Die Europäische Kommission strebt bis 2050 CO²-Neutralität für die Mitgliedsstaaten an (Stichwort: "Europäischer Grüner Deal"). Das ambitionierte Ziel wird sich nur erreichen lassen, wenn alle Branchen mitziehen. Es ist absehbar, dass alle, die das nicht freiwillig tun, künftig verstärktem Druck ausgesetzt sind. Und umso intensiver Ressourcen und Energie verbraucht werden, umso eher und umso stärker wird dieser Druck einsetzen. Ein Signal kam etwa im Frühjahr 2020 aus dem Bundesumweltministerium, als Ministerin Svenja Schulze (SPD) auf umweltfreundlichere Digitalisierung drängte.
Rechenzentrumsbetreiber spüren das schon jetzt. Ihnen hat die EU-Kommission im Februar 2020 im Strategiepapier "Shaping Europe´s Digital Future" aufgetragen, bereits 2030 CO²-Neutralität zu erreichen. Das ist noch einmal ein deutlich ambitionierteres Ziel als die ebenfalls im Februar 2020 von der International Telecommunication Union (ITU) ausgegebene CO2-Reduktion der ITK-Branche um 45 Prozent bis 2030. Wie groß die Aufgabe ist, lässt sich erahnen, wenn man weiß, dass Rechenzentren der Internationalen Energie-Agentur (IEA) zufolge derzeit rund ein Prozent des weltweit erzeugten Stroms verbrauchen - dieser Wert aber bis 2030 voraussichtlich auf 15 Prozent ansteigt.
Mit dem "Climate Neutral Data Centre Operator Pact" hat sich die Branche daher Anfang 2021 selbst dazu verpflichtet, dass alle europäischen Rechenzentren bis 2030 klimaneutral werden. Mittel dazu sind Verbesserungen der Energieeffizienz und Kühlleistung, beim Bau eine höhere Recyclingquote, die Nutzung der Abwärme sowie der ausschließliche Einsatz erneuerbarer Energiequellen. "Grünen" Strom zu beschaffen ist allerdings nur eine Seite der Medaille. Gerade in Deutschland ist Strom nicht besonders preiswert. Deshalb geht es beim Betrieb von Rechenzentren schon länger darum, auch mit so wenig Strom wie möglich auszukommen.
"Heute sind nachhaltige Angebote noch ein positives Distinktionsmerkmal, mit dem man punkten kann. Aber schon in den nächsten Jahren wird es einfach so sein, dass die Unternehmen, die hier nichts zu bieten haben, langfristig keine Chance mehr auf dem Markt haben, weil nachhaltiges Handeln ein "Must-have" für Wirtschaftsunternehmen wird", fasst Ismayil Basusta, Manager Channel Sales DACH bei Vertiv, daher zusammen.
"Besonders die Betreiber von größeren Rechenzentren haben realisiert, dass sich die Suche nach Einsparpotenzialen in einem Rechenzentrum schnell bezahlt machen kann", berichtet Karin Hernik, Channel Director DACH bei APC by Schneider Electric. "Eine effiziente und nachhaltige Infrastruktur stellt deshalb für RZ-Anbieter, Colocation- und Cloud-Betreiber einen immensen Wettbewerbsvorteil dar - besonders in einem Land wie Deutschland, wo mit relativ hohen Stromkosten gerechnet werden muss." Der Bereich mit dem größten Effizienzgewinn von circa 20 bis 30 Prozent sei mit der Klimatisierung auch gleichzeitig einer der größten klassischen Energieverbraucher im Rechenzentrum.
Schon viel erreicht
In der Branche sind diese Erkenntnisse nicht neu. Sie bekommen nun aber angesichts des zunehmenden regulatorischen Drucks mehr Gewicht. Dadurch wird zum Beispiel die früher oft als Erbsenzählerei abgetane Diskussion um den Wirkungsgrad von USV-Anlagen auf einmal interessant. "Bei großen Dreiphasensystemen in Rechenzentren bewegt sich der Wirkungsgrad im Onlinebetrieb bereits bei circa 96 bis 97 Prozent. In den letzten Jahren gab es hier nur noch marginale Verbesserungen im Nachkommabereich, und wir befinden uns bereits nah an der Grenze des aktuell technisch möglichen", berichtet Adrian Hanslik, IT Channel Manager Deutschland bei Eaton. Weitere Effizienzsteigerungen seien in dem Segment fast nur durch Hocheffizienzmodi möglich, mit denen Werte um die 99 Prozent erreicht werden können.
