Google mit einem Nest voller Daten
Nach Motorola Mobility war es die zweitgrößte Übernahme für Google. 3,2 Milliarden Dollar hat der Suchmaschinenriese Anfang des Jahres für Nest Labs hingeblättert. Dabei hat das junge Startup-Unternehmen aus Paolo Alto erst im Herbst 2011 mit der Auslieferung von lernfähigen Raumthermostaten begonnen und bereiteten die ebenfalls angebotenen vernetzten Rauchmelder mit dem Namen Nest Protect kurz nach der Übernahme Probleme, so dass sie vorübergehend vom Markt genommen werden mussten.
Zudem kam im Frühjahr 2012 schon eine Patentrechtklage von Honeywell. Der Mischkonzern bot bereits vor 129 Jahren als Erster Produkte zur automatischen Regelung der Gebäude-Innentemperatur an, zählt zu den Etablierten im Smart-Home Business und ist seinerseits ebenfalls von proprietären Kabel-Bussystemen auf Drahtlostechnologien umgeschwenkt. Last but not least, sind die schicken Wi-Fi-fähigen Nest-Thermostate mit passender Smartphone-App vornehmlich auf die in den USA verbreiteten Warmluftheizungen zugeschnitten, wo sie die wenig effizienten Zweipunktregler ersetzen sollen. Diese kennen anders als die in Europa üblichen Stetigregler nur 0 oder 100 Prozent Heiz- oder Kühlleistung.
Verkaufszahlen von 40.000 bis 50.000 Stück pro Monat bei Preisen von rund 250 Dollar sind durchaus beachtlich. Die von Daimler auf der CES 2014 angekündigte Nest-Integration, um Mercedes-Fahrern zu ermöglichen, von unterwegs die Raumtemperatur zu Hause zu regeln, ebenso. Doch leider sind die Thermostate derzeit abgesehen vom Heimatmarkt USA nur in Kanada und Großbritannien erhältlich. Die meisten Märkte Europas und Asiens bleiben verschlossen, zumal die Wi-Fi-Funktion der Diamond genannten Nest-Thermostate die Angabe der nächstgelegenen US-Postleitzahl voraussetzt. Selbst mit Postleitzahlen und Zeitzonen von US-Außengebieten wie Guam vertragen sich die Thermostate nicht. Zum Trost gibt es in unseren Breiten Konkurrenzprodukte wie die von Tado, eQ3-Max und AlphaEos, die sich ebenfalls per Smartphone-App steuern lassen.
Warum also 3,2 Milliarden Dollar für Nest Labs? Gut, Mitgründer Tony Fadell hat bei seinem früheren Arbeitgeber Apple maßgeblich das Design der iPads und iPhones geprägt, was sicherlich den Wert erhöht hat, Stichwort "Acqu-hire" - das Rekrutieren von Spitzenkräften durch Übernahmen im Stil von Dagobert Duck. Das schickt auch "Der Spiegel" in einem Bericht über die Nest-Übernahme mit dem Titel "Google will in Ihr Schlafzimmer" voraus.
Dabei zitiert das Magazin Fadell mit den Worten: "Jedes Mal, wenn ich einen Fernseher einschalte, liefert das die Information, dass jemand zu Hause ist. Wenn sich die Kühlschranktür öffnet, ist das ein weiterer Sensor, weitere Information." Der Technik-Journalist Ryan Block hat das in einem Tweet so zusammengefasst: "Dank Nests eingebauter Sensoren weiß Google jetzt, wann Sie zu Hause sind, in welchem Zimmer Sie sich aufhalten und wann Sie weg sind."
Für Google besteht der Wert von Nest Labs also nicht zuletzt darin, mehr Wissen über die Lebensgewohnheiten der Nutzer zu erlangen. Mit den unzähligen Informationen, die über die eigene Suchmaschine, über Cookies und über das mobile Betriebssystem Android zusammenkommen, ergibt sich so ein unschätzbarer Big-Data-Pool, der sich auch gut vermarkten lässt. In Europa schrillen daher schon die Alarmglocken, dass Googles Pläne mit Nest Labs und dem Internet der Dinge (IoT) den Datenschutz bald ganz aushöhlen könnten. Auch in den USA regt sich langsam Widerstand gegen die Daten-Sammelleidenschaft von Behörden und Unternehmen, weshalb die PR-Maschinen heiß laufen mit Beteuerungen, den Datenschutz ernst zu nehmen. So auch bei Nest, doch was nützt das mit dem Gelöbnis, die Nutzung der Kundendaten diene nur der Verbesserung der eigenen Produkte und Dienste, wenn Co-Gründer Fadell in einem Interview mit dem US-Magazin "The Verge" nicht ausschließen wollte, dass die Daten eines Tages an Google weitergereicht würden?
Fazit: Die Reise geht zu IP-gestützten Systemen
Der Trend bei Smart Home geht eindeutig zu IP-gestützten Systemen, die das Thema auch zunehmend in die Breite bringen werden. Profitieren werden davon nicht nur die großen Player wie Google, Apple, Samsung und Co, sondern besonders auch viele kleine Unternehmen mit Speziallösungen. Nutznießer wird nicht zuletzt auch der Privatkunde sein, obwohl B2B-Anwendungen derzeit noch im Vordergrund stehen. (mb)