Aus wirtschaftlicher Sicht ist es vollkommen nachvollziehbar und auch sinnvoll, dass Unternehmen auf die automatisierten Helferlein in ihrer Kundenkommunikation, allem voran dem Kundenservice, setzen. Egal, wie hoch das Kundenaufkommen ist oder wann Anfragen eintrudeln, ein Chatbot ist unendlich skalierbar und kann zu jeder Tages- und Nachtzeit den Kunden Antworten liefern. Trotzdem: Ein Chatbot ist nun mal kein Mensch. Dank Natural Language Processing (NLP) und anderer KI ist das für den Kunden allerdings immer schwerer zu unterscheiden. Spreche ich nun mit einem realen Kundenservice-Agenten oder doch mit einer Maschine?
Wir erinnern uns an die Demonstration des Google Assistant auf der vorletzten I/O Conference in Mountain View, Kalifornien. Völlig selbstständig vereinbarte der digitale Sprachassistent einen Friseurtermin am Telefon. Dabei benutzte er eine derart natürliche Sprache, dass die Person am anderen Ende der Leitung nicht merken konnte, mit wem sie es wirklich zu tun hat.
Natürlich ist dieses Szenario erstmal Zukunftsmusik. Dennoch arbeiten tausende Entwickler ständig an der Verbesserung der Algorithmen und die Bots sind immer stärker in der Lage, Alltagssprache und Gefühle zu simulieren sowie Kontext zu verstehen. Dadurch ergibt sich für Unternehmen eine nie dagewesene, aber grundlegende Frage: Müssen meine Kunden wissen, dass sie mit einem Bot sprechen oder steht die reine Lösung ihrer Probleme, egal aus welcher Quelle, im Vordergrund?
Kunden fordern Transparenz von Unternehmen
Zunächst eine Information: Rein rechtlich sind Unternehmen nicht dazu verpflichtet, ihre Kunden über die Nutzung von Chatbots zu informieren. Nicht zuletzt durch die EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) müssen sie allerdings kommunizieren, welche Daten sie auf ihrer Website erheben und das Einverständnis der Nutzer einholen.
Doch die Debatte geht weit über die faktische, gesetzliche Ebene hinaus und wird fast schon philosophisch: Wenn ein Computer menschenähnlich wirkt, meine Probleme genauso gut oder schlecht lösen kann und mit mir redet, ist es dann noch wichtig zu wissen, dass es ein Computer ist? Oder ist es nicht vollkommen egal? Es gibt inzwischen, wie immer, schon zahlreiche und leicht voneinander abweichende Umfragen zu dem Thema. Eines scheint aber festzustehen: Viele Kunden finden Chatbots gut, wenn sie ihnen helfen können, aber etwas suspekt ist ihnen das Ganze schon. Unternehmen müssen also eine Entscheidung treffen, ob sie sich zukünftig über die Nutzung ihrer Technik ausschweigen wollen oder ganz offen damit umgehen.
Ich empfehle letzteres. Wir befinden uns in einer Umbruchphase der Beziehung zwischen Mensch und Technik. Die KI wird Vieles verändern und beeinflussen, was wir heute kennen. Umso wichtiger ist es, den Menschen als empathisches, soziales und individuelles Wesen zu respektieren und ihn von ein paar Zeilen Code abzuheben. Abgesehen davon fordern die Kunden auch eine immer stärkere Transparenz von Unternehmen. Woher kommen die Rohstoffe in Produkten? Ist die Lieferkette nachhaltig? Wie sind die Arbeitsbedingungen? Wer solche Fragen stellt, will sicher auch wissen, mit wem aus dem Unternehmen er gerade spricht - und wenn es eben eine Maschine ist. Unternehmen sollten diesen Wunsch daher antizipieren und die Transparenz als Service an den Kunden von sich aus liefern. So stärken sie das Vertrauen und sorgen für einen offenen Austausch und ein loyaleres Klientel.