Diese Möglichkeit rückt Vertiv-Manager Basusta in den Vordergrund. "Unsere Systeme heutzutage kommen auf eine Energieeffizienz von 99 Prozent, während Systeme aus dem Zeitraum um 2010 gerade einmal rund 94 Prozent Effizienz aufweisen - ein für die damalige Zeit sehr guter Wert. Aber schon bei einem 1000-kW-System und einem Strompreis von 10 Cent bietet die moderne Lösung ein Einsparpotenzial von knapp 47.000 Euro pro Jahr. Und wir alle wissen, dass der Strompreis in Deutschland nicht nur bei zehn Cent liegt." Es lohnt sich laut Basusta daher häufig, über eine Erneuerung von Lösungen schon vor dem Ablauf der Lebenszeit nachzudenken.
Eine ähnliche Rechnung macht auch Hernik auf. Bei dreiphasigen USV-Systemen wie sie üblicherweise in Großrechenzentren eingesetzt werden, habe sich die durchschnittliche Verlustleistung aufgrund besserer Wandler und intelligenter Schaltungen kontinuierlich reduziert. "Waren vor zehn Jahren noch Effizienzwerte von 92 Prozent marktüblich, erreichen wir heute schon bis zu 97 Prozent Effizienz im normalen Doppelwandler-Modus. Neue Stromspartechnologien, wie unser patentierter ECOnversion-Modus, sind sogar in der Lage, die Verlustleistung auf ein Prozent zu reduzieren. Hinzu kommt, dass neuere USV-Anlagen generell bei niedriger Auslastung stromsparender arbeiten" sagt Hernik. Bei einem Wechsel auf ein aktuelles USV-System mit 1-MW-Leistung seien daher Einsparungen von etwa 230.000 Euro innerhalb von zehn Jahren durchaus realistisch.
Aber nicht nur bei dreiphasigen Modellen hat sich viel verbessert. "Mit unseren aktuellen Modellreihen haben wir aber auch, anders als viele Wettbewerber, einen Fokus auf Energieeffizienz bei kleineren Einphasenmodellen gelegt", merkt Eaton-Manager Hanslik an. "Hier erreichen wir im Onlinebetrieb einer 3-kVA-Anlage einen Wirkungsgrad von 94 Prozent im Onlinebetrieb gegenüber den sonst üblichen 88 bis 90 Prozent. Dank dieser Effizienzoptimierung können Anlagenbetreiber ihre Stromkosten deutlich reduzieren. Auf ein Jahr gerechnet sind Einsparungen im dreistelligen Eurobereich möglich, auf die Gesamtlebensdauer eines Gerätes bezogen, gehen wir von vierstelligen Summen aus."
Kleine Verbraucher machen auch CO²
"Je größer der Datacenter-Standort ist, desto größer ist auch das Einsparpotenzial und desto wichtiger ist auch das Thema Nachhaltigkeit", gibt Hernik zu bedenken. "Gerade bei kleineren Projekten ist an der einen oder anderen Stelle noch Überzeugungsarbeit zu leisten - da besonders effiziente Technologien in der Anschaffung meist etwas höher liegen und sich für den Kunden erst über die Zeit amortisieren." Da sei es wichtig, einen sinnvollen Kompromiss zwischen Projektkosten und langfristigen Betriebskosten vorzuschlagen.
Das sieht Eaton-Sprecher Hanslik ähnlich: "Obwohl Effizienz und Nachhaltigkeit erfreulicherweise ein Stück weit selbstverständlich sind und vorausgesetzt werden, machen wir immer wieder die Erfahrung, dass sich der Blick aufs Detail lohnt." Seine Partner punkteten in der Regel dank schlüssigem Gesamtkonzept. "Dabei spielt ausgereifte Technik eine große Rolle, weil zum Beispiel auch die zweite Nachkommastelle der USV-Effizienz einen deutlichen Unterschied in der Energiebilanz eines Rechenzentrums machen kann." Aber auch zertifizierte, sichere Kommunikation der Geräte oder "ein gut aufgestellter lokaler Service, der einen dauerhaft reibungslosen Betrieb sicherstellt", könne den Ausschlag geben.
Hersteller haben noch Ideen
Weil sich der Wirkungsgrad klassischer USV-Anlagen und herkömmlicher Lüftungstechnik kaum noch verbessern lässt, suchen die Hersteller in angrenzenden Bereichen nach Optimierungs- und Differenzierungspotenzial. Vertiv führt diesbezüglich etwa seine Li-Ion-Batterien ins Feld, "die inzwischen sehr viel größere Ladezyklen haben und einfacher zu warten sind", wie Basusta erklärt.
