und selbstkonfigurierenden Produktionslinien zur Realität. Ähnlich sieht das Dell-Manager Ertel: "Die Möglichkeiten sind schier endlos, und es werden sich absehbar viele weitere Einsatzfelder entwickeln."

Wie IT-Dienstleister vom IoT-Boom profitieren

Angesichts der zunehmenden Anzahl von IoT-Projekten ist damit zu rechnen, dass eine wachsende Nachfrage nach IT-Dienstleistern entsteht, meint Ertel: "Da viele Unternehmen das nicht intern leisten können oder wollen, kommen oft externe IT-Dienstleister ins Spiel, die das nötige Know-how mitbringen."

Im Rahmen der voranschreitenden digitalen Transformation können sich IT-Dienstleister als Katalysatoren positionieren, davon ist SAP-Vizepräsident Edinger überzeugt: "Sie helfen Unternehmen die strategischen Notwendigkeiten zu definieren - zum Beispiel Geschäftsmodelle zu ‚renovieren‘, das notwendige prozessuale Wissen verfügbar zu machen, die Sollzustände entlang einer Roadmap zu beschreiben und all das mit den neuen technischen Möglichkeiten zusammenzuführen."

"Riesige Möglichkeiten" haben IT-Dienstleister gar nach Ansicht des HPE-Managers Seibold: "Die Wirtschaft braucht für die Digitalisierung ihrer Produkte, Maschinen und Abläufe IT-Know-how, das sie selbst oft nicht in ausreichendem Maß besitzt. Das reicht von der der Entwicklung neuer digitaler Geschäftskonzepte bis zu den Fundamenten der digitalen Wertschöpfung, also hybride Infrastruktur, Sicherheit, Analytics und Mensch-Maschine-Schnittstellen."

"Es geht nicht um die Optimierung bestehender Lösungen, sondern um die Entstehung völlig neuer Geschäftsfelder." Laura Geier, Commercial Lead IoT & Advanced Analytics, Microsoft Deutschland
"Es geht nicht um die Optimierung bestehender Lösungen, sondern um die Entstehung völlig neuer Geschäftsfelder." Laura Geier, Commercial Lead IoT & Advanced Analytics, Microsoft Deutschland
Foto: Microsoft

Wirklich spannend wird es nach Ansicht von Microsoft-Managerin Laura Geier aber erst beim Thema "neue Geschäftsmodelle". Hierbei gehe es nicht um die Optimierung bestehender Lösungen, sondern um die Entstehung völlig neuer Geschäftsfelder: "So wird aus einem Kühlschrankhersteller ein Lebensmittellieferant, aus einem Automobilhersteller ein Anbieter für Transportlösungen, aus einem Küchenhersteller ein Anbieter für interaktive Wohnmöbel und aus einem Ampelhersteller der Anbieter für intelligente Städteplanung."

Die Integration dieser Komponenten in ein intelligentes Ökosystem wird nur in Zusammenarbeit mit IT-Dienstleistern gelingen, ist sich Geier sicher. "Hierbei werden Themen wie Datensicherheit, Schnittstellen und Netzwerkprotokolle von großer Bedeutung sein."

Die aktuell größte Chance ergibt sich nach Ansicht von PTC-Vizepräsident Georges Millet für Kunden, die mithilfe von IoT-Lösungen Informationen sammeln und analysieren können. "Schnelle Reaktionszeiten, individuelle Anpassungen und letztendlich proaktive Entwicklungen, Betriebsabläufe und Services werden zum Wettbewerbsvorteil avancieren. Die Möglichkeit, sich in diesem Transformationsprozess als vertrauensvoller Berater zu etablieren, eröffnet wichtigen Handlungsspielraum für Serviceanbieter." (rw)

Im zweiten Teil des Übersichtsartikels "Wie der Channel vom IoT-Trend profitiert"geht es um IoT-Strategien für IT-Dienstleister.

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