Der Saturn-Markt in der Münchner Fußgängerzone ist eine von 20 Stationen auf der "HoloTour" von Media-Saturn. Der Retailer zeigt damit interessierten Kunden und Medienvertretern, wie das Augmented Reality (AR) Shopping der Zukunft aussehen könnte: Mittels der Microsoft AR-Brille HoloLens führt Shoppingbegleiterin Paula durch den Markt zu drei Stationen, liefert zusätzliche Produktinfos und bietet auch den einen oder anderen Showeffekt.
Die Technologie ist noch etwas ruckelig sowie zu teuer und zu unbequem für den Masseneinsatz. Doch lässt sich der Verstand überraschend leicht von dem dreidimensionalem wirkenden Avatar täuschen und erhält man so eine erste Vorstellung davon, wie AR in einigen Jahren tatsächlich das stationäre Einkaufen digitalisieren könnte. "Wenn es AR-Technologie in fünf bis zehn Jahren in Kontaktlinsengröße gäbe, wäre das der Durchbruch für die Technologie", gibt sich Media-Saturn-Digitalchef Martin Wild bei der Präsentation von Paula überzeugt - schließlich benutzten schon jetzt viele Menschen ihre Handys, um die Realität mit digitalen Informationen anzureichern.
Paula ist dabei nur der bislang letzte Streich in einer Reihe von digitalen Pilotprojekten, die Martin Wild in seiner Rolle als Chief Digital Officer von Media-Saturn auf den Weg gebracht hat. Der einstige Chef des Online-Händlers Home of Hardware (HoH) präsentierte vor zwei Jahren bereits eine Virtual Reality (VR) Lösung für die Küchenplanung und sorgte im vergangenen Jahr mit dem Assistenzroboter Paul, der Kunden durch den Saturn-Markt in Ingolstadt führt, für Aufsehen. "Bei unseren Überlegungen zum Thema Customer Experience geht es meistens um eine erweiterte Personalisierung", erklärt Wild im Gespräch mit ChannelPartner. "Wir wollen herausfinden, wie sich das Offline-Einkaufserlebnis durch Digitalisierung verbessern und personalisieren lässt."
"Auch bei Onlineshops wird eine neue Entwicklungsstufe kommen"
Das meiste, was Martin Wild in seiner Zeit bei Media-Saturn bislang an Innovationen präsentierte, bezog sich auf das stationäre Einkaufserlebnis. Macht sich der HoH-Gründer auch Gedanken über die Weiterentwicklung der E-Commerce-Angebots von Media-Saturn? "Ich bin überzeugt, dass bei den Onlineshops eine neue Entwicklungsstufe kommen wird", antwortet Wild. "Das könnte so weit sein, wenn Virtual Reality den Durchbruch feiert. Auch werden Voice-Systeme in nächster Zeit zu einer Veränderung im Kundenverhalten führen." In diesem Zusammenhang gewinne auch das Thema "Semantische Suche" an Bedeutung beim Onlineshopping.
Auch Paula sei prinzipiell im E-Commerce-Kontext denkbar: "Ein virtueller Avatar wie Paula könnte mittelfristig auch zuhause im Wohnzimmer als Shopping-Assistent beim Online-Einkauf eine Rolle spielen", erklärt Martin Wild. Aktuell mache Paula in Verbindung mit Augmented Reality im stationären Kontext aber mehr Sinn.
Die Digitalisierung von Media-Saturn gewinnt an Schwung
Mit seinem Team arbeitet Martin Wild nicht nur an der Digitalisierung des Kundenerlebnisses, auch die Prozesse sollen durch digitale Innovationen vereinfacht und effizienter gemacht werden: "Im Bereich Business Operations beschäftigen wir uns vor allem mit Automatisierungsprojekten, da diese das Potenzial haben, unseren Mitarbeitern sehr viel Zeit zu sparen", berichtet der Chief Digital Officer. Als Stichworte nennt Wild Logistikroboter und Lokalisierungsverfahren auch im Lagerbereich.
Allerdings sei in manchen Bereichen noch immer nicht klar, welche Technologien sich schlussendlich durchsetzen würden. So machte Media-Saturn vor einigen Jahren mit frühen Experimenten mit der Beacon-Technologie von sich reden. Inzwischen sei man von der alleinigen Fokussierung auf Beacons wieder abgekommen: "Beacons alleine bieten nicht die nötige Genauigkeit und Stabilität, die wir für standortbezogene Services benötigen. Wir setzen stattdessen auf eine Kombination verschiedener Lokalisierungsverfahren. Als einzelne Technologie ist dabei Visible Light Communications (VLC) aus unserer Sicht das derzeit beste Verfahren", so Wild.
In seiner Rolle als Digitalisierungs-Evangelist wendet sich Martin Wild sowohl nach außen an Medien und Kunden, wie auch nach innen an das eigene Unternehmen. "Es ist immer wichtig, die Kollegen auf die Reise mitzunehmen. Die Bereitschaft dazu hat sich in den letzten zwei, drei Jahren sehr positiv entwickelt. Das liegt sicher auch daran, wie unser CEO Pieter Haas die Begeisterung für die Digitalisierung vorlebt", berichtet der Chief Digital Officer. Inzwischen gebe es auch immer wieder Markt-Geschäftsführer, die sich um die Durchführung von digitalen Pilotprojekten bei der Konzernzentrale von Media-Saturn in bewerben würden.
Start-up-Programm geht in eine neue Runde
Neben den Themen Customer Experience und Business Operations beschäftigt sich Martin Wild in seiner Rolle als Digitalchef von Media-Saturn auch mit neuen, durch die Digitalisierung möglichen Geschäftsmodellen. "Im Bereich New Business Models geht es gar nicht darum, dass die Geschäftsmodelle immer digital sein müssen", erklärt Martin Wild.
Als Beispiele nennt er das aus dem hauseigenen Accelerator-Programm Spacelab hervorgegangene und im März 2017 von Media-Saturn übernommene Start-up Deutsche Technikberatung, das bei Technikproblemen telefonisch oder direkt vor Ort weiterhilft, sowie Tec InStore, ein Servicedienstleister, der Sofortreparaturen in Media-Saturn-Märkten durchführt. "Das sind zwei Beispiele für Modelle, die eigentlich analog sind, die aber erst durch die Digitalisierung notwendig geworden sind. Das Thema Smart Home wird hier noch für weiteren Bedarf sorgen", so Wild.
Damit auch künftig neue Geschäftsmodelle das Angebot von Media-Saturn erweitern, soll das Start-up-Programm Spacelab weiter fortgeführt werden: "Wir wollen Spacelab auf ein neues Level heben, um noch mehr Start-ups mit guten Ideen anzuziehen", kündigt Martin Wild an. Wichtig sei dabei, dass es sich bei Spacelab nicht in erster Linie um einen VC-getriebenen Accelerator handele, sondern dass Media-Saturn damit interessante Partner suche, die neue Ideen hätten und mit denen das Unternehmen Pilotprojekte umsetzen könne. Eine Verschnaufpause beim Thema Digitalisierung wird Martin Wild also noch lange nicht gegönnt sein. (mh)