Bei Eaton konzentriert man sich auf die Sekundärnutzung der USV-Batterien als Flexibilitätsreserve für das Netz. Bereits 2018 kooperierte Eaton für einen Pilotversuch mit Microsoft und installierte in einem Rechenzentrum in Boydton im US-Bundessaat Virginia eine USV-Anlage, die mit dem Netz "interagieren" kann: Die Batterien der USV-Anlage stellen dabei kurzfristige Regelenergie für den Netzbetreiber zur Verfügung, indem die Batterien entweder entladen oder aufgeladen werden - automatisch und ohne Auswirkungen auf die Grundfunktion der Anlage.
"Netzbetreiber benötigen diese Regelenergie dringend, um die Frequenz stabil zu halten und sind daher bereit, die Bereitstellung zu vergüten, wodurch sich eine zusätzliche Einnahmequelle für die Betreiber von Rechenzentren erschließt", erklärt Hanslik. "Vor allem tragen sie aber durch diese Pufferwirkung zur Stabilisierung eines Stromnetzes bei, das im Zuge der Energiewende von unstetiger Erzeugung geprägt sein wird und flexible Speicherressourcen dringend benötigt."
Auch bei APC by Schneider Electric denkt man über das Rechenzentrum hinaus: "Das nächste wichtige Nachhaltigkeitsthema wird die Frage sein, wie wir eine zunehmend hybrider werdende Datacenter-Landschaft umweltgerecht betreiben können", sagt Hernik. "Klassische Rechenzentren profitieren von ausgeklügelten Klima- und Stromversorgungssystemen, die bei gleichbleibenden Bedingungen sehr effizient arbeiten können. Laut aktueller Studien wird jedoch bereits 2023 mehr als die Hälfte der IT-Infrastruktur lokal bereitgestellt. Das bedeutet, der größte IT-Bedarf wird künftig an Millionen von Edge-Standorten, innerhalb von Fabriken, Geschäften, Hotels oder Krankenhäusern, entstehen. Der Bedarf nach einer nachhaltigen und sicheren Edge wird für unsere Partner viele spannende Geschäftsfelder entstehen lassen." Unter anderem kooperiert Schneider Electric in diesem Bereich schon jetzt mit HPE und mit Cisco Systems.
Beispiele für vorbildliche Rechenzentren
Als ein Beispiel dafür, was künftig möglich ist, nennt Basusta das von Vertiv gemeinsam mit JH-Computers durchgeführte Projekt. "Wir haben den IT-Dienstleister mit wassergekühlten Serverschränken ausgestattet und konnten so unseren Teil zu mehr Nachhaltigkeit beitragen. Bei JH-Computers geht das Thema 'Green-IT' aber noch weiter. Durch einen nahezu geschlossenen Energiekreislauf mit eigenem Blockheizkraftwerk wird die Abwärme sinnvoll für die Heizung in der Region genutzt. Hierfür arbeitet das Unternehmen beispielsweise mit dem lokalen Energieversorger zusammen. Richtig geplant, entstehen so also Win-Win-Situationen, die auch gut für die Umwelt sind", fasst Basusta zusammen.
"Man muss sein Rechenzentrum längst nicht mehr im Meer versenken oder am Nordpol aufstellen, um es CO²-freundlich betreiben zu können", spitzt Hernik aus Sicht von APC by Schneider Electric zu. "Wir haben jetzt schon die Technologien für klimaneutrale Datacenter – auch wenn regionale Umgebungsvariablen, wie eine niedrige durchschnittliche Außentemperatur, einen umweltfreundlichen Betrieb natürlich begünstigen."
Von solchen Umgebungsvarianten profitiert in der Stadt Falun, knapp nördlich des 60. Breitengrades, grundsätzlich auch das schwedische Unternehmen EcoDataCenter. Zwar ist auch hier Energieeffizienz kein Selbsläufer, dennoch hat es 2020 mit Unterstützung von APC das erste klimapositive Rechenzentrum in Europa realisiert. Zielsetzung ist ein durchschnittlicher PUE-Wert von 1,15. "Darüber hinaus waren wir auch am Green-Mountain-Datacenter, einem der nachhaltigsten Rechenzentren der Welt, beteiligt", berichtet Hernik über ein weiteres Projekt in Skandinavien (Norwegen). Beide Kunden setzten unter anderem die EcoStruxure-Plattform von APC by Schneider Electric für das Rechenzentrums-Management und das IT-Monitoring ein.